# taz.de -- Kolumne Grauzone: Falsche Friedenstauben für den Müll
       
       > Zum Jahrestag des Angriffskriegs auf die Ukraine verbreitete Russland
       > Desinformation. Die angebliche geplante Provokation in Transnistrien fiel
       > aus.
       
 (IMG) Bild: Proteste gegen die pro-westliche Regierung in Moldau
       
       Die Angst ging rum zum Jahrestag des russischen Angriffskriegs in der
       Ukraine: Droht eine nächste Front, [1][drüben in Transnistrien], in Moldau?
       Jedenfalls hatte dies das russische Verteidigungsministerium behauptet.
       Kyjiw plane [2][eine bewaffnete Provokation in Transnistrien], eine False
       Flag Operation, die man als russischen Angriff inszenieren wolle. Ukraines
       Präsident Selenski gab direkt Entwarnung. Die Ukraine greife keine
       souveränen Staaten an, sagte er. „Wir respektieren die Unabhängigkeit
       anderer Staaten. Transnistrien ist Moldau.“ Die moldauischen Behörden
       riefen dazu auf, ruhig zu bleiben. Und der transnistrische „Präsident“
       Wadim Krasnoselski verkündete, man wisse von keinem geplanten Angriff –
       sobald sich das ändere, werde Krasnoselski höchstpersönlich die Menschen im
       Land informieren. Nicht mal der [3][belarussische Machthaber Lukaschenko
       glaubte den Mist]: Dass „die Ukrainer durchdrehen“ und eine weitere Front
       eröffnen, halte er für unwahrscheinlich. Schließlich sei das zu ihrem
       Nachteil.
       
       Ich saß mit Corona in meiner Wohnung und beobachtete fiebrig, wie deutsche
       Medien auf diese Nachricht angesprungen waren. Klickt sich halt gut. Was
       auffiel: wenige fundierte Einordnungen oder Wissen über die
       [4][tatsächlichen Verhältnisse in Transnistrien], geschweige denn die Lage
       in Moldau.
       
       Russlands Strategie war also aufgegangen. Während Transnistrien die
       Aufmerksamkeit hat, ist in der Hauptstadt Chișinău die Destabilisierung des
       Landes, ein Baustein russischer hybrider Kriegsführung, in vollem Gange. In
       Moldau ist diese Form der Einflussnahme ein alter Bekannter. Dabei nutzt
       Russland die sowieso vorhandenen innenpolitischen Kämpfe und Probleme
       Moldaus aus, da muss es gar nicht viel mehr tun als sich zurücklehnen und
       zusehen.
       
       Die Interessen pro-russischer politischer Kräfte in Moldau überschneiden
       sich praktischerweise mit denen Russlands. Erstere, allen voran die
       Șor-Partei, deren Anführer Ilan Șor zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde,
       weil er beim größten Korruptionsskandal des Landes 2014 rund eine Milliarde
       US-Dollar aus den drei größten moldauischen Banken verschwinden ließ, ein
       Oligarch auf der Flucht, der sich in Israel versteckt, will die Macht
       zurückerlangen – oder einfach nur dem Gefängnis entgehen. Die Șor-Partei
       versucht mit aller Kraft, die Bemühungen der pro-westlichen Regierung gegen
       Korruption im Land zu torpedieren. Tja, und Russland will genau diese
       Regierung geschwächt sehen. Da haben sich also zwei gefunden.
       
       Es gibt Faktoren, die sind viel gefährlicher als 1.500 verarmte und
       unmotivierte russisch-transnistrische Soldaten. Moldau hat mit zahlreichen
       Krisen gleichzeitig zu kämpfen: energiepolitisch (weil lange Zeit abhängig
       von russischem Gas), wirtschaftlich (hohe Inflation), gesellschaftlich
       (Proteste).
       
       Seit Monaten ruft die Șor-Partei zu Protesten auf, [5][lässt Demonstranten
       bezahlen], aus dem ganzen Land in Bussen ankarren und nutzt die Armut
       dieser Menschen für ihre politischen Zwecke aus. Erst diese Woche fanden
       die größten Proteste seit Langem statt. Die Demonstranten riefen „Nein zum
       Krieg“ und „Nieder mit Maia Sandu“. Sie trugen Friedenstauben aus Papier,
       die später im Müll landeten.
       
       Seit der russischen Falschbehauptung hat sich unter den Demonstranten ein
       neues Narrativ durchgesetzt: Chișinău und Kyjiw seien es, die eine zweite
       Front in Transnistrien eröffnen wollten und den Krieg nach Moldau brächten.
       Russland hingegen wird als „stabilisierende“ Kraft für Moldau dargestellt.
       
       Alle blicken auf die eine Seite des Dnjestr, dem Fluss, der die abtrünnige
       Provinz Transnistrien vom Rest des Landes trennt, während auf der anderen
       die eigentliche Spannung herrscht. Russische Desinformation ist ein
       Ablenkungsmanöver.
       
       4 Mar 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Kriegsgefahr-in-Transnistrien/!5857844
 (DIR) [2] https://www.zdg.md/stiri/stiri-sociale/ministerul-rus-al-apararii-regimul-de-la-kiev-pregateste-o-provocare-armata-impotriva-regiunii-transnistrene-autoritatile-de-la-chisinau-facem-apel-la-calm-si-invitam-pub/
 (DIR) [3] https://hromadske.ua/ru/posts/lukashenko-zayavil-chto-ne-verit-v-provokacii-ukrainy-v-pridnestrove?fbclid=IwAR1lLaTBSmY_IcecBLv0BHcL22MUVdfcH-NA6gKIH089_zuS3JbNUfspUS0
 (DIR) [4] /Kriegsangst-in-Moldau/!5901182
 (DIR) [5] /Bezahlte-Proteste-in-Moldau/!5890842
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erica Zingher
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Grauzone
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) GNS
 (DIR) Kolumne Grauzone
 (DIR) Republik Moldau
 (DIR) Kolumne Grauzone
 (DIR) Hassrede
 (DIR) Asyl
 (DIR) Kolumne Krieg und Frieden
 (DIR) Republik Moldau
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Hysterie um Transnistrien: Bedrohung oder Angstmacherei
       
       Schon wieder heißt es, Transnistrien suche Schutz bei Russland. Das war
       auch schon letztes Jahr so, gefolgt ist daraus aber nichts.
       
 (DIR) Verbot prorussischer Partei in Moldau: Köpfe und Herzen gewinnen
       
       Das Verbot der prorusssischen Sor-Partei wird wenig helfen, solange ihre
       Anhänger weiter willfährige Vollstrecker Moskaus sind.
       
 (DIR) Deutsche und der Ukrainekrieg: Vernachlässigte Lebensrealitäten
       
       In Deutschland gibt es viele Meinungen zum Ukrainekrieg. Empathie gibt es
       wenig. Ukrainischstämmige Mitbürger_innen fühlen sich zunehmend fremd.
       
 (DIR) Hass gegen Presse in Europa: Faktenchecker bedroht
       
       Am 2. April ist Tag des Faktenchecks. Zeit, zu checken, wie es
       Faktencheck-Organisationen ergeht. Eine Studie alarmiert: Der Hass wird
       immer größer.
       
 (DIR) Abschiebung aus Sachsen: Russe muss nach Schweden
       
       Sachsen schiebt den russischen Friedens- und Umweltaktivisten Dolgow ab.
       SPD-Abgeordnete und NGOs fordern seine Rückkehr.
       
 (DIR) Dekolonisierung in der Republik Moldau: Ende des historischen Sprachkampfes
       
       In der Verfassung Moldaus wird jetzt die Bezeichnung „moldauische Sprache“
       durch „rumänische Sprache“ ersetzt. Das ist eine politische Entscheidung.
       
 (DIR) Proteste gegen Regierung in Moldau: In Russlands Einflusssphäre bis 2030?
       
       Die von der Opposition organisierten Proteste in der Republik Moldau sind
       Teil des hybriden Krieges, den Russland auf Moldaus Staatsgebiet führt.
       
 (DIR) Proteste in der Republik Moldau: Neue Unsicherheiten, alte Konflikte
       
       In Moldau schürt Russland die Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen
       Lage. Und spielt mit den Kriegsängsten der Menschen.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Bachmut weiter hart umkämpft
       
       Laut Wagner-Söldnern sei Bachmut praktisch eingekesselt. Währenddessen
       meldet das ukrainische Militär mehr als 85 abgewehrte Angriffe in den
       letzten 24 Stunden.
       
 (DIR) +++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: Putin umschmeichelt China
       
       Prorussische Accounts kaufen sich Twitter-Häkchen. Putin lobt
       russisch-chinesische Beziehungen. Bachmut ist weiter unter Beschuss.