# taz.de -- Linke PD in Italien: Die Außenseiterin macht das Rennen
       
       > Elly Schlein wird neue Vorsitzende der PD – als erste Frau überhaupt. Sie
       > will aus der zerstrittenen Partei eine starke linke Kraft in Italien
       > machen.
       
 (IMG) Bild: Gegenentwurf zur Postfaschistin Georgia Meloni: Italiens neue PD-Chefin Elly Schlein
       
       ROM taz | Am späten Sonntagabend war die Sensation perfekt. Die neue
       Vorsitzende der Partito Democratico heißt Elly Schlein, gewählt von knapp
       54 Prozent der rund eine Million Bürger*innen, die sich an der offenen
       Urabstimmung beteiligten. Sie schlug damit deutlich den Favoriten
       [1][Stefano Bonaccini,] Präsident der Emilia Romagna und alter Fahrensmann
       der größten italienischen Partei links der Mitte.
       
       Rund 5.500 Abstimmungslokale hatte die PD am Sonntag in ganz Italien von
       Südtirol bis Sizilien eingerichtet; abstimmen konnten nicht nur die
       Parteimitglieder, sondern alle Sympathisant*innen der Partei, die per
       schriftlicher Erklärung bestätigten, sie seien Wähler*innen der PD.
       Schon deshalb war die Wahl für Überraschungen gut. In der ersten am 19.
       Februar abgeschlossenen Runde, reserviert für die PD-Mitglieder, hatte
       Bonaccini noch mit 53 Prozent klar vor Schlein gelegen, die 35 Prozent
       erreichte.
       
       Doch die 37-jährige Außenseiterin hatte von Beginn an darauf gesetzt, im
       breiteren Wahlvolk zu mobilisieren. Ihr Ansage: Sie wolle einen radikalen
       Bruch bei „Gesichtern, Methode, Vision“ der Partei vollziehen, die PD zu
       einer klar links profilierten, feministischen und ökologischen Kraft
       machen, mit deutlich verjüngtem Personal, in dessen vorderen Reihen kein
       Platz mehr sei für die alten Platzhirsche, die den Niedergang der
       vergangenen Jahre zu verantworten hatten.
       
       Zu diesen Platzhirschen gehört Schlein ganz gewiss nicht. Sie war nach
       kurzer Mitgliedschaft schon 2015 aus der PD ausgetreten, aus Protest gegen
       den Kurs des damaligen Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Matteo Renzi,
       der auch gegen gewerkschaftlichen Widerstand neoliberale
       Arbeitsmarktreformen durchboxte.
       
       ## Schlein setzt auf die Außenseiter-Rolle
       
       Ihren 2014 errungenen Sitz im Europaparlament allerdings behielt sie bis
       2019 bei, kandidierte dann bei den Regionalwahlen 2020 in der
       Emilia-Romagna mit einer kleinen radikal linken Liste, die aus dem Stand
       fast vier Prozent holte – und wurde Vizepräsidentin der Region, unter eben
       jenem Bonaccini, gegen den sie jetzt bei der PD-Vorsitzendenwahl antrat.
       
       Um kandidieren zu können, war sie allerdings erst im Dezember 2022 wieder
       in die PD eingetreten. Schon deshalb galt sie allgemein als chancenlos
       gegen den fest in der Partei verankerten Bonaccini. Schließlich kann der
       55-Jährige auf eine jahrzehntelange Karriere in der PD und ihren
       Vorgängerparteien zurückblicken.
       
       Doch Schlein setzte offensiv auf ihre Rolle als Außenseiterin und damit
       auch als Hoffnungsträgerin der in Depression verfallenen Partei. Nie hatte
       die PD – und auch keine andere Partei der italienischen Linken – eine Frau
       als Vorsitzende gesehen. Auch dies half ihr – gerade auch, weil Italiens
       Rechte unter der Führung der Postfaschistin Giorgia Meloni steht.
       
       Und Schlein präsentiert sich jetzt als der Gegenentwurf zu [2][Meloni].
       „Ich bin Frau, ich bin Christin, ich bin Mutter, ich bin Italienerin!“ –
       dieser Spruch wurde zum Markenzeichen der Postfaschistin. Die neue
       PD-Vorsitzende konterte in ihrer Kampagne mit den Worten „Ich bin Frau, ich
       liebe eine andere Frau, ich bin keine Mutter, bin aber deshalb nicht
       weniger Frau“.
       
       ## Vor allem Städter*innen sind begeistert von Schlein
       
       Mit solchen Äußerungen ebenso wie mit ihrer dezidiert linken Positionierung
       für gesellschaftliche ebenso wie für soziale Rechte, für eine humane
       Aufnahmepolitik gegenüber Migrant*innen konnte sie vor allem jenes
       urbane Publikum für sich begeistern, das sich in den letzten Jahren
       enttäuscht von der PD abgewandt hatte. In der Metropole Mailand zum
       Beispiel erreichte sie am Sonntag etwa 70 Prozent der Stimmen.
       
       Zunächst aber muss sie die Partei zusammenhalten. Nicht umsonst freut sich
       jetzt [3][Matteo Renzi], der sich im Jahr 2019 von der PD abgespalten und
       seine eigene Kleinpartei Italia Viva gegründet hatte: Er hofft, dass die
       eher moderat-neoliberal gestimmten Kräfte in der PD jetzt den Abmarsch hin
       zu ihm vollziehen.
       
       27 Feb 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Michael Braun
       
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