# taz.de -- Bereitschaft zum Spenden: Heldentum endet beim Finanzamt
       
       > Arme spenden, prozentual gesehen, mehr als Reiche. Aber Superreiche, die
       > Milliarden spenden, werden zu Helden. Sie sollten auch höhere Steuern
       > zahlen.
       
 (IMG) Bild: Sankt Martin hat nur einen Mantel und teilt diesen mit einem Armen
       
       Es sind nur bescheidene Summen, aber immerhin: [1][Arme Haushalte] sind
       relativ zum verfügbaren Einkommen spendabler als Reiche. „Anteilig am
       verfügbaren Einkommen geben die einkommensschwächsten Spenderhaushalte mit
       knapp 2 Prozent des verfügbaren Einkommens doppelt so viel wie die
       einkommensstärksten“, so eine Mitteilung des Deutschen Instituts für
       Wirtschaftsforschung [2][(DIW)] vom Mittwoch. In den ärmsten 10 Prozent
       aller Haushalte spendete immerhin fast jeder dritte Haushalt, und von
       diesen Spender.innen kamen im Schnitt 150 Euro im Jahr.
       
       Diese Freigebigkeit der Ärmsten sei „bemerkenswert, da gerade in den beiden
       unteren Einkommensdezilen nur wenig Rücklagen vorhanden sind“, erklärte
       DIW-Studienautor Jürgen Schupp. Viele arme Haushalte haben zudem Schulden.
       Im reichsten Zehntel der Bevölkerung spendete die Mehrzahl der Befragten
       und von den Spender:innen kamen im Schnitt 1.265 Euro im Jahr.
       
       Die DIW-Studie kommt zu einem Zeitpunkt, wo erneut ein Superreicher
       angekündigt hat, den Großteil seines Vermögens zu spenden. [3][Jeff Bezos,
       58 Jahre alt, Gründer von Amazon,] geschätztes Vermögen 120 Milliarden
       Dollar, erklärte dieser Tage, er baue gerade „die Kapazität auf“, um das
       Geld noch zu seinen Lebzeiten spenden zu können. Bezos stellt sich damit in
       eine Reihe [4][mit anderen Superreichen wie Bill Gates] und Warren Buffet,
       die sich in global agierenden Stiftungen engagieren. „[5][The Giving
       Pledge“] heißt der Zusammenschluss der milliardenschweren Sponsoren, die
       sich selbst als „Philantropen“ bezeichnen.
       
       Man sollte diese Wohltätigkeit nicht verdammen, aber klar ist auch: Diese
       Spenden sind kein persönliches Opfer für die Gebenden, im Gegenteil. Für
       Superreiche wird Geld abstrakt, und kaum einer schafft es, eine Millliarde
       Euro zu Lebzeiten nur für den Konsum auszugeben. Es wäre lächerlich. Als
       Großspender:in hingegen winkt der Heldenstatus.
       
       ## Ein Stück Unsterblichkeit
       
       Es ist ein unglaublicher Ausdruck von Macht, mit, sagen wir, 10 Milliarden
       Euro darüber mitentscheiden zu können, ob in einem armen Land eine
       Gesundheitsversorgung aufgebaut wird oder nicht. Und es winkt ein Stückchen
       Unsterblichkeit. Nicht nur, weil in der christlichen Ethik und im Islam
       Spenden zu den „guten Taten“ gehören, die die Chance erhöhen, ins Paradies
       zu kommen, sofern man daran glaubt. Deswegen ist es auch kein Zufall, dass
       sich sehr reiche Ältere gerne dazu entschließen, eine Stiftung zu gründen.
       Eine Stiftung, die den eigenen Namen trägt, verlängert die eigene Bedeutung
       noch ein Stück in die Zukunft hinein, auch nach dem eigenen Tode. Man hat
       das Gefühl, das noch etwas von einem bleibt. Viel Geld spenden zu können
       ist ein großes Privileg.
       
       Gegen Spenden ist also nichts zu sagen, nur eben gegen die Ursache, warum
       das Großspendentum überhaupt möglich ist. Es ist nur möglich in einem
       System, das die Anhäufung von Reichtum in individueller Hand erst
       ermöglicht. Wie ambivalent diese Anhäufung ist, zeigt sich jetzt bei dem
       Twitter-Aufkäufer Elon Musk, der aufgrund seines Reichtums das Zeug sowohl
       zum Groß-Wohltäter als auch zum Groß-Bösewicht hat, der in die Geschichte
       eingeht.
       
       Auffällig dabei ist, dass manche Spender:innen zwar dem Sponsorentum
       huldigen, aber Steuererhöhungen eine Absage erteilen. Der Schweizer
       Unternehmer Beat Curti zum Beispiel, an Stiftungen beteiligt und Förderer
       der Schweizer „Tafel“, wendet sich gleichzeitig gegen höhere Steuern. Die
       Steuerfeindschaft vieler Reicher, gekoppelt mit dem eigenen Sponsorentum,
       beleuchtet den narzisstischen Aspekt des Spendens: Man möchte doch,
       bitteschön, selbst entscheiden, wo das eigene Geld hingeht, und es nicht
       dem Staat in den Rachen werfen, der damit sonst was anfängt.
       
       Hilfreich aber wäre beides, sowohl großzügiges Spendentum als auch die
       Akzeptanz hoher Steuern für Vermögende als Zeichen dafür, dass man in einem
       Staat lebt, dessen Verteilungsmacht man höher ansetzt als die eigene
       Spendenbereitschaft. So viel Bescheidenheit sollte sein, erst recht für
       Reiche.
       
       In der christlichen Ethik wird Sankt Martin zum Helden, der seinen Mantel
       mit einem Armen teilt und in der Kälte nur mit einem halben Mantel
       weiterreitet. Am Ende zählt also die Größe des Opfers, nicht die der
       Spende.
       
       16 Nov 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Armut-und-Wohlstand-in-Deutschland/!5882514
 (DIR) [2] https://www.diw.de/de/diw_01.c.859175.de/aermere_haushalte_spenden_anteilig_am_verfuegbaren_einkommen_mehr_als_einkommensstarke_haushalte.html
 (DIR) [3] /Steuerschlupfloecher-in-den-USA/!5778099
 (DIR) [4] /Trennung-von-Melinda-und-Bill-Gates/!5765391
 (DIR) [5] https://givingpledge.org/
       
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