# taz.de -- Aufregung um „Winnetou“-Buch: Man muss loslassen können
       
       > Die Welt von Karl May gehört für viele zu lieb gewonnenen
       > Kindheitserinnerungen. Das rechtfertigt aber nicht, gegenüber Unrecht und
       > Rassismus blind zu sein.
       
 (IMG) Bild: Winnetou und Old Shatterhand im Jahr 1963 – die Helden der Kindheit, heute nicht mehr zeitgemäß
       
       Große Aufregung: Es geht Winnetou an den Kragen. Der Ravensburger Verlag
       entschied sich nach Rassismuskritik dafür, das Buch zum aktuellen
       Kinderfilm „Der junge Häuptling Winnetou“ vom Markt zu nehmen. Natürlich
       folgte reflexartig der Cancel-Kultur-Aufschrei. Die sich wiederholende
       Spirale ist nervig, aber wohl vorerst nicht zu umgehen – die Gesellschaft
       arbeitet an ihrer Veränderung, und das verlangt schmerzhafte Umdenkprozesse
       vor allem bei denen, die das nicht für nötig halten.
       
       [1][Wer mit Karl Mays Winnetou-Universum] aufgewachsen ist, hat vermutlich
       viel Kindheitszeit damit verbracht, sich in diese Welt hineinzuträumen, in
       einen „Wilden Westen“, wo nach aufregenden Abenteuern das vermeintlich Gute
       siegt. So jemanden kann es auch als Erwachsenen hart treffen, wenn im
       Nachhinein all das für schlecht erklärt wird. Das ist verständlich:
       Kindheitsträume sind etwas sehr Persönliches. Und man kann Kindern von
       damals nicht vorwerfen, stereotype Darstellungen indigener Menschen nicht
       erkannt zu haben. Das nötige Wissen war nicht überall. Heute aber ist das
       der Fall.
       
       Und viele der alten Fans, wie sicher auch [2][Sigmar Gabriel, der seine
       Winnetou-Loyalität per Tweet in die Welt posaunte], wissen eigentlich, dass
       die Gesellschaft sich weiterentwickelt hat. Sie können es ignorieren, doch
       dann müssen sie in Kauf nehmen, dass ihr Verhalten von anderen als ignorant
       aufgefasst wird. Es geht ja auch anders – man kann die Helden der Kindheit
       mit neuem, informiertem Blick betrachten und akzeptieren, dass die alte
       Sichtweise sich nicht halten lässt. Man kann anerkennen, dass Old
       Shatterhand als Kolonialist nach Amerika kommt und zunächst als Vermesser
       für die Eisenbahn an der Landnahme und also Enteignung der indigenen
       Bevölkerung beteiligt ist.
       
       Niemand muss sich seine persönlichen Kindheitserinnerungen kaputtmachen
       lassen. Aber dass die [3][Winnetou-Verherrlichung einfach so weitergehen
       soll, als hätte die Kritik daran] nichts mit dem Kampf um eine gerechtere
       Welt zu tun, ist rücksichtslos. Man muss auch loslassen können.
       
       24 Aug 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /100-Todestag-von-Karl-May/!5097407
 (DIR) [2] https://twitter.com/sigmargabriel/status/1561994458715111425
 (DIR) [3] https://www.mdr.de/kultur/literatur/karl-may-jenny-florstedt-leipzig-100.html
       
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 (DIR) Anne Diekhoff
       
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