# taz.de -- Ermittlungen im Fall Hanau eingestellt: Waffenbehörde nicht verantwortlich
       
       > Der Hanau-Attentäter hatte eine Waffenbesitzkarte, obwohl er psychisch
       > auffällig war. Nun wurden die Ermittlungen gegen die Waffenbehörde
       > eingestellt.
       
 (IMG) Bild: Waffenbesitzkarte trotz psychischer Störung: der Attentäter besaß eine Sig Sauer
       
       BERLIN taz | Als Tobias R., [1][der Attentäter von Hanau], am 19. Februar
       2020 [2][neun Menschen und seine Mutter] erschoss, nutzte er dafür eine
       Ceska- und eine Sig-Sauer-Pistole. Beide konnte er über eine offizielle
       Waffenbesitzkarte nutzen – obwohl der 43-Jährige zuvor [3][psychisch
       auffällig wurde] und mehrere Ermittlungsverfahren gegen ihn liefen. Im Mai
       2021 hatte die Staatsanwaltschaft Hanau deshalb, nach einer Anzeige der
       Familie des Attentatsopfer [4][Hamza Kurtovic], Ermittlungen wegen
       fahrlässiger Tötung gegen die Waffenbehörde Main-Kinzig-Kreis aufgenommen –
       die nun eingestellt wurden.
       
       Es habe sich „kein hinreichender Tatverdacht einer Straftat“ ergeben,
       teilte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Denn die Waffenbehörde
       habe von den psychischen Auffälligkeiten von Tobias R. nie Kenntnis
       erlangt. Einzig wäre die Behörde verpflichtet gewesen, das Verfahren nach
       München abzugeben, wo R. zwischenzeitlich mehrere Jahre lebte. Auch dort
       wäre es aber aufgrund der Aktenlage nicht zu einem Widerruf seiner
       Waffenerlaubnis gekommen, so die Staatsanwaltschaft. Eine
       „quasiursächliche“ Mitverantwortung der Behörde für das Attentat bestehe
       daher nicht.
       
       ## Schon 2002 war Tobias R. in der Psychiatrie
       
       Tatsächlich war die psychische Erkrankung von Tobias R. kein Geheimnis.
       Seit 2013 hatte er eine Waffenerlaubnis besessen, die mehrfach verlängert
       wurde. Mehreren Zuverlässigkeitsüberprüfungen durchlief er erfolgreich.
       
       Schon 2002 wurde R. aber kurzzeitig in München in die Psychiatrie
       eingewiesen, nachdem er zur Polizei gegangen war und eine „psychische
       Vergewaltigung“ durch Geheimdienste beklagte. Zwei Jahre später stellte er
       auch bei der Polizei Südosthessen eine Anzeige wegen angeblicher Verfolgung
       durch einen Geheimdienst. Das wurde dort als Verfolgungswahn notiert und
       dem Gesundheitsamt Main-Kinzig-Kreis gemeldet. Ab 2019 verschickte R. dann
       [5][Briefe an Behörden] und am Ende auch die Bundesanwaltschaft, in denen
       er wirre Verschwörungstheorien äußerte. Allein: Laut Ermittlungsergebnis
       erfuhr die Waffenbehörde von all dem nichts.
       
       Und die Ermittlungsverfahren gegen Tobias R. – wegen
       Sozialleistungsbetrugs, Betäubungsmittelverstoßes, Körperverletzung,
       fahrlässigen Herbeiführens einer Brandgefahr oder weil er 2009 unerlaubt
       eine Schreckschusspistole in seinem Auto mitführte – wurden allesamt
       eingestellt. So hatte Tobias R. 2008 einem Sicherheitsmann der Universität
       Bayreuth ins Gesicht geschlagen und ihn als „fette Sau“ beschimpft, nachdem
       dieser ihm das Betreten eines Sportzentrums verweigert hatte. 2018 rief
       wiederum eine Escort-Frau die Polizei, weil R. sie bedrohe. All das aber
       blieb rechtlich folgenlos.
       
       Eine Ablehnung der Waffenzuverlässigkeit sei wegen der Einstellungen damit
       „nicht zwingend“ gewesen, so die Staatsanwaltschaft Hanau. Einzig der Fall
       mit der Schreckschusspistole sei eine Ermessensfrage – dieser habe aber zum
       Zeitpunkt der Prüfung lange Zeit zurückgelegen, weshalb ein Entzug der
       Waffenerlaubnis auch hier nicht zwingend sei.
       
       ## „Ein Schlag ins Gesicht“
       
       Armin Kurtovic, Vater von Hamza Kurtovic, zeigte sich von der Entscheidung
       enttäuscht. „Keiner will bei dieser Tat an irgendetwas Schuld sein“, sagte
       er der taz. Kurtovic verweist auf die ebenfalls eingestellten oder
       abgelehnten Ermittlungen zum kaum erreichbaren Notruf in der Tatnacht und
       einem verschlossenen Notausgang in dem Kiosk, wo sein Sohn erschossen
       wurde. „Alles wird eingestellt“, klagt Kurtovic. „Das ist jedes Mal ein
       Schlag ins Gesicht.“
       
       15 Sep 2022
       
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