# taz.de -- Berlinale-Film „Roter Himmel“: Flammen draußen und drinnen
       
       > Sengende Hitze an der Ostsee: In Christian Petzolds neuem Film „Roter
       > Himmel“ zeichnen sich nicht nur im Privaten klimatische Veränderungen ab.
       
 (IMG) Bild: Was man von hier aus sehen kann: die Protagonisten von „Roter Himmel“
       
       Heiß ist es. Im Mercedes, in dem Felix (Langston Uibel) und Leon (Thomas
       Schubert) von Berlin aus zum Ferienhaus von Felix’ Mutter an der Ostsee
       unterwegs sind, sorgt zwar die Klimaanlage für Kühlung, doch der Komfort
       währt nicht lange. „Irgendwas stimmt nicht“, sagt Felix während der Fahrt.
       Er meint die Motorgeräusche. Kurz darauf ist die Fahrt vorüber, der Wagen,
       mutmaßlich von Felix’ Eltern, ist überhitzt auf der Landstraße
       liegengeblieben.
       
       „Roter Himmel“, der zweite Teil von [1][Christian Petzolds Filmtrilogie,
       die 2020, ebenfalls im Wettbewerb der Berlinale, mit „Undine“ ihren
       Auftakt] hatte, beginnt mit unguten Vorzeichen. Und von da an mehren sich
       diese. Leon ist schon auf dem Weg zum Haus auf dem Darß, dessen letztes
       Stück die Freunde nach der Panne zu Fuß zurücklegen müssen, genervt.
       
       Mehr noch nervt ihn, dass sie im Haus nicht allein sind. Die Nichte einer
       Arbeitskollegin von Felix’ Mutter ist ebenfalls dort, sie heißt Nadja
       (Paula Beer). Eines der beiden Schlafzimmer ist mithin belegt. Und Leon
       braucht seine Ruhe, „für die Arbeit“.
       
       Von Nadja sehen die Freunde zunächst lediglich das Durcheinander, das sie
       im Haus angerichtet hat. Am nächsten Morgen erspäht Leon sie vom
       Küchenfenster aus im Garten, wie sie mit dem Fahrrad wegfährt. Leon, gibt
       Petzold nach und nach zu erkennen, hat ein Manuskript verfasst, das ihn
       unruhig macht. Es ist sein neues Buch. Und das scheint seinem Verleger
       (Matthias Brandt) nicht zu gefallen. In Leons Unruhe mischt sich noch etwas
       anderes: Die Anwesenheit von Nadja scheint ihn nicht ausschließlich zu
       stören. Sein Interesse an ihr kann er aber nur sehr unbeholfen bekunden.
       
       ## Verstörende Hubschrauber
       
       „Roter Himmel“ erzählt von künstlerischer Krise, von zwischenmenschlichen
       Komplikationen, die sich im Unausgesprochenen und als Folge des
       Unausgesprochenen bemerkbar machen. Und wie nebenbei sind klimatische
       Veränderungen nicht allein im Privaten ein Thema des Films. Geschickt lässt
       Petzold schon kurz nach der Ankunft der Freunde die kräftig brummenden
       Geräusche von Hubschraubern für Verstörung vor allem bei Leon sorgen. Die
       Hubschrauber selbst sieht man viel später. Auch ihren Zweck erfährt man
       erst im Verlauf der Handlung.
       
       In deren Vordergrund steht ein Beziehungsdrama, das eigentlich keines ist,
       weil es keine klare Beziehung zwischen den Beteiligten gibt. Zu dem Trio im
       Haus stößt schließlich noch Devid (Enno Trebs) hinzu, ein
       Rettungsschwimmer, der an der Küste vor der Haustür die Badenden
       beaufsichtigt. Devid, das „e“ im Namen statt des im Englischen „David“
       üblichen „a“ ist eine DDR-Marotte, wie Felix weiß, sorgt für einige
       erotische Bewegung.
       
       Die Regungen der einzelnen Figuren belässt Petzold dabei oft im
       Angedeuteten. Unscharf erscheinen sie fast alle bis auf Leon, der von
       Thomas Schubert herrlich stinkig gegeben wird. Die übrigen Rollen hätten
       schärfer gezeichnete Konturen gut vertragen können.
       
       So ist „Roter Himmel“, der unter den deutschen Beiträgen im Wettbewerb
       soweit zu den stärkeren zählt, am Ende ein Drama um ein Künstlerego, den in
       Zweifeln feststeckenden Schriftsteller Leon. Dass die anderen ebenfalls
       ihre kreativen Qualitäten haben, bleibt darüber zweitrangig. Wie die
       Fotografien, die Felix am Ostseestrand für seine Bewerbungsmappe an der
       Kunsthochschule macht. Sein Thema ist „Wasser“. Man könnte das als Hinweis
       auf Petzolds moderne Nixenfabel „Undine“ verstehen. Hier hingegen brennt
       der Himmel.
       
       23 Feb 2023
       
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