# taz.de -- Letzte Generation blockiert Straßen: Legitim, aber politisch planlos
       
       > Die Kritik an den Klimaprotesten ist maßlos. Mit ihren Mitteln wird die
       > Bewegung aber nicht die gesellschaftliche Mitte erreichen können.
       
 (IMG) Bild: Die Aktionsformen der Letzten Generation sind spektakulär, die Ideen nicht
       
       Die AktivistInnen der Letzten Generation blockieren mal wieder Straßen.
       Wütende Autofahrer, bekannte Bilder, gemischte Gefühle. Und zwei Fragen:
       Sind diese Aktionen legitim? Und sind sie sinnvoll?
       
       Es gab in Deutschland schon viele härtere Aktionen. Gleise, über die
       Atomtransporte rollen sollten, wurden unbrauchbar gemacht, Strommasten
       gefällt. [1][Es gab Schlachten um AKW-Bauplätze] mit der Polizei. Im
       Vergleich dazu ist das Kleben harmlos. Es ist eine effektive Störung des
       Alltags, aber trotz wutentbrannter Autofahrer weit entfernt von der
       Dynamik, der Gewalt gegen Sachen innewohnt und die in Gewalt gegen Menschen
       umschlagen kann. Insofern ist ein Sich-auf-die-Straße-Kleben legitimer
       Protest, auch wenn Gerichte sie als Nötigung für justiziabel halten mögen.
       
       Es ist daher absurd, wie von der Union gefordert, AktivistInnen [2][so
       lange wie möglich] präventiv einzusperren. Ein Monat Präventivhaft wegen
       zivilen Widerstands passt eher nach Russland als in einen Rechtsstaat. Das
       Gleiche gilt für Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
       Klima-RAF? Die Letzte Generation will nicht die Regierung stürzen, sondern
       dass die sich an ihre eigenen Versprechen hält. Das ist keine Subversion,
       eher angewandte Staatsbürgerkunde.
       
       Daher wäre es in einem liberalen Rechtsstaat angemessen, nicht mit
       Präventivhaft herumzufuchteln, sondern gelassen zu deeskalieren. Die
       Konservativen sind hingegen beglückt, endlich wieder Härte zeigen zu
       dürfen, mit einem Chor empörter Autofahrer im Rücken.
       
       ## Kleinteilige Forderungen
       
       Also legitim – ja. Und sinnvoll? Die Aktionsformen der Letzten Generation
       sind spektakulär, die Ideen nicht. Tempo 100 und das 9-Euro Ticket sind
       richtige Ziele, aber kleinteilig, ja banal. Zudem fordern sie einen
       Gesellschaftsrat, ein zufällig ausgelostes Gremium, das diktieren soll, wie
       Deutschland bis 2030 klimaneutral wird. Darin glimmt die schlichte Idee,
       dass dieser BürgerInnenrat, anders als das Parlament, den unverstellten
       Volkswillen zum Ausdruck bringen wird. Der klimaneutrale Umbau ist eine
       hochkomplexe Aufgabe. Die soll bei Laien besser aufgehoben sein als im
       erprobten parlamentarischen System?
       
       Es ist immer ein Fehler, Protestformen zu überschätzen, die
       aufsehenerregende Bilder produzieren. Die Anti-Atom-Bewegung war nicht
       erfolgreich, weil Militante sich mit Polizisten prügelten, sondern weil sie
       die Mitte der Gesellschaft erreichte. Die Letzte Generation spielt
       geschickt auf der Klaviatur der Aufmerksamkeitsökonomie, aber ob das hilft,
       die Mitte zu gewinnen, ist fraglich. Ihre Aktionen schaden mehr, als sie
       nutzen.
       
       21 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Geschichte-der-Anti-AKW-Bewegung/!5924964
 (DIR) [2] https://www.fuldainfo.de/cdu-pocht-auf-hartes-durchgreifen-gegen-klimakleber/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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