# taz.de -- Sophie-Drinker-Institut in Bremen: Ein Ohr für die Überhörten
       
       > Das Sophie Drinker Institut in Bremen hat es sich zur Aufgabe gemacht,
       > musikwissenschaftliche Frauen- und Geschlechterforschung zu betreiben.
       
 (IMG) Bild: Wenige Musikerinnen des 19. Jahrhunderts wurden nicht vergessen: Clara Schumann-Büste in Baden-Baden
       
       HAMBURG taz | Kennen Sie Instrumentalistinnen aus dem 18. und 19.
       Jahrhundert? Aus dem Kopf werden vielen wohl nur wenige einfallen, denn die
       Geschichtsschreibung hat die Rolle von musizierenden Frauen stark
       vernachlässigt. Das Bremer Sophie-Drinker-Institut arbeitet daran, dass
       sich das ändert. Das 2001 von der aktuellen Leiterin Freia Hoffmann
       gegründete Institut ist nach der amerikanischen Musikwissenschaftlerin
       Sophie Drinker (1888–1967) benannt und auf musikwissenschaftliche
       Frauenforschung spezialisiert. Finanziert wird es durch die gleichnamige
       Sophie-Drinker-Stiftung.
       
       Durch ihre Arbeit „Music and Women. The Story Of Women in Their Relation To
       Music“ hat Drinker 1948 die musikwissenschaftliche Frauen- und
       Geschlechterforschung mitbegründet. Der Fokus ihrer Forschung auf die
       [1][Sichtbarkeit weiblicher Musikerinnen] sei damals eine „wirkliche
       Pionierleistung“ gewesen, sagt Volker Timmermann, zweiter Geschäftsführer
       des Instituts. Gemeinsam hat man sich dort zur Aufgabe gemacht, dieses
       Vermächtnis weiterzutragen.
       
       Das [2][Institut] ist in einer Kaufmannsvilla aus dem 19. Jahrhundert
       angesiedelt, in dem sich neben einer Bibliothek mit einschlägiger
       Fachliteratur, Noten und Tonträgern auch eine eigene Mediathek befindet.
       Außerdem gibt es für alle sechs Mitarbeiter*innen, darunter auch
       Promovierende, Arbeitsplätze im Haus.
       
       Die Ausrichtung des Instituts auf musikwissenschaftliche Frauen- und
       Geschlechterforschung „hat sich in den letzten Jahrzehnten verschoben“,
       erzählt Annkatrin Babbe, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut.
       Während anfangs die „historische Sichtbarmachung musizierender Frauen“ das
       Ziel gewesen sei, würde nun eine „breitere kulturhistorische
       Kontextualisierung und die [3][Analyse der Geschlechter- und
       Machtverhältnisse]“ eine Rolle spielen. Dabei geht es auch um soziale
       Herkunft und Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit.
       
       ## Analyse von Macht- und Geschlechterverhältnissen
       
       Das Institut veranstaltet regelmäßig thematisch passende Konzerte, Lesungen
       und Tagungen. Hier kommt es zum wissenschaftlichen Austausch zum Beispiel
       mit Universitäten sowie zur Förderung von Nachwuchswissenschaftler*innen.
       Interessierte Forscher*innen haben so die Möglichkeit, auf die Bestände
       des Instituts zuzugreifen und sich an den Veranstaltungen zu beteiligen.
       
       Die hauseigene Bibliothek ist ein Sonderstandort der Universität Oldenburg.
       Die Bestände vor Ort lassen sich online über die Seite des Instituts oder
       des Universitätskatalogs einsehen. Digitalisiert ist jedoch nur ein Teil
       des Bestands. Bei den Werken handelt es sich um Präsenzbestand, sie sind
       also nicht auszuleihen. Es gibt jedoch einen „wunderschönen Arbeitsplatz in
       der Bibliothek mit hohen holzvertäfelten Decken aus dem 19. Jahrhundert“,
       der für Besucher*innen zur Verfügung steht, so Annkatrin Babbe.
       
       Dort findet man auch die hauseigenen Publikationen. Unter anderem das
       dreibändige „Handbuch Konservatorien“, in dem historisch die
       Musikausbildung im deutschsprachigen Raum des 19. Jahrhunderts
       herausgearbeitet wurde. Außerdem hat das Institut eine Schriftenreihe
       herausgegeben, die mittlerweile 18 Bände einschließt. Dazu ergänzend gibt
       es auch eine Online-Schriftenreihe. Thematisch sind die Beiträge weit
       gefasst: Hier kann man erfahren, was es mit dem Frauenberuf der Soubrette
       auf sich hat, und den langen Weg verfolgen, den Musikerinnen seit dem 19.
       Jahrhundert in Berufsorchestern hatten.
       
       ## Ein Lexikon der Instrumentalistinnen
       
       Neben den zahlreichen Publikationen ist vor allem das
       Instrumentalistinnen-Lexikon mit biografischen Texten zu
       Instrumentalistinnen aus dem 18. und 19. Jahrhundert ein großes Projekt des
       Instituts. Genutzt wurden dafür, so Timmermann, jegliche „Quellen, derer es
       bedarf, um ein Leben nachzuskizzieren“, wie Briefe, Noten, zeitgenössische
       Presseartikel oder sogar Visitenkarten.
       
       Bei der Auswahl der Musikerinnen sei man an Vollständigkeit interessiert
       gewesen. Diese sei jedoch insofern eingeschränkt, als die Quellenlage
       begrenzt ist. Das Lexikon trägt damit dazu bei, „dass sich ein Teil von
       Musikgeschichte entblättert hat, der lange Zeit nicht angeschaut wurde“,
       sagt Timmermann. Der sehr „dunkle Bereich“ der Geschichte von
       [4][musikschaffenden Frauen] wurde so „mittlerweile deutlich aufgehellt“.
       
       Wer nun wissen möchte, welche Instrumentalistinnen es im 18. und 19.
       Jahrhundert gab, ist gut damit beraten, durch das Lexikon des Instituts
       Licht in das Dunkel des eigenen Geschichtsbewusstseins zu bringen: Dort
       finden sich zu diesem Zwecke mittlerweile über 750 Artikel.
       
       13 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vergessene-Komponistin/!5903356
 (DIR) [2] https://www.sophie-drinker-institut.de/startseite
 (DIR) [3] /Frauen-im-Jazz/!5835072
 (DIR) [4] /Komponistin-Ethel-Smyth/!5880330
       
       ## AUTOREN
       
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