# taz.de -- Letzte Generation in Berlin: Klebstoff war gestern
       
       > Die Aktivist:innen haben eine neue Protestform erprobt, bevor sie
       > ganz Berlin „lahmlegen“ wollen. Der Schleich-Zug soll dabei helfen.
       
 (IMG) Bild: Ein schleichender Prozess: Die Letzte Generation demonstriert jetzt
       
       BERLIN taz | Es ist ein ruhiger Tag auf der Karl-Marx-Allee. Die
       Mittagssonne spiegelt sich auf klassizistischen Fassaden, Osterglocken
       blühen und die sechsspurige Hauptverkehrsstraße ist ungewöhnlich leer. Der
       Grund für Letzteres ist an ihrem östlichen Ende zu finden, am Platz
       Frankfurter Tor. Etwa 200 Aktivist:innen der [1][Letzten Generation]
       starten dort ihren Protest auf den drei Spuren, die stadteinwärts führen.
       Dramatische Bilder von gewalttätigen Autofahrer:innen bleiben diesmal
       aber aus.
       
       Die Bewegung erprobt seit Donnerstag eine neue Protestform. Statt sich auf
       die Fahrbahn zu kleben, laufen die Aktivist:innen geschlossen im
       Schleich-Tempo. Eine Mischung aus Straßenblockade und Demo sozusagen. Die
       Veranstaltungen sind nicht angemeldet, die Polizei wird nicht vorab
       informiert und die Straßen sind länger nicht befahrbar als bei einem
       normalen Protestzug. Ein gewisser Störfaktor bleibt somit vorhanden.
       
       Die Letzte Generation macht seit 2021 von sich Reden. Zu Beginn mit einem
       Hungerstreik, später mit Beschmierungen und Klebeaktionen an Kunstwerken
       und vor allem durch Straßenblockaden. Dadurch wollen die Aktivist:innen
       auf die Klimakrise und die unzureichende politische Antwort darauf
       aufmerksam machen. Aktuell will die Gruppe Berlin „lahmlegen“, tage- oder
       gar wochenlang soll es Aktionen geben.
       
       Sie positioniert sich somit als radikalere Alternative zu etablierten
       Klimaschutzbewegungen wie Fridays for Future. Ihre konkreten Forderungen
       sind allerdings sanfter. Die Letzte Generation fordert ein allgemeines
       Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde, die Weiterführung des
       9-Euro-Tickets sowie die Einführung eines Gesellschaftsrates. Dieser würde
       mit gelosten Bürger:innen besetzt werden und dem Bundestag Maßnahmen zum
       Klimaschutz empfehlen.
       
       ## Verkehrsminister Wissing willigt in Treffen ein
       
       Nachdem die Polizei erkennt, dass diesmal keine Klebe-Aktionen zu erwarten
       sind, lässt sie den Protestzug laufen. Möglicherweise auch eine Lektion vom
       Donnerstag: Da hatte die Polizei den Schleich-Zug auf der Straße des 17.
       Juni festgesetzt, woraufhin einzelne Aktivist:innen erst begannen, sich
       festzukleben.
       
       Die neue Protestform verbessert die Atmosphäre erheblich: Statt den
       üblichen Hupkonzerten der Autos tönt der Chor der Letzten Generation. Er
       singt eine Eigenkreation: „Wir lassen nicht zu, dass unsere schöne Welt
       zerstört wird. Wir bleiben hier, bis auf die Wissenschaft gehört wird“,
       hallen die Stimmen durch die Karl-Marx-Allee.
       
       Auch wird heute viel miteinander gesprochen. Auf den breiten Bürgersteigen
       diskutieren Anwohner:innen, Aktivist:innen, Polizist:innen,
       Tourist:innen miteinander. „Unser Sohn hat als Handwerker schon den
       größten Ärger wegen euch gehabt“, erzählt eine ältere Dame auf einer Bank.
       Eine junge Frau dagegen findet den Protest gut: „Die erreichen ja genau
       das, was sie wollen: dass der Verkehr gestoppt wird.“
       
       Einen Erfolg verbucht die Letzte Generation aber am Nachmittag für sich:
       Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) will sich mit der Gruppe
       treffen. Sein Zuständigkeitsbereich, der Verkehrssektor, hält regelmäßig
       die Klimaziele nicht ein. Zeitgleich zum Protest begeht die FDP ihren
       Bundesparteitag in Berlin. Deswegen startete auch die Klimabewegung Fridays
       for Future einen Demozug am Freitagnachmittag. Am 2. Mai wollen sich
       Vertreter:innen der Letzten Generation nun mit dem Verkehrsminister
       treffen.
       
       Die Schleich-Demo hatte eigentlich zum Brandenburger Tor führen sollen,
       fast fünfeinhalb Kilometer und zu Fuß eine gute Stunde vom Frankfurter Tor
       entfernt. Nach mehr als zwei Stunden ist der Tross allerdings noch nicht
       mal ganz auf der Hälfte der Strecke angekommen. Er schleicht eben. Am Haus
       der Statistik nahe dem Alexanderplatz endet der Protest. Die Polizei will
       die Versammlung auflösen, blockiert die Straße, die Aktivist:innen
       wollen keine eskalativen Bilder – und willigen ein.
       
       21 Apr 2023
       
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