# taz.de -- Buch über zeitgenössische Comics: Werk eines Begeisterten
       
       > Timur Vermes gibt in „Comicverführer“ eine umfangreiche Übersicht über
       > die zeitgenössische Comiclandschaft. Auch Kenner des Genres lernen noch
       > was.
       
 (IMG) Bild: Liebt Comics: Timur Vermes stellt in seinem Buch jüngere kanonische Comics für Erwachsene vor
       
       Für „Anfänger, Wiedereinsteiger und Fortgeschrittene“ soll dieses Buch
       tauglich sein. Ein hoher Anspruch, den Timur Vermes – dies sei gleich
       gesagt – nicht völlig einlösen kann. Allerdings hat der Autor der
       Hitler-Satire „Er ist wieder da“ seinen Bestsellerruhm nicht dazu genutzt,
       schnell mal ein weiteres Buch auf den Markt zu werfen. Der „Comicverführer“
       ist das Werk eines aufrichtig Begeisterten, der andere für das Medium, das
       er liebt, entflammen will.
       
       Vermes, geboren 1967, richtet sich primär an Menschen jenseits der 40, die
       in ihrer Kindheit gerne Comics gelesen, dann aber damit aufgehört haben,
       als in der Pubertät neue Interessen aufkamen. Sie will er überzeugen, es
       erneut mit der Lektüre zu versuchen – weil es jenseits von [1][„Lucky
       Luke“] und „Asterix“, von „Clever & Smart“ und „Leutnant Blueberry“ viel zu
       entdecken gibt. Vermes spricht sein Publikum direkt an, als säße es ihm
       gegenüber. Sein Stil ist sehr rhetorisch und der gesprochenen Sprache
       angenähert; vor Zuspitzungen und flapsigen Formulierungen scheut er nicht
       zurück.
       
       Die oben genannten Klassiker und ihnen verwandte Titel spielen kaum eine
       Rolle. Vermes geht davon aus, dass sie denen, die zu seinem Buch greifen,
       vertraut sein dürften. Jüngere kanonische Comics für Erwachsene stellt er
       dagegen vor: [2][Will Eisners] „Ein Vertrag mit Gott“, Frank Millers
       „Batman – Die Rückkehr des Dunklen Ritters“, Alan Moores und Dave Gibbons’
       „Watchmen“ und Art Spiegelmans „Maus“. Zu diesem Holocaust-Comic ist ja
       eigentlich alles gesagt, aber Vermes macht eine kluge Beobachtung zur
       Erzählkunst Spiegelmans: Dass dieser nämlich nicht sofort mit Auschwitz,
       sondern mit einer aus dem Familienleben gegriffenen Rahmenhandlung beginnt,
       um so den Einstieg in den Band zu erleichtern.
       
       Der Aufbau des „Comicverführer“ orientiert sich im Wesentlichen an Genres
       und Themen: Western, Crime, Horror, Science-Fiction und Humor, der
       Darstellung von Sex und Gewalt, von älteren Leuten, von Kindern und
       romantischer Liebe. Graphic Novels und Reportage-Comics kommen zu ihrem
       Recht und auch Mangas – trotz der einleuchtenden Vorbehalte, die Vermes
       gegen deren häufige Schablonenhaftigkeit hegt. Eingestreut sind allgemein
       informierende Kapitel, etwa zu der törichten „Schmutz und Schund“-Kampagne
       gegen Comics in den 1950ern, zu comicspezifischen Fachbegriffen oder zu der
       heiklen Frage, woran sich denn nun festmachen lässt, ob man einen guten
       oder schlechten Comic in den Händen hält.
       
       ## Drastische Urteile
       
       Angesichts von über 250 Comics, die auf rund 300 Seiten abgehandelt werden,
       darf man keine genauere Analyse erwarten. Meistens wird kurz der Inhalt
       referiert, darauf folgt eine Bewertung. Auf visuelle Aspekte wird nur wenig
       eingegangen, und wo Vermes diese lebhaft anschaulich schildert, bedauert
       man, dass das Buch zu jedem Comic oft nur ein überwiegend kleinformatiges
       Einzelbild enthält. Eine großzügigere Illustration hätte dem
       „Comicverführer“ sehr gutgetan.
       
       Aus seiner Subjektivität macht Vermes keinen Hehl. Drastisch sind seine
       Urteile, wenn Comics ihm missfallen. Der seit einigen Jahren von Jean-Marc
       Ferri und Didier Conrad reanimierte Asterix ist für ihn „ein wandelnder
       Leichnam“. Dass die Einnahme eines kindlichen Blicks auf die iranische
       Revolution in „Persepolis“ von Marjane Satrapi „zugleich entschärfend und
       verschärfend“ wirkt, stellt er sehr pointiert fest. Schön auch die
       Formulierung, dass [3][Joann Sfar] in „Die Katze des Rabbiners“ zwischen
       „Ernst, Spaß und Nachdenklichkeit“ so leichtfüßig „herumspringt wie die
       Katze über die nächtlichen Dächer“. An solchen Stellen besitzt das Buch
       auch für diejenigen, denen die meisten hier vertretenen Comics bekannt
       sind, einen Nährwert.
       
       3 Jan 2023
       
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