# taz.de -- Pistorius und Schulze in Mali: Entwicklung schaffen ohne Waffen
       
       > Deutschland zieht die Bundeswehr aus Mali ab, obwohl kein Frieden
       > herrscht. Die Entwicklungszusammenarbeit soll bleiben. Kann das klappen?
       
 (IMG) Bild: Bald sind sie weg: Bundeswehr in Mali, hier mit Verteidigungsminister Boris Pistorius, April 2023
       
       GAO taz | Mit hartem Ruck landet der Truppentransporter A400M auf der Piste
       und bremst voll ab. Sechs Soldaten mit Schutzwesten und Gewehren springen
       auf und sichern das Gelände. Aus dem Militärflugzeug steigen ein Mann im
       olivgrünen Hemd und eine Frau im blauen Blazer in Malis roten Staub: Boris
       Pistorius und Svenja Schulze.
       
       Der Verteidigungsminister ist auf Antrittsbesuch, Entwicklungsministerin
       Schulze war schon häufiger hier, ist aber das erste Mal auf einem
       Militärstützpunkt. Sie besuchen die Bundeswehr in Gao. Die gemeinsame Reise
       soll signalisieren: Die Bundeswehr zieht aus Mali ab, doch über
       Entwicklungsprojekte bleibt Deutschland vor Ort.
       
       ## Deutschland seit 2013 bei UN-Mission dabei
       
       Seit 2013 beteiligt sich Deutschland an der UN-Mission Minusma. Zurzeit
       sind rund 1.100 deutsche Soldat:innen in Gao stationiert, in einem
       weitläufigen Camp, das sich selbst versorgt, vom Frischwasser bis zur
       Wäscherei. Der Auftrag: Frieden sichern und für Stabilität in der Region
       sorgen. So die Theorie. In der Praxis hat sich die Situation in Mali
       kontinuierlich verschlechtert. [1][Die gewählte Regierung wurde
       weggeputscht], islamistische Gruppen sind auf dem Vormarsch und die
       Militärregierung [2][setzt auf russische Wagner-Söldner].
       
       Herzstück des deutschen Einsatzes ist die [3][Heron-Aufklärungsdrohne], die
       die UN-Truppen mit Daten versorgen soll. Seit Dezember fliegt sie nicht
       mehr. Malis Regierung erteilt keine Startgenehmigung. Im Mai soll der
       Bundestag das Mandat für den Mali-Einsatz noch einmal verlängern – mit der
       Auflage: Im Mai 2024 ist Schluss.
       
       Für die junge Oberleutnantin, die in Gao vor dem weißen Stab wartet – so
       heißt der Containerbau, der als Einsatzzentrale dient –, hat der Einsatz
       gerade begonnen. Seit 15 Tagen ist sie hier als Mitglied der
       Aufklärungskompanie. Sie bereitet Aufklärungstouren ins Gelände vor, führt
       einen Gefechtsstand und soll Kontakt zu den Soldaten auf Erkundung halten.
       „Die Lage ist angespannt“, sagt die Majorin neben ihr. Die junge Frau
       nickt.
       
       Raus dürfen die Soldat:innen nur unter strengen Sicherheitsauflagen, das
       gilt erst recht für die Delegation aus Deutschland. Also hat das
       Entwicklungsministerium die – weibliche – Zivilbevölkerung ins Camp
       geladen. Acht Frauen und ein Mann sind gekommen.
       
       ## Feministische Außenpolitik weniger weltfern als gedacht
       
       Die Frauen führen landwirtschaftliche Kooperativen und Vereine, sie
       berichten von Unsicherheit durch Banden, die Vieh stehlen, von
       Nahrungsmittelknappheit, fehlenden Rechten für Frauen, die das Land zwar
       bearbeiten, aber nicht erben dürfen. „Wir Frauen sind der Motor der
       Entwicklung, aber wir brauchen Unterstützung dafür“, sagt Koumba Maige,
       Waisenhausgründerin und Vorsitzende der Plattform „Weibliche Führungskräfte
       in Gao“. Deutschlands Entwicklungshilfe sei großartig und müsse fortgesetzt
       werden – das ist die Botschaft der Frauen. Die Bundeswehr erwähnen sie
       nicht.
       
       Wer ihnen zuhört, bekommt eine Ahnung, dass feministische
       Entwicklungspolitik vielleicht gar nicht so weltfern ist. Pistorius gesellt
       sich dazu und scheint beeindruckt zu sein. „Svenja und ich sind überzeugt,
       dass Sicherheit und Entwicklung zwei Seiten einer Medaille sind“, sagt der
       Verteidigungsminister: Ohne Sicherheit keine Entwicklung, ohne Entwicklung
       keine Sicherheit. Die Frauen nicken.
       
       Doch der deutsche Entwicklungsetat wird im nächsten Jahr kaum wachsen und
       nach Mali dürften weniger Gelder fließen. „Wir müssen realistisch sein. Mit
       dem Abzug der Bundeswehr wird die Situation für die Entwicklungsmitarbeiter
       in Mali wohl gefährlicher“, meint die mitgereiste Vorsitzende des
       Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).
       
       ## Bundeswehrabzug beginnt im Juni
       
       Die Vorbereitungen für den Abzug haben schon begonnen. Im Juni geht es los.
       Etwa ein Jahr wird es dauern, die Stadt in der Wüste abzubauen, zu
       verpacken und auszufliegen, von der Drohne bis zum letzten Fahrrad: 1.600
       Container, per Hubschrauber. Dass malische Soldaten oder gar Wagner-Söldner
       in gepanzerten Fahrzeugen mit deutscher Flagge durch die Wüste brausen,
       will man nicht riskieren.
       
       Eine Dreiviertelflugstunde entfernt, am Flughafen der Hauptstadt des
       Nachbarlandes Niger, wird hinter Sandsäcken und Stacheldraht schon eine
       neue Abfertigungshalle hochgezogen. Der Transportstützpunkt in Niamey wird
       das Drehkreuz für den Abzug aus Mali. In Niger will die Bundeswehr weiter
       Präsenz zeigen, mit der neuen EU-Ausbildungsmission EUMPM.
       
       Deutschland ist optimistisch: In Niger wird es besser laufen als in Mali.
       „Man will uns hier ausdrücklich“, sagt Pistorius. Schulze ergänzt: „Unsere
       Hilfe hier ist sehr akzeptiert.“
       
       Doch zunächst muss der Abzug aus Mali klappen. Bloß nicht noch mal
       afghanische Verhältnisse, heißt es aus der Bundesregierung. Danach sieht es
       derzeit nicht aus. Doch das kann sich schnell ändern.
       
       13 Apr 2023
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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