# taz.de -- Verhandlung gegen frühere KZ-Sekretärin: Keine Äußerung der Angeklagten
       
       > Im Prozess gegen eine 97-jährige ehemalige KZ-Sekretärin kam die
       > Nebenklage zu Wort. Für die Überlebenden waren die Aussagen wichtig.
       
 (IMG) Bild: Die Nebenkläger:innen im Gericht in Itzehoe
       
       ITZEHOE taz | „Nutzen Sie Ihre Möglichkeit in Ihren letzten Worten!“
       Appelle wie diese zogen sich am Dienstag durch die Plädoyers der
       Nebenkläger im [1][Prozess gegen Irmgard F]., angeklagt wegen Beihilfe zum
       Mord in mehreren zehntausend Fällen, begangen im [2][Konzentrationslager
       Stutthof] bei Danzig (Gdańsk). Sechs Anwälte der Nebenkläger, die
       Überlebende der Nazi-Mordmaschine sind, kamen vor dem Landgericht Itzehoe
       zu Wort.
       
       Die 97-jährige Angeklagte hörte aufmerksam zu. Sie machte einen wachen
       Eindruck. Doch seit Beginn des Verfahrens vor 14 Monaten hat sie kein
       einziges Mal zu den Vorwürfen Stellung genommen. „Sie hätten die einmalige
       Chance gehabt, zu reden, was im Inneren eines Konzentrationslagers vor sich
       ging“, sagte Rechtsanwalt Markus Horstmann.
       
       Jetzt ruhen die Hoffnungen also auf ihren letzten Worten zum Ende des
       Verfahrens, mit dem im kommenden Monat gerechnet wird. Doch die Erwartungen
       sind begrenzt: „Ich hatte zu keiner Zeit die Hoffnung, dass Sie Reue
       zeigen“, sagte Horstmann in Bezug auf die Angeklagte.
       
       Irmard F., so die Anklage, soll von Juni 1943 bis zum April 1945 als
       [3][Sekretärin des Lagerkommandanten] Hoppe in der Kommandantur des KZ als
       sogenannte Zivilangestellte tätig gewesen sein. Sie habe von den
       lebensfeindlichen Bedingungen und den Morden gewusst und diese Morde durch
       ihre Tätigkeit möglich gemacht, hatte Staatsanwältin Maxi Wantzen in
       [4][ihrem Plädoyer in der Vorwoche] ausgeführt. Wantzen forderte eine
       Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung.
       
       ## „Die Opfer haben nie wieder eine Ruhe gefunden“
       
       Dem mochte am Dienstag keiner der Nebenklage-Vertreter widersprechen.
       Einige von ihnen schlossen sich dem Strafantrag explizit an, andere wie
       Stefan Lose gaben zu bedenken, dass eine Bewährungsstrafe möglicherweise
       nicht ausreichend sei, um eine generell präventive Wirkung auf mögliche
       andere Straftäter zu entfalten. Denn ein solches Urteil bezieht sich in
       seiner Wirkung schließlich nicht auf Taten in einem Nazi-KZ.
       
       Keiner der greisen Überlebenden des KZ Stutthof war am Dienstag in Itzehoe
       anwesend. Trotzdem zogen sich ihre Stimmen durch das zum Gerichtsaal
       umgebauten „China Logistic Center“ am Stadtrand. Denn die Vertreter der
       Nebenkläger erinnerten daran, wie wertvoll es den Überlebenden gewesen sei,
       dass sie vor Gericht ausgesagt haben und damit an die Geschichte erinnern
       zu können. „Die Opfer haben nie wieder eine Ruhe gefunden“, sagte der
       Rechtsanwalt von Münchhausen dazu. „Währenddessen haben Sie, Frau F., mit
       ihrem SS-Ehemann ein ruhiges Leben führen können.“
       
       Der Prozess wird in der kommenden Woche mit den Plädoyers weiterer
       Vertreter der Nebenklage fortgesetzt. Danach folgt die Verteidigung. Dann
       könnte Irmgard F., sollte sie es über sich bringen, zum ersten Mal in
       eigener Sache sprechen.
       
       29 Nov 2022
       
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