# taz.de -- Imagepflege durch Kulturförderung: Vonovia kauft sich ins Museum ein
       
       > Der umstrittene Wohnungskonzern Vonovia lobt seit 2017 einen Fotopreis
       > aus. Nun zeigt mit dem Sprengel-Museum erstmals ein großes Haus die
       > Arbeiten.
       
 (IMG) Bild: Zu Hause im eigenen Körper – oder eher unheimelig? Arbeit aus der prämierten Reihe „Supernature“
       
       „Deutsche Wohnen“ und „Vonovia“: Beide sind Wohnungskonzerne, [1][beide
       sind im Deutschen Aktienindex DAX], sie zählen also zu den 30 wichtigsten
       und liquidesten Kapitalgesellschaften hierzulande. Beide entstanden nach
       1990, als unter neoliberalen Vorzeichen kommunale und gemeinnützige
       Wohnungsgesellschaften ihre Bestände veräußerten.
       
       Vonovia verfügt nach eigenen Angaben allein in Deutschland über 500.000
       Wohnungen an 400 Standorten, Deutsche Wohnen über 140.600 Wohnungen.
       Während in Berlin ein Volksentscheid unter dem griffigen Slogan „Deutsche
       Wohnen enteignen“ dem lokalen „Mietenwahnsinn“ ein Ende bereiten möchte,
       steht Vonovia weniger im Fokus des politischen Aktivismus.
       
       Liegt es vielleicht mit daran, dass der Konzern nicht nur Sponsor in der
       Fußballbundesliga ist, sondern sehr geschickt auch auf dem Klavier der
       Kunstförderung zu spielen vermag – und somit Fronten aus dieser Richtung
       [2][im Zaume zu halten] versteht? Zu diesem Geschäftsfeld zählt der seit
       2017 jährlich ausgelobte „Award für Fotografie“. Dieser richtet sich an
       professionelle Fotograf:innen, die neben einem einschlägigen Abschluss den
       Nachweis erbringen müssen, mindestens [3][die Hälfte ihres
       Lebensunterhalts] durch die Fotografie bestreiten zu können.
       
       Aber auch Nachwuchs-Fotograf:innen, nicht älter als 26, in
       Berufsausbildung, im Studium oder in ihren ersten beiden Berufsjahren steht
       der Preis in einer eigenen Kategorie offen. Vergeben werden drei Preise für
       die beste Fotoserie und eine Auszeichnung für den Nachwuchs.
       
       Über die Zahl der Einreichungen schweigt der Auslober, die Statuten sehen
       jedoch vor, dass 25 Finalist:innen für die Serie und acht für die
       Nachwuchsarbeit nominiert werden, was offensichtlich nie Probleme bereitet.
       Das Thema ist, dem Auslober geschuldet, seit Anbeginn „Zuhause“ – aber
       genauso offensichtlich: mit weiten Möglichkeiten der Auslegung.
       
       Neu ist, dass mit dem Sprengel-Museum in Hannover erstmals ein renommiertes
       Haus die ausgezeichneten Werke zeigt. Derzeit sind es die
       Preisträgerarbeiten sowie Auszüge der [4][finalen Wahl der fünften
       Auslobung 2021], ab Ende September kommen dann die Preisträger:innen
       der sechsten von 2022 hinzu.
       
       Neu war 2021 auch, dass erstmals alle vier Auszeichnungen an Fotografinnen
       gingen. Mit der in Berlin lebenden Julia Autz hat eine im Norden nicht
       Unbekannte den Preis für die beste Serie erhalten. Auszüge ihrer ab 2017
       verfassten Arbeit „While I was waiting“ waren bereits Anfang des Jahres im
       Braunschweiger Museum für Photographie zu sehen, im Rahmen einer
       [5][Ausstellung jüngerer Fotograf:innen zu Protestkulturen] und
       digitalen Welten.
       
       Ihre laut Jury „eminent politische Arbeit“ dokumentiert divergente
       Jugendkulturen in Belarus, ihr Verharren zwischen Aufbegehren und
       repressiven Unterdrückungsmechanismen der staatlichen Obrigkeit. Autz
       findet dafür eine verhaltene Bildsprache, die ihren Protagonist:innen
       einen weiten ästhetischen Raum für ihre Gefühlswelten eröffnet, „ein
       hoffnungsvolles Warten auf Veränderung“, so die Fotografin.
       
       Die Zweitprämierte, Karina-Sirkku Kurz, geht in ihrer Serie „Supernature“
       der Frage nach, wie weit wir unseren Körper als Zuhause akzeptieren oder
       ihn doch lieber durch plastisch-chirurgische Eingriffe zur optimalen
       Behausung umformen. Dazu hat sie leicht surreale Stillleben verfasst.
       
       Die Drittplazierte, Jana Sophie Nolle, inszenierte in den Wohnzimmern
       wohlbehauster Menschen in San Francisco wie Berlin temporäre
       Obdachlosenunterkünfte aus Materialien von der Straße. Nachwuchstalent
       Sarah Grete begleitete ihre Mutter an deren Orte der Kindheit, rund um
       einen Bauernhof in Süddeutschland.
       
       Das kommt alles dann doch [6][recht getragen daher]. Aber man muss sich nur
       unter den Finalist:innen umschauen, um auch Humorvolleres und
       Ironisches zu entdecken. Maria Mavropoulou etwa sieht leuchte Bildschirme
       in dunklen Räumen stellvertretend für unsere entseelte
       Kommunikationskultur. Matthias Jung porträtiert für „Inges Fragmente“ eine
       offensichtlich manische Sammlerin, umgeben von Tausenden ihrer
       Küchenutensilien. Und Wolfgang Fröhling dokumentiert das zeitlose und wie
       stets ergiebige Thema, was passiert, wenn Besitzer von Doppelhaushälften
       der gestalterische Selbstverwirklichungstrieb befällt: „Meine Hälfte“, klar
       doch!
       
       20 Aug 2022
       
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