# taz.de -- Prozess gegen Linksextreme: Anklage will Härte für Lina E.
       
       > Im Prozess gegen Lina E. fordert die Bundesanwaltschaft acht Jahre Haft.
       > Auch für die Mitangeklagten wollen die Ankläger Gefängnisstrafen.
       
 (IMG) Bild: Polizei und Protestierende zum Prozessauftakt vor dem Oberlandesgericht in Dresden 2021
       
       LEIPZIG taz | Am Ende werden die beiden Vertreter der Bundesanwaltschaft
       noch einmal deutlich. Mit „einem außergewöhnlichen Maß an krimineller
       Energie“ sie die Gruppe um Lina E. vorgegangen. Sie habe ihre Opfer mit
       „potentiell lebensgefährlicher Gewalt“ attackiert. Und Lina E. sei bei all
       dem „treibende und steuernde Kraft der Gruppe“ gewesen. Die Forderung der
       Bundesanwaltschaft: acht Jahre Haft für Lina E. und Haftstrafe bis zu knapp
       vier Jahren für die drei Mitangeklagten.
       
       Seit anderthalb Jahren wird gegen die 28-jährige Leipzigerin und drei
       Mitangeklagte – Jannis R. und Lennart A. aus Leipzig, Philipp M. aus Berlin
       – vor dem Oberlandesgericht Dresden verhandelt. Dem Quartett wird die
       Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, die von Oktober 2018 bis
       Februar 2020 sechs schwere Angriffe auf Rechtsextreme in Leipzig, Eisenach
       und Wurzen verübt habe – mit Lina E. als Rädelsführerin.
       
       Bereits vor einer Woche begann die Bundesanwaltschaft [1][mit ihrem
       Plädoyer] – und sah alle Anklagepunkte bestätigt. Am Mittwoch stellte auch
       ihre Strafforderung. Und die Vertreter der Bundesanwaltschaft betonen noch
       einmal, für wie gefährlich sie die Gruppe um Lina E. halten.
       
       Anders als von der Verteidigung behauptet, sei diese gut organisiert
       gewesen – was eine Verurteilung als kriminelle Vereinigung völlig
       rechtfertige. Lina E. und ihr bis heute untergetauchter Partner Johann G.
       hätten die Gruppe zusammengehalten, sie nach außen abgeschottet. Vor den
       Angriffen habe es Trainings gegeben, Schlagwerkzeuge und Handys seien
       besorgt worden, Zielpersonen ausgesucht und ausgespäht. Bei den Angriffen
       habe es klare Rollenverteilungen gegeben. Von einem „vertrauten,
       schlagfertigen Verband politisch Gleichgesinnter“, spricht
       Oberstaatsanwältin Alexandra Geilhorn.
       
       ## Klare Beweise fehlen
       
       Sie schildert auch nochmal die teils schweren Verletzungen der insgesamt 15
       Angegriffenen, von denen etliche zumindest ambulant ins Krankenhaus
       mussten. Vor allem einen Leipziger Kanalarbeiter – der angegriffen wurde,
       weil er eine rechtsextreme Mütze trug – habe es schwer getroffen. Dieser
       erlitt Knochenbrüche im Gesicht, eine Metallplatte musste eingesetzt werde,
       täglich nehme er nun Schmerzmittel und musste seine Arbeit aufgeben,
       erinnert Geilhorn. All das „nur weil er die falsche Mütze aufhatte“.
       
       Laut Bundesanwaltschaft war Lina E. dabei an allen sechs Angriffen
       beteiligt, mal als Ausspäherin, mal als Überblicksperson. Auch Lennart A.
       habe sich an einem Überfall beteiligt, auf die Kneipe der Neonazigröße Leon
       R. in Eisenach. Philipp M. habe dafür ein Auto gestellt. Bei einem weiteren
       Angriff, auf eine Gruppe von Neonazis in Wurzen, seien neben Lina E.
       wiederum Philipp M. und Jannis R. dabei gewesen.
       
       Mit Ausnahme des Angriffs in Eisenach, nach dem Lina E. und Lennart A. in
       einem Fluchtauto festgenommen wurden, fehlen für die Tatbeteiligungen aber
       bis heute direkte Beweise. Monatelang war im Prozess um Indizien gerungen
       worden. Die Bundesanwaltschaft hat dennoch keine Zweifel: Zwar lasse sich
       über einzelne Indizien streiten. [2][In der Gesamtschau aber bewiesen
       diese], dass hier die Richtigen auf der Anklagebank säßen.
       
       Zudem verweisen die Ankläger auf einen Kronzeugen: [3][den früheren
       Weggefährten Johannes D.], der ebenfalls Lina E. und ihren Partner als
       treibende Kräfte beschuldigt hatte. Die Angeklagten selbst schweigen zu den
       Vorwürfen bis heute.
       
       ## Verteidiger: Forderung sei „völlig maßlos“
       
       Für die geforderte Strafhöhe rechnet die Bundesanwaltschaft Lina E. zugute,
       dass sie bisher nicht vorbestraft war und durch die Haft und intensive
       Medienberichterstattung besonders belastet sei. Gegen sie aber spreche ihre
       Führungsrolle und das brutale, über zwei Jahre währende Vorgehen der
       Gruppe. Geilhorn attestiert ihr ein „beachtliches Maß an Abgebrühtheit“.
       Selbst als sie beim Diebstahl zweier Hämmer erwischt wurde, habe sie sich
       am Folgetag an einem Überfall beteiligt.
       
       Als die Bundesanwaltschaft schließlich die acht Jahre Haft fordert, wirkt
       Lina E., die am Morgen noch gelassen auftrat, kurz konsterniert. Auch im
       Publikum, das sich zuvor immer wieder über das Plädoyer echauffierte,
       herrscht kurz bedrückte Stille. Geilhorn warnt derweil vor einer
       vorzeitigen Freilassung von Lina E.: Nicht nur wegen ihres abgetauchten
       Partners, sondern auch wegen ihres Umfelds, das sie bis heute unterstütze
       und die Taten verharmlose, sei eine Flucht wahrscheinlich.
       
       Auch für die drei Mitangeklagten, die auf freiem Fuß sind, verlangt die
       Bundesanwaltschaft Haftstrafen. Zwar seien auch Jannis R. und Lennart A.
       nicht vorbestraft und R. nur kurz in der Gruppe gewesen. Aber gegen sie
       sprächen die schweren Straftaten der Gruppe. Lennart A. soll deshalb für 3
       Jahre und 3 Monate in Haft, Jannis R. für zwei Jahre und neun Monate.
       
       Noch härter fällt die Forderung gegen den Berliner Philipp M. aus. Dieser
       war bereits zuvor wegen linker Straftaten zu einer Haftstrafe verurteilt
       worden. Dennoch habe er sich danach an der Gruppe um Lina E. beteiligt,
       bemerkt Geilhorn. Dies unterstreiche seine „gewaltaffine, rechtsfeindliche
       Geisteshaltung“. Die Forderung: drei Jahre und neun Monate Haft.
       
       Die Verteidigung zeigt sich entsetzt. Als „völlig maßlos“ bezeichnet Ulrich
       von Klinggräff, der Anwalt von Lina E., die Strafforderungen. „Das sind
       politische Anträge, die komplett aus dem Rahmen fallen.“ Die meisten Taten
       ließen sich bis heute nicht den Angeklagten nachweisen. Die
       Bundesanwaltschaft aber wolle eine Verurteilung um jeden Preis.
       
       Die Anwälte dreier angegriffener Rechtsextremer, die als Nebenkläger am
       Prozess teilnehmen, stellen sich am Mittwoch dagegen hinter die
       Bundesanwaltschaft. Nur durch Zufall sei es nicht zu Toten gekommen,
       betonen sie. Arndt Hohenstädter, Anwalt des attackierten früheren NPD-Manns
       Enrico B., zieht einen Vergleich zur Gruppe Freital, die 2015 Geflüchtete
       angriff und als terroristische Vereinigung verurteilt wurde. Das, so
       Hohenstädter, hätte man auch im Fall Lina E. erwägen können.
       
       Nach einer Osterpause soll nun die Verteidigung plädieren. Ein Urteil wird
       Mitte Mai erwartet.
       
       5 Apr 2023
       
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 (DIR) Konrad Litschko
       
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