# taz.de -- Auszeichnung für Zanele Muholi: Die Ökonomie der Sichtbarkeit
       
       > In New York erhielt Zanele Muholi den ICP Spotlights Award. Dabei
       > unübersehbar: die Verschränkung von Prominenz und Kunstförderung.
       
 (IMG) Bild: Ausschnitt aus Zanele Muholis Arbeit „Newspaper“, New York, 2022
       
       Es ist ein ungewöhnlich warmer Herbsttag Anfang November in New York, mit
       blauem Himmel und leuchtendem Herbstlaub im Battery-Park an der Südspitze
       von Manhattan. Etwas weiter oben an der Essex Street in der Lower Eastside
       haben sich um elf Uhr vormittags illustre Gäste vor dem erst 2020
       eröffneten neuen Gebäude des International Center of Photography (ICP)
       eingefunden. Darunter Thelma Golden, die Direktorin des Studio Museums in
       Harlem und die Mode-Designerin Tory Burch. Sie gehören zu den Förderern des
       renommierten und ausschließlich durch Spendengelder finanzierten
       Ausbildungs- und Ausstellungsorts.
       
       Das ICP wurde 1974 von Cornell Capa, dem Bruder des verstorbenen Fotografen
       Robert Capa, gegründet und gilt als weltweit führende Institution für
       Fotografie und visuelle Kultur. Mit der Maßgabe, politisch und sozial
       engagierte Fotografie und Film zu fördern, mit Bildern, die „die Welt
       verändern und aufklären können“.
       
       Am Tag zuvor war in der New York Times bekannt gegeben worden, dass Cindy
       Sherman neu in das Kuratorium berufen wurde. Anlass der Zusammenkunft war
       der seit 2012 jährlich vergebene ICP Spotlights Award, der bisher
       ausschließlich an Frauen im Bereich Fotografie und Film ging. Und das ICP
       setzt auf prominente Namen. Zu den bisherigen Preisträgerinnen gehören etwa
       Shirin Neshat, Carrie Mae Weems, Deana Lawson und Mickalene Thomas, die
       ebenfalls gekommen ist.
       
       Seit diesem Jahr soll der Preis auf queere Künstler*innen ausgeweitet
       werden, um, wie es im ICP-Pressetext heißt, „Frauen, nicht-binäre,
       transsexuelle, intersexuelle und andere geschlechtserweiternde
       Bildschaffende zu ehren“.
       
       So geht der Preis dieses Jahr an den/die nicht-binäre/n südafrikanische/n
       Künstler*in Zanele Muholi. Muholis Arbeiten geben der LGBTQIA+-Bewegung
       ihres Landes ein Gesicht. Und derzeit möchte die Welt Muholis Bilder
       sehen. Die Tate Modern und der [1][Gropius Bau in Berlin] zeigten in den
       letzten Jahren eine umfassende Retrospektive, die 2024 wieder und erweitert
       in London präsentiert wird. Auch eine Museumsausstellung in New York ist in
       Planung.
       
       Vom Erdgeschoss des ICP aus fährt hinter ein Lastenaufzug die Gäste in den
       ersten Stock. Dort sind signierte Bücher und Editionen der bisherigen
       Preisträgerinnen ausgestellt. In einer „stillen Auktion“ werden sie während
       der Veranstaltung ersteigert. Im hinteren Raum hängt die aktuelle
       Ausstellung „Close Enough – New Perspectives from 12 Women Photographers of
       Magnum“. Dort sieht man auch Sabiha Çimens Fotoreportage über junge
       islamische Frauen in der Türkei oder diejenige von Alessandra Sanguinetti
       über das Leben der Landbevölkerung in Argentinien.
       
       ## Benefiz-Lunch und „stille Auktion“
       
       Der Preis selbst wird im Rahmen eines Benefiz-Lunchs vergeben. Etwa zehn
       große runde Tische sind dafür im zweiten Stock aufgestellt worden, die
       Belegung eines ganzen Tischs kostet 25.000 Dollar, die von Einzelplätzen
       zwischen 400 und 1.000 Dollar. Tory Burch gestaltete das Design der Tische,
       neben den bereits vorbereiteten Tellern befinden sich auch die Zettel für
       die stille Auktion. Mit den Einnahmen wird das Studienprogramm des ICP
       finanziert.
       
       Im Artist Talk wird Muholi von Thelma Golden befragt. Dazu werden ihre
       Selbstporträts aus der Serie „Somnyama Ngonyama“ projiziert. Darin trägt
       Muholi Putzschwämme oder Wäscheklammern wie einen kostbaren Kopfschmuck.
       „From trash to treasure“ sagt sie/er im Gespräch.
       
       Eine neuere Arbeit wird gezeigt, in der Muholi nackt auf einem Bett liegt,
       in der Hand eine aufgeschlagene Zeitung. Hier sind Porträts der
       [2][verstorbenen 21 Schwarzen Jugendlichen] zu sehen, die diesen Sommer in
       einer Bar in Johannesburg vergiftet wurden. Muholi begreift sich als
       visuelle/r Aktivist*in. Rassismus, Homophobie und Transphobie müssen
       gezeigt werden. Der Artist Talk wird auch per Live-Stream übertragen.
       
       Muholi erklärt, wie wichtig dies auch für die Studierenden des von ihr/ihm
       gegründeten Muholi Art Institute in Südafrika sei, die den Talk jetzt live
       verfolgen würden: zu sehen, dass eine Schwarze und queere Künstler*in aus
       Südafrika in New York diesen international wichtigen Preis erhält. Es geht
       um Sichtbarkeit.
       
       Einerseits. Denn es geht beim Spotlights Award auch um das Geld, das die
       Prominenz Muholis generieren kann. Eine Prominenz, die offenbar nötig ist,
       wenn Kunstförderung und Sichtbarmachung anderer auf Spenden basiert.
       
       19 Nov 2022
       
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