# taz.de -- Staatsstreich in Burkina Faso: Von einem Putsch zum nächsten
       
       > In Burkina Faso gab es erneut einen Staatsstreich. Welche Rolle spielt
       > Russland? Und sollte sich die Bundeswehr nun aus der Region zurückziehen?
       
 (IMG) Bild: Gehüllt in die Farben Russlands: Proteste in Ouagadougou am 30. September
       
       1In Burkina Faso hat es einen Militärputsch gegeben. Was ist passiert?
       
       Am frühen Morgen des 30. September fielen in der Hauptstadt Ouagadougou
       Schüsse. Das Viertel Ouaga 2000, in dem viele Behörden und internationale
       Organisationen ihren Sitz haben, wurde größtenteils abgeriegelt. Das
       Staatsfernsehen RTB sendete nicht mehr. Nachmittags kam es im Zentrum zu
       Protesten, bei denen auch russische Flaggen geschwenkt wurden. Die
       Demonstrant*innen forderten die Freilassung von [1][Oberst Emmanuel
       Zoungrana], der seit Anfang des Jahres wegen mutmaßlicher Geldwäsche sowie
       Gefährdung der Staatssicherheit inhaftiert ist.
       
       Spekulationen, ob es sich um einen Staatsstreich handelt, wurden am Abend
       des 30. September bestätigt: Soldaten setzten Paul-Henri Damiba ab [2][und
       machten Ibrahim Traoré zum Junta-Chef]. Damiba beschuldigten sie, den
       Terrorismus im Land nicht wirkungsvoll zu bekämpfen.
       
       2 Moment, schon wieder?
       
       Bereits Ende Januar hatten Militärs um Damiba gegen Ex-Präsident Kaboré
       geputscht und das mit der schlechten Sicherheitslage und Ausstattung der
       Streitkräfte begründet. Dieser Vorgang hat sich nun im Grunde wiederholt.
       Allein im September starben mindestens 46 Menschen [3][durch
       Terrorangriffe]. Dazu kamen Machtkämpfe innerhalb der Armee. Damiba wurde
       vorgeworfen, einen zu engen Kontakt mit der verhassten Kolonialmacht
       Frankreich zu pflegen und die Probleme des eigenen Landes zu ignorieren.
       Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1960 hat Burkina Faso eine lange Tradition
       der Staatsstreiche. Langzeitherrscher Blaise Compaoré kam 1987 ebenso wie
       der als Nationalheld verehrte Thomas Sankara durch einen Coup an die Macht.
       
       3 Auch in [4][Mali und Guinea] wurde seit 2020 insgesamt dreimal geputscht.
       Besteht da ein Zusammenhang?
       
       Die Staatsstreiche in Mali und Burkina Faso haben tatsächlich
       Ähnlichkeiten. Zugrunde liegt die allgemeine Unzufriedenheit über die
       schwere Sicherheitskrise in der Sahelzone. Die Umstürze weckten bei den
       Menschen Hoffnung, dass sich die Lage bessert, die Junta wurde in beiden
       Ländern anfangs bejubelt. Obwohl sich an der Situation der Menschen nichts
       veränderte, hat die Militärregierung in Mali weiterhin überraschend viel
       Unterstützung. Zumindest wirkt es so – verlässliche Meinungsumfragen gibt
       es nicht.
       
       Der Putsch in Guinea hatte allerdings andere Gründe. Dort richtete sich der
       Zorn gegen [5][Alpha Condé], dem durch eine Verfassungsänderung eine dritte
       Amtszeit gelang. Schon im Jahr vor seiner Wiederwahl hatte es dagegen
       Proteste mit Dutzenden Toten gegeben. Der Intellektuelle und
       jahrzehntelange Oppositionelle galt 2010 als Hoffnungsträger, brachte einem
       Großteil der Bevölkerung aber keine besseren Lebensbedingungen.
       
       4 Wer kann in Burkina Faso etwas verändern?
       
       Junge Menschen haben in dem Land politisch kaum Einfluss. Dominant ist die
       Oppositionsbewegung Le Balai Citoyen, die 2014 nach wochenlangen Protesten
       einen der letzten Langzeitherrscher Westafrikas, Blaise Compaoré, stürzte.
       Doch Strukturen können sie nicht verändern. Ohnehin sind
       Mitsprachemöglichkeiten gering. In Bargny in Senegal haben sich
       Einwohner*innen, Aktivist*innen und Lokalpolitiker*innen
       zusammengeschlossen, um gegen Kohlekraft, Rohstoffhafen und ein neues
       Industriegebiet zu demonstrieren.
       
       Obwohl sie gut organisiert sind und finanzielle Mittel haben, trifft die
       Regierung die Entscheidungen ohne sie. Sowieso ist die politische Klasse
       meist ein geschlossenes System, zu dem es kaum Zugang gibt. Wer dazu
       gehört, hat sich gut eingerichtet, wie etwa der Sohn des malischen
       Ex-Präsidenten [6][Ibrahim Boubacar Keïta]. 2020 feierte er auf
       Luxusyachten Partys, während die Bevölkerung immer stärker unter Angriffen
       der Terroristen litt. Doch selbst ohne Sicherheitskrise sind die
       Herausforderungen enorm. Die Bevölkerung wächst. Es fehlt an Wohnraum,
       Schulen, guter Ausbildung und Arbeitsplätzen.
       
       5 Machen die Staatsstreiche alles noch schlimmer?
       
       In Mali und Burkina Faso hat sich die Lage seit 2020 verschlechtert. In
       Mali schränkt [7][Militärherrscher Assimi Goïta] Meinungs- und
       Pressefreiheit ein. Auch hat er sich nicht an den mit der Westafrikanischen
       Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas abgesprochenen Wahltermin gehalten. Demnach
       hätten bereits im Februar Wahlen stattfinden müssen. In Burkina Faso haben
       laut Acled, einer NGO, die Konflikte weltweit dokumentiert, seit dem Putsch
       im Januar Angriffe von bewaffneten Gruppen um 23 Prozent zugenommen. Der
       Staat kontrolliert nur noch 60 Prozent des Landes.
       
       6 Beim Putsch in Burkina Faso schwenkten Protestierende russische Fahnen.
       Welche Rolle spielt Russlands Regierung?
       
       Spätestens seit im vergangenen Jahr der Deal zwischen Malis Junta und der
       russischen Gruppe Wagner bekannt wurde, gilt Russland als neuer Partner.
       Die russischen Söldner arbeiten inzwischen mit der malischen Armee
       zusammen. Viele Menschen in der Region sind überzeugt, dass sich die
       Sicherheitslage in Mali seit 2012 nicht verbessert, weil die einstige
       Kolonialmacht Frankreich mit ihrer Anti-Terror-Mission Barkhane versagt
       hat. Diese Unzufriedenheit weiß Russland zu nutzen. So baut der
       [8][staatliche Auslandssender Russia Today (RT)] aktuell seine Präsenz in
       Südafrika aus.
       
       Gerade über Facebook, das meistgenutzte soziale Netzwerk in Burkina Faso,
       lassen sich leicht Falschnachrichten verbreiten. Wagner-Chef Evgueni
       Prigoschin kündigte zudem an, man wolle den neuen Junta-Chef Burkina Fasos,
       Traoré, unterstützen. In Anspielung auf den Ende Januar gestürzten
       Ex-Präsidenten Kaboré sagte er, die Bevölkerung habe unter dem Joch der
       Kolonialisten gestanden, die die Menschen ausplünderten. Spekulationen,
       dass womöglich sogar Wagner für den Coup verantwortlich sein könnte, lassen
       sich nicht belegen. Russland profitiert allerdings von der
       antifranzösischen Stimmung.
       
       7 Die [9][Bundeswehr ist weiterhin in Mali stationiert]. Sollte sie sich
       angesichts der Lage nicht besser komplett aus der Region zurückziehen?
       
       Das ist die große Frage. Militärherrscher Goïta gilt als schwieriger
       Gesprächspartner. Eines muss man seiner Übergangsregierung lassen – sie
       findet deutliche Worte: Man sei ein souveräner Staat und lasse sich nichts
       vom Westen vorschreiben. Im globalen Norden wird gerne vergessen, wie
       Präsident*innen in Westafrika an die Macht kommen. Meist ist die
       Wahlbeteiligung niedrig, Wahlen sind nicht transparent und Regierungen
       korrupt. Von der Mehrheit legitmiert sind sie wohl kaum. Und warum soll es
       in Ordnung sein, mit Herrschern wie Paul Biya in Kamerun und Faure
       Gnassingbé in Togo zusammenzuarbeiten, die zwar offiziell gewählt wurden,
       aber Grundrechte einschränken und Oppositionelle verhaften – jedoch nicht
       mit Putschisten?
       
       15 Oct 2022
       
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