# taz.de -- Migrant*innen in Tunesien: Evakuiert aus Tunis nach Westafrika
       
       > Aufgrund der Verfolgung Schwarzer in Tunesien fliegen zahlreiche
       > Regierungen ihre Landsleute aus. Seit Ende Februar eskaliert dort die
       > Gewalt.
       
 (IMG) Bild: Bürger der Elfenbeinküste warten vor der Botschaft in Tunis, um ihre Evakuierung zu beantragen
       
       BERLIN taz | Ibrahima Barry lebte jahrelang in der Stadt Gabés im Süden
       Tunesiens. Der 26-Jährige war 2019 als Student aus Guinea gekommen, mit
       staatlicher Förderung seines Heimatlandes, und schlug sich danach mit
       Gelegenheitsarbeiten durch. Aber am 21. Februar hielt Tunesiens Präsident
       Kais Saied eine rassistische Rede, in denen er von „Horden illegaler
       Migranten“ sprach und den nach amtlichen Angaben 21.000 Zuwanderern aus
       afrikanischen Ländern südlich der Sahara „Gewalt, Verbrechen und
       inakzeptable Handlungen“ vorwarf – also auch Ibrahima Barry.
       
       „Ich schlief noch, als ein Freund mich anrief, um mir zu sagen, ich solle
       das Haus nicht verlassen“, erzählte der Guineer nach seiner Evakuierung in
       sein Heimatland am 3. März. [1][Überall in Tunesien würden Schwarze
       gejagt], erfuhr er. Am Tag nach der Präsidentenrede brachen die Nachbarn in
       das Haus ein, wo Barry als Untermieter lebte. Der Vermieter sagte, sie
       könnten wieder gehen, er selbst werde sich „kümmern“. Dann setzte er ihn in
       sein Auto und fuhr ihn 400 Kilometer nach Tunis zum guinesischen Konsulat.
       Damit rettete er Barrys Leben.
       
       „Im meinem Stadtviertel wurden Schwarze gesucht, gejagt, angegriffen und
       ihre Wohnungen verwüstet“, erinnerte er sich, zurück in Guinea. Polizisten
       hätten mitgemacht. „Es genügte, dass sie einen Schwarzen sahen, auch wenn
       er bloß vor seiner Tür saß, um mit Steinen und Stöcken auf ihn loszugehen.“
       
       ## Nach Guinea, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali und Senegal
       
       Guinea war das erste Land, das verfolgte Landsleute aus Tunesien
       evakuierte. Außenminister Morissanda Kouyaté nahm ein Flugzeug nach Tunis
       und kam mit 49 Guineern in die guineische Hauptstadt Conakry zurück, wo sie
       von Militärherrscher Mamady Doumbouya persönlich empfangen wurden. Unter
       ihnen waren auch kleine Kinder. „Wir müssen Leben retten“, erklärte Guineas
       Regierung.
       
       Andere Länder folgten: Burkina Faso, Elfenbeinküste, Mali, Senegal.
       Insgesamt sind mehrere Tausend Menschen aus Tunesien nach Hause gebracht
       worden. Allein die Elfenbeinküste hat bislang 1.053 Rückkehrer aufgenommen
       – von rund 7.000 Ivorern in Tunesien insgesamt. Der bislang letzte Flug
       landete am vergangenen Donnerstag.
       
       Sie alle werden bei der Ankunft überprüft, polizeilich befragt und
       medizinisch untersucht, bevor sie in ein Transitzentrum kommen, jeweils
       umgerechnet 244 Euro bekommen und dann sehen müssen, wo sie bleiben. Viele
       haben alles verloren und nicht nur in der Elfenbeinküste scheuen sich
       Rückkehrer oft davor, zu ihren Familien zurückzugehen, wenn sie mit leeren
       Händen kommen.
       
       Tunesiens Präsident hat mittlerweile behauptet, er habe sich nicht
       rassistisch geäußert, sondern bloß gemahnt, dass die Gesetze zu
       respektieren seien. Wer seine Worte anders verstehe, agiere „böswillig“, um
       „Tunesien zu schaden“, sagte er. Das war nicht wirklich hilfreich. „Man
       nennt Menschen nicht Horden“, empörte sich Louise Mushikiwabo, ehemalige
       Außenministerin Ruandas und Generalsekretärin der Internationalen
       Organisation der Frankophonie. Sie sei „schockiert“ und „empört“. Auch die
       Afrikanische Union (AU) äußerte sich kritisch. Es ist nun klar: [2][Kein
       Land in Nordafrika heißt schwarze Migranten willkommen].
       
       29 Mar 2023
       
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