# taz.de -- Anschlag auf Synagoge in Tunesien: Angreifer war Islamist
       
       > In Tunesien hat ein Angreifer fünf Menschen getötet. Nach
       > taz-Informationen handelt es sich um einen Nationalgardisten, der
       > suspendiert worden war.
       
 (IMG) Bild: Djerba, Tunesien: Ein massives Polizeiaufgebot verhinderte eine noch höhere Opferzahl
       
       TUNIS taz | Bei einem Angriff auf eine alljährliche jüdische Wallfahrt auf
       der tunesischen Ferieninsel Djerba wurden am Dienstagabend acht Menschen
       verletzt und fünf getötet. Der Täter hatte kurz vor Ende der mehrtägigen
       Veranstaltung versucht, auf das Gelände der La Ghriba-Synagoge
       vorzudringen.
       
       Polizisten kam das Verhalten des Mannes verdächtig vor. Als sie ihn
       hinderten, sich der von mehreren hundert Menschen besuchten Abschlussfeier
       zu nähern, schoss der Täter mit einem Schnellfeuergewehr um sich und tötete
       zwei Pilger und zwei Sicherheitsleute.
       
       Zuvor hatte der bisher namentlich nicht bekannte Mann bereits einen
       Polizisten in einem 16 Kilometer entfernten Ort mit einem Messer umgebracht
       und sich dessen Uniform und Gewehr genommen. Nach taz-Informationen handelt
       es sich bei dem Täter um einen Beamten der Nationalgarde, der früher auf
       Djerba eingesetzt war, der aber wegen islamistischer Ansichten vom Dienst
       suspendiert worden war.
       
       Zu Afrikas ältester Synagoge waren laut jüdischer Gemeinde von Djerba mehr
       als 5.000 Menschen aus aller Welt gereist. Einer der getöteten Pilger ist
       Tunesier, der andere Franzose. Die massive Polizeipräsenz rund um das
       Gelände hat offenbar eine wesentlich höhere Opferzahl verhindert. Neben dem
       nach 15 Minuten von Kugeln tödlich getroffenen Täter lagen acht mit
       Patronen gefüllte Magazine.
       
       ## Tunesien ist politisch und wirtschaftlich isoliert
       
       2002 war La Ghibra Ziel eines schweren Anschlags der Terrororganisation
       Al-Kaida. Damals hatte eine Bombe 20 Menschen getötet. Seitdem werden zur
       Sicherung der Wallfahrt Polizisten aus dem ganzen Land zusammengezogen.
       Doch die Radikalisierung junger Tunesier vor dem Hintergrund der
       Wirtschaftskrise sowie die Rekrutierung durch Terrorgruppen ist eine
       ständige Gefahr für die jüdische Gemeinde.
       
       Tunesien ist seit dem [1][Putsch von Präsident Kais Saied 2021] politisch
       und wirtschaftlich weitgehend isoliert. Für die dieses Jahr fälligen
       Rückzahlungen an arabische und europäische Kreditgeber fehlt das Geld. Die
       Verhandlungen über einen neuen Kredit des Internationalen Währungsfonds
       (IMF) scheinen zu stocken, da Saied den mit dem Kredit verbundenen
       Stellenabbau im öffentlichen Dienst verhindern möchte.
       
       Auch der vom IMF geforderte Wegfall der Subventionierung vieler
       Lebensmittel könnte die im informellen Sektor tätigen Personen schwer
       treffen. „Wir werden es selbst schaffen“, sagte Saied im April. Mit der gut
       anlaufenden Tourismus-Saison würden zumindest die dringend benötigten
       Devisen ins Land gespült.
       
       ## Als Streit dargestellt
       
       Aus Angst, dass Touristen ihren Buchungen stornieren, wurde der Angriff vom
       Dienstag in staatlichen Medien zunächst als Streit unter Kollegen
       dargestellt. „Die beschwichtigende Kommunikation nach den letzten
       Anschlägen dürfen wir nicht wiederholen“, warnte Farhat Tanfous,
       Vizepräsident des Hotelierverbandes, auf Djerba. „Wir müssen die Dinge
       benennen, wie sie sind. Es war ein Angriff auf uns alle.“ Nachdem die Flüge
       nach Tunis nach der Tat kurzfristig gestoppt wurden, waren am Mittwoch laut
       Tanfous bereits wieder Touristengruppen auf Djerba unterwegs.
       
       In Tunis wird diskutiert, ob der Anschlag mit Saieds autokratischem
       Regierungsstil zu tun hat. [2][Die Staatsanwaltschaft ließ Ende April den
       Chef der moderat-islamistischen Oppositionspartei Ennahda verhaften.] Über
       20 weitere meist aus dem Dunstkreis der Ennahda stammende Personen sitzen
       im Gefängnis. Ghannouchi hatte auf einer Veranstaltung vor Terroranschlägen
       gewarnt, sollte Saied weiter die Opposition vom politischen Leben
       ausschließen. Die Aussage wird ihm nun als Drohung ausgelegt.
       
       10 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://en.wikipedia.org/wiki/2021_Tunisian_self-coup
 (DIR) [2] /Verhaftung-in-Tunesien/!5928899
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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