# taz.de -- Weihnachten in der Ukraine: Warum Weihnachten vorverlegt wird
       
       > Eigentlich feiern die meisten Ukrainer*innen am 7. Januar Weihnachten.
       > Doch der Krieg verändert alles, auch die orthodoxen Kirchen.
       
 (IMG) Bild: Wenn die Gemeindemitglieder wollen, wird hier schon am 25. Dezember Weihnachten gefeiert
       
       In diesem Jahr können sich orthodoxe Christ*innen in der Ukraine
       aussuchen, ob sie das Weihnachtsfest am 25. Dezember, wie gehabt am 7.
       Januar oder an beiden Tagen feiern wollen. Wie ist es dazu gekommen? 
       
       Die Wahlfreiheit haben nur die Gläubigen der Orthodoxen Kirche der Ukraine,
       falls ihnen überhaupt nach Feiern zumute ist. Bei ihrer Synode am 18.
       Oktober dieses Jahres beschlossen Vertreter dieser unabhängigen Kirche, am
       25. Dezember Weihnachtsgottesdienste abzuhalten. Dazu müssen die Mitglieder
       der jeweiligen Gemeinden bei der Kirchenleitung lediglich ihren Wunsch
       kundtun. Das sechswöchige Fastengebot, das nach dem julianischen Kalender
       vom 28. November bis zum 6. Januar dauert, wird an diesem Tag ausgesetzt.
       Diskussionen, Weihnachten am 25. Dezember zu begehen, gibt es allerdings
       schon länger. Das Oberhaupt der Kirche, Metropolit Epiphanius, hat sich
       bereits mehrfach dafür ausgesprochen. Jedoch müsse dieser Prozess
       schrittweise vollzogen werden. Laut einer Umfrage im Jahr 2021 sprachen
       sich 26 Prozent für den 25. Dezember aus, 58 Prozent dagegen. 15 Prozent
       war es egal. Demgegenüber feiert die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche, die
       jahrzehntelang Teil der Russisch-Orthodoxen Kirche war, Christi Geburt nach
       wie vor am 7. Januar.
       
       Warum gibt es mehrere orthodoxe Kirchen in der Ukraine und wie ist ihr
       Verhältnis zueinander? 
       
       Anfang der neunziger Jahre auch bedingt durch die Unabhängigkeit des Landes
       ordnete sich die orthodoxe Kirchenlandschaft in der Ukraine neu. Neben der
       Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchats, die zwar eine
       weitgehende Autonomie besitzt, sich aber der Kirchenleitung in Russland eng
       verbunden fühlt, entstanden die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Kiewer
       Patriarchats sowie die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche.
       Streitpunkt zwischen diesen Kirchen war und ist bis heute die
       Positionierung zum ukrainischen Staat und dessen Selbstständigkeit. Mit der
       völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 sowie dem Ausbruch des Krieges
       in der Ostukraine gewann diese Frage politisch an Relevanz. Ende 2018
       fusionierten die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche des Kiewer Patriarchats und
       die Ukrainische Autokephale Orthodoxe Kirche zur Orthodoxen Kirche der
       Ukraine. Damit endete ein Prozess, den auch der damalige Staatschef Petro
       Poroschenko nach Kräften befördert hatte und bei der Präsidentenwahl am 31.
       März 2019 in Wähler*innenstimmen ummünzen wollte. Zwei Monate zuvor
       hatte der ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomäus I., die
       neue Kirche als autokephal, also eigenständig anerkannt. Bisher sind nur 4
       von 14 Landeskirchen diesem Schritt gefolgt, die Russisch-Orthodoxe Kirche
       gehört nicht dazu. Was die Anzahl der Gemeinden in der Ukraine betrifft,
       liegt die „moskautreue“ orthodoxe Kirche zwar deutlich vor der Orthodoxen
       Kirche der Ukraine (12.000 zu 7.000). Doch bei der religiösen Zugehörigkeit
       der Bevölkerung liegt sie weit hinter ihrer „Konkurrentin“ zurück (15
       gegenüber 40 Prozent).
       
       Wie wirkt sich Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine auf das orthodoxe
       religiöse Leben aus? 
       
       Schon kurz nach Kriegsausbruch gab es bei der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche
       Moskauer Patriarchats ein erstes Abrücken von Moskau. Deren Oberhaupt,
       Metropolit Onufrij, forderte, den Bruderkrieg zwischen dem ukrainischen
       und dem russischen Volk unverzüglich zu beenden. Dieser Krieg sei weder vor
       Gott noch den Menschen zu rechtfertigen. Seine Kirche verteidige die
       Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine. Im vergangenen
       Mai holte die Moskau nahestehende Kirche dann zu einem Befreiungsschlag
       aus. Nach einem Konzil erklärte sie am 27. Mai 2022 ihre „völlige
       Selbstständigkeit und Unabhängigkeit“ von Russland. Man verurteile den
       russischen Überfall auf die Ukraine. Der Zusatz „Moskauer Patriarchats“
       wurde aus dem Namen gestrichen, das Statut entsprechend angepasst. Doch die
       Skepsis vieler Ukrainer*innen ist geblieben. Seit Kriegsbeginn haben
       Hunderte Gemeinden die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche verlassen und sich der
       Orthodoxen Kirche der Ukraine angeschlossen.
       
       Nicht nur in der Ukraine ist der Moskauer Patriarch Kyrill zu einer
       Hassfigur avanciert. Wieso? 
       
       Kyrill und Russlands Präsident Wladimir Putin sind Brüder im Geiste.
       [1][Der 76-jährige Moskauer Oberhirte ist stramm auf Kriegskurs.] Für den
       Ukraine-Feldzug, ein „metaphysischer Kampf gegen das Böse“, haben russische
       Soldaten seinen Segen. In einer Predigt sprach er davon, dass Russland nie
       jemanden angegriffen habe, sondern sich nur verteidige. Auch gegen LGBTQ
       hetzt Kyrill regelmäßig. Die Angst vor derart „sündigen“ Paraden, zum
       Beispiel im Donbass, sei mitverantwortlich für den Krieg.
       
       Seit mehreren Wochen geht der ukrainische Staat, vor allem der
       Inlandsgeheimdienst SBU, gegen die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche vor. Wie
       sieht das aus? 
       
       [2][In zahlreichen Kirchen und Klöstern fanden Durchsuchungen statt], dabei
       sollen angeblich Beweise für prorussische Propaganda sowie die
       Zusammenarbeit mit dem „Aggressor“ aufgetaucht sein. Einige Geistliche
       wurden festgenommen, ihres Amtes enthoben oder mit Sanktionen belegt.
       Anfang Dezember wurde ein Priester zu zwölf Jahren Haft verurteilt, weil er
       Informationen über die ukrainische Armee an Russland weitergegeben haben
       soll.
       
       Wie steht Präsident Wolodimir Selenski zum Kirchenstreit? 
       
       Nach seinem Amtsantritt im Mai 2019 interessierte sich Selenski zunächst
       nicht sonderlich für Religionsfragen. Mittlerweile hat er die Kirchen-Causa
       jedoch zur Chefsache erklärt und plädiert für ein hartes Vorgehen gegen
       vermeintlich zu russlandnahe Kirchen. Ähnlich sehen das sein neuer
       religionspolitischer Berater Wiktor Jelenski sowie der Interimschef des
       SBU, Wassili Maljuk.
       
       [3][Das ukrainische Parlament wird sich demnächst mit einem Gesetzentwurf
       befassen, der religiösen Organisationen Verbindungen zu Einflusszentren in
       der Russischen Föderation untersagt.] Was bedeutet das – auch für die
       Religionsfreiheit? 
       
       Dieses geplante Gesetz richtet sich eindeutig gegen die
       Ukrainisch-Orthodoxe Kirche. Deren Vertreter genauso wie die
       Gemeindemitglieder wittern die Gefahr eines generellen Verbots. Abgesehen
       davon, dass das die Spaltung in der Gesellschaft weiter vertiefen könnte,
       geriete die Ukraine damit auch in Konflikt mit dem Grundsatz der
       Religionsfreiheit, konkret Artikel zehn der Grundrechts-Charta der EU. Seit
       vergangenem Juni ist die Ukraine Kandidatin für einen Beitritt zur
       Europäischen Union.
       
       23 Dec 2022
       
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 (DIR) Barbara Oertel
       
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