# taz.de -- Korruptionsverdacht im EU-Parlament: Vizeparlamentspräsidentin abgesetzt
       
       > Die festgenommene griechische Politikerin verliert mit sofortiger Wirkung
       > alle ihre Befugnisse. Eine endgültige Absetzung kann nur das Parlament
       > beschließen.
       
 (IMG) Bild: Eva Kaili, Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments, wurde wegen Korruptionsverdacht festgenommen und suspendiert
       
       BRÜSSEL AFP/dpa | Der wegen Korruptionsvorwürfen festgenommenen
       griechischen EU-Abgeordneten Eva Kaili sind alle Befugnisse in ihrer
       Funktion als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments entzogen worden.
       Parlamentspräsidentin Roberta Metsola entzog der 44-Jährigen „mit
       sofortiger Wirkung alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben“ als ihre
       Stellvertreterin, wie eine Sprecherin Metsolas am Samstagabend mitteilte.
       Es besteht der Verdacht, dass Katar mit beträchtlichen Geldsummen und
       Geschenken versucht haben soll, die Entscheidungen des EU-Parlaments zu
       beeinflussen. Eine endgültige Absetzung Kailis von dem Posten als
       Vizepräsidentin kann nur das Parlament selbst beschließen.
       
       Zuvor hatte Metsola [1][im Onlinedienst Twitte]r erklärt, das Parlament sei
       „entschieden gegen Korruption“ und tue alles, um „Gerechtigkeit walten zu
       lassen“.
       
       [2][Am Freitag waren in Brüssel] insgesamt fünf Menschen wegen des
       Verdachts der „bandenmäßigen Korruption und Geldwäsche“ festgenommen
       worden. Zu ihnen zählten Kaili, eine der 14 Vizepräsidentinnen und
       -präsidenten des Parlaments, sowie ihr ebenfalls im EU-Parlament tätiger
       Lebensgefährte.
       
       Kailis griechische sozialistische Pasok-Partei hatte bereits am
       Freitagabend erklärt, die Politikerin sei „aus der Partei ausgeschlossen“
       worden. Am Samstag gab dann die sozialdemokratische Fraktion im
       Europäischen Parlament bekannt, dass Kailis Mitgliedschaft suspendiert
       worden sei.
       
       ## Kaili gehörte der sozialdemokratischen Fraktion an
       
       EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley (SPD), die nach dem
       Bekanntwerden der Korruptionsvorwürfe den Rücktritt ihrer Kollegin Kaili
       gefordert hatte, begrüßte die schnelle Reaktion von Kailis Partei Pasok.
       Auch die sozialdemokratische Fraktion im EU-Parlament habe „sofort
       reagiert“, lobte sie. „Wir tolerieren keine Korruption. Korruption ist Gift
       für die Demokratie“, sagte die SPD-Politikerin in den ARD-„Tagesthemen“ am
       Samstag. Barley und Kaili gehören beide der sozialdemokratischen Fraktion
       im Europaparlament an.
       
       Die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament forderte indes eine
       umfassende Untersuchung der Korruptionsvorwürfe. „Wir werden nicht
       akzeptieren, dass es so weitergeht“, erklärte die Fraktion. „Wir müssen
       unsere Regeln verschärfen, damit so etwas nicht noch einmal passieren
       kann.“ Auch der Direktor von Transparency International, Michiel van
       Hulten, kritisierte eine „Kultur der Straflosigkeit“ im Parlament sowie
       laxe Finanzvorschriften und Kontrollen und sagte, es sei „Zeit für eine
       grundlegende Reform“ im Europäischen Parlament.
       
       ## Bargeld in Höhe von 600.000 Euro
       
       Nach Informationen [3][der belgischen Zeitung L'Echo] hatten die Ermittler
       „mehrere Säcke voller Geldscheine“ in Kailis Wohnung gefunden. Die Polizei
       veranlasste demnach die Durchsuchung der Räumlichkeiten, nachdem sie Kailis
       Vater mit einer großen Menge Bargeld in „einem Koffer“ angetroffen hatte.
       
       Bei den Razzien beschlagnahmte die Polizei laut belgischer
       Bundesstaatsanwaltschaft Bargeld in Höhe von rund 600.000 Euro sowie
       Datenträger und Mobiltelefone, die nun ausgewertet würden. Am Samstag
       wurden die fünf Beschuldigten nach Angaben eines Sprechers der
       Ermittlungsbehörde in Brüssel weiter vernommen.
       
       Zu dem in den Korruptionsfall involvierten Land teilte die
       Staatsanwaltschaft mit, dass es sich um einen „Golfstaat“ handele. Dieser
       stehe im Verdacht, „wirtschaftliche und politische Entscheidungen des
       europäischen Parlaments zu beeinflussen“, indem er „beträchtliche
       Geldsummen zahlt oder erhebliche Geschenke macht“.
       
       Mit den Ermittlungen vertraute Kreisen bestätigten der Nachrichtenagentur
       AFP Medienberichte, wonach es sich bei dem Golfstaat um Katar handele. Ein
       katarischer Regierungsbeamter sagte auf AFP-Anfrage, seinem Land seien
       „keine Details über eine Untersuchung bekannt“. Jegliche „Behauptung eines
       Fehlverhaltens des Staates Katar“ sei unzutreffend.
       
       Die ehemalige Fernsehmoderatorin Kaili hatte am 22. November im
       EU-Parlament gesagt, die Fußballweltmeisterschaft in Katar sei „ein
       konkreter Beweis dafür, wie Sportdiplomatie zu einer historischen
       Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt
       inspiriert haben“. Katar sei „führend bei den Arbeitsrechten“. Kurz vor der
       Rede hatte sich Kaili in Katar mit dem katarischen Arbeitsminister Ali bin
       Samikh Al Marri getroffen.
       
       11 Dec 2022
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://twitter.com/EP_President/status/1601509250022244352
 (DIR) [2] /Nach-Festnahmen-wegen-Korruptionsverdacht/!5902308
 (DIR) [3] https://www.lecho.be/economie-politique/belgique/general/des-sacs-d-argent-liquide-trouves-au-domicile-de-la-vice-presidente-du-parlement-europeen/10433834.html
       
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