# taz.de -- Proteste der Klimabewegung in Berlin: Rebellion in Vorbereitung
       
       > Aktivist:innen von Extinction Rebellion bereiten sich auf ihre
       > Herbstaktion vor. Neben dem Klima geht es um die soziale Frage.
       
 (IMG) Bild: Noch ist geheim, was die Aktivist:innen von Extinction Rebellion für ihre Herbstaktion planen
       
       BERLIN taz | Das Hauptquartier der Klimaschutzgruppe [1][Extinction
       Rebellion (XR)] liegt versteckt im hinteren Teil des Studiogeländes der
       Berliner Union Film südlich vom Tempelhofer Feld. Wer es dahin geschafft
       hat, muss nur noch eine Treppe rauf, einen Gang entlang und wieder durch
       eine Tür eine Treppe runter. Wäre die detaillierte Wegbeschreibung nicht
       auf der Website von XR zu finden, könnte man meinen, es handele sich um ein
       Geheimversteck, von dem aus die illegalen Aktionen der Gruppe geplant
       werden.
       
       Die großzügigen Räume ihrer „Dezentrale“ mit einem Bastelraum und einem
       Büro, die zugleich als Materiallager dienen, sind trotz des Namens so etwas
       wie die Kommandozentrale der Klimaaktivist:innen. Hier laufen die Fäden
       zusammen, hier bereiten sie die „Herbst Rebellion“ vor, wie die am Samstag
       beginnenden Aktionstage im XR-Sprech heißen.
       
       Drei Großaktionen sind geplant, die aber so geheim sind, dass nur ein
       jeweils kleiner Planungskreis alle Details kennt. Verraten wird nur:
       Samstag soll es ein „ungehorsames Straßenfest“ an einem belebten Ort geben,
       Montag und Dienstag soll „der politische Betrieb gestört“ werden.
       
       Im Kunstraum, dessen Regale über und über mit Farben, Spraydosen und
       Stoffen vollgestopft sind, tragen zwei Aktivist:innen mit einer
       Siebdruckmaschine das Gruppenlogo einer stilisierten Sanduhr im Erdkreis
       auf lilafarbene Fahnen auf.
       
       ## Aufwendige Aktionsvorbereitungen
       
       Nachdem bei der ersten die Farbe noch etwas verläuft, sehen die nächsten
       schon aus wie gedruckt. 40 Fahnen haben die beiden vor sich, sagt Aktivist
       Micha, der seit sechs Wochen bastelt und baut. Schilder, Westen oder
       riesige Transparente sind hier entstanden – die legalen Ausdrucksmittel der
       Gruppe.
       
       Den geheimen Teil hat die Bau-AG an einem anderen Ort angefertigt. Von
       „Strukturen“ spricht Micha und meint plastische Figuren, die dazu dienen,
       dass sich Aktivist:innen an ihnen anketten oder ankleben können. Das
       Festkleben, mit dem zuletzt die Gruppe „Letzte Generation“ aufgefallen war,
       gehört bei XR schon lange zum Standardrepertoire.
       
       Im vergangenen Jahr fing die Polizei am Morgen des ersten Aktionstages des
       [2][„August Rise up“] alle Aufbauten, die zu einer Blockade am
       Brandenburger Tor sollten, schon an der Werkstatt ab. „Zwei Wochen vor der
       Aktion wurden wir schon von der Polizei observiert“, erzählt Micha und
       ergänzt: „Diesmal sind alle Sachen schon an einen anderen Ort gebracht
       worden.“
       
       Für XR ist es das vierte Jahr in Folge, in dem sie mit bundesweit
       mobilisierten und bunten Aktionstagen in Berlin auf die Klimakrise
       hinweisen wollen. Als „sehr aufwendig“ bezeichnet Micha die
       Aktionsvorbereitungen, die schon im April begonnen haben. Im vergangenen
       Jahr versuchten die XR-Aktivist:innen ein verbotenes Camp im Monbijoupark
       aufzubauen, es gab Blockaden vor den Büros des Bauernverbandes und vor
       Bundesministerien und eine Besetzung im Büro des Wirtschaftsrates der CDU.
       
       Die Forderungen sind immer die gleichen: Die Politik soll die existenzielle
       Bedrohung durch die Klimakrise anerkennen, die Treibhausgasemissionen bis
       2025 auf Nettonull senken sowie eine Bürger:innenversammlung für die
       notwendigen Maßnahmen einberufen. Die Prinzipien bleiben auch: Aktionen
       verlaufen unbedingt gewaltfrei und sollen zugänglich für alle sein.
       
       [3][Judith Pape] ist dabei, seit die Bewegung Ende 2018 von Großbritannien
       nach Deutschland schwappte. Ein Jahr später beteiligten sich 6.000 Menschen
       bei Straßenblockaden in Berlin. Pape ist von ihrem Computer im kleinen
       Büroraum aufgestanden und hat auf einer riesigen Eckcouch Platz genommen.
       
       Dieses Jahr wären sie bei XR schon mit einem Zehntel der
       Teilnehmer:innen zufrieden. Sie spricht von einer „gesellschaftlichen
       Demobilisierung“ und einem „Überforderungzustand“ angesichts der vielen
       Krisen. Mit Corona habe XR den Fokus auf den Aufbau der Strukturen gelegt,
       darauf „Vertrauensverhältnisse“ aufzubauen. Pape sagt, es sei gut mit
       Menschen zusammenzuarbeiten, die die Klimakrise „ähnlich emotional
       durcharbeiten“ wie sie selbst.
       
       Die 34-Jährige mit den langen hellblonden Haaren war schon bezahlte
       Vollzeitaktivistin bei XR und ist schon seit Juni mit den
       Aktionsvorbereitungen beschäftigt. Ihr Jahresziel von „einer ungehorsamen
       Aktion im Monat“ hat sie bis auf einen Ausfall bislang eingehalten: Besuche
       bei Bayer, Blockaden auf der Marshallbrücke oder des Finanzministeriums
       gehörten dazu. Bei den bevorstehenden Aktionstagen ist sie für das
       „Narrativ“ zuständig, also der Erzählung, die vermittelt werden soll.
       
       ## Klimagerechtigkeit mit der sozialen Frage verbinden
       
       Wer dachte, XR kümmere sich ausschließlich um Klimafragen wird überrascht:
       „Jetzt ist der heiße Herbst und die Frage ist: Wie können Klima- und
       soziale Gerechtigkeit zusammengebracht werden“, sagt Pape. Von der
       politischen Rechten und vielen Medien würden beide Themen „gegeneinander
       ausgespielt“, dabei sei es „wichtig, dass hier alle gut leben können“ und
       gleichzeitig die Klimakrise als „globales Problem“ begriffen werde.
       
       Das Ausspielen verdecke, so Pape, „dass man den Reichtum nicht antasten
       will“. Für die Samstagsaktion habe man den Schulterschluss mit der Kampagne
       [4][#Ich bin Armutsbetroffen] gesucht. „Wir dürfen die soziale Frage nicht
       den Rechten überlassen“, sorgt sich auch Pape. Bei XR sei man in der
       Abgrenzung zu „nationalistischen Perspektiven aufs Klima“ und auch
       gegenüber jeglichen Verschwörungsmythen „sehr entschlossen.“
       
       Das Untergangsnarrativ, das XR bislang bediente, die Rede vom baldigen
       Aussterben, das auch viele abschreckte, habe sich geändert. „Das alles ganz
       schnell gehen muss, war die XR-Erzählung, aber das überzeugt nach vier
       Jahren nicht mehr so“, sagt Pape.
       
       Der „Ohnmacht“ gegenüber den Verhältnissen will Pape „Handlungsfähigkeit“
       entgegensetzen. Zuversichtlich stimmt sie, dass auch diesmal viele neue
       Aktivist:innen erstmals Erfahrungen mit „ungehorsamen Aktionen“ machen
       werden. Am Donnerstag wurde das Camp im Invalidenpark aufgebaut, das mit
       Workshops, Trainings und als Schlafstätte einen Rahmen für die Aktionen
       bilden soll. Die Infrastruktur steht. Es müssen nur noch die
       Aktivist:innen kommen.
       
       16 Sep 2022
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
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