# taz.de -- Jamaikanische Politikerin über UK-Royals: „Kein Grund, sie zu verehren“
       
       > Auch in Jamaika ist Charles III bald Staatsoberhaupt. Seinen durch
       > Sklaverei angehäuften Reichtum solle Großbritannien teilen, fordert
       > Barbara Blake-Hannah.
       
 (IMG) Bild: In trauter Freundlichkeit: König Charles und der Premierminister Jamaicas Andrew Holness
       
       taz: Frau Blake-Hannah, im Vereinigten Königreich wird die [1][Krönung des
       neuen Königs Charles III] gefeiert. Was geht Ihnen dabei durch den Kopf? 
       
       Barbara Makeda Blake-Hannah: Es ist ein unnötiges Ritual, denn Charles
       wurde bereits nach dem Tod seiner Mutter als König anerkannt. Die Krönung
       beabsichtigt, eine stets etwas lächerliche Gestalt in eine Person zu
       verwandeln, die so respektiert wird, wie seine Mutter es wurde. Das wird
       aber nicht passieren, insbesondere wegen Charles' Vergangenheit: Die
       Beziehung, die er vor Diana mit der Camilla hatte, die nun zur Königin
       Englands gekrönt wird, das Ende der Ehe mit Diana, ihr Tod – niemand hat
       das vergessen.
       
       Mit der Krönung wird Charles III auch Staatsoberhaupt Ihrer Heimat Jamaika,
       ein Mitgliedsstaat des Commonwealth of Nations. Sie sind in dem Inselstaat
       zur Schule gegangen. Was haben Sie damals über König George und die später
       Königin Elizabeth gelernt?
       
       Als ich ein kleines Mädchen war, galt die britische königliche Familie als
       das wichtigste nach Jesus Christus und seiner Mutter Maria. Sie galten als
       „Heilige,“ als Menschen, die tadellos und fehlerfrei waren, die extra auf
       die Welt kamen, um über uns herrschen zu können. Wir mussten uns vor ihnen
       verbeugen, ihnen die Fahnen entgegenschwenken – alles in der Hoffnung, dass
       wir es eines Tages aufgrund einer besonders guten Tat verdienen würden, sie
       einmal persönlich zu treffen.
       
       Wie sehen die Menschen des [2][heutigen, unabhängigen Jamaikas] die Royals
       mittlerweile? 
       
       Wie die Ehe von Charles und Diana uns zeigte, besteht die königliche
       Familie auch nur aus Menschen. Sie sind wie wir alle – obgleich
       wohlhabender und weiß. Sie haben die gleichen Probleme wie jede andere
       Familie – vielleicht sogar mehr, weil sie damit leben müssen, dass andere
       Menschen ihr Leben durchorganisieren, und dass über alles, was sie tun,
       berichtet wird. Das Leben als Royal ist keineswegs nur rosig. Es gibt
       keinen guten Grund, weswegen wir sie verehren sollten.
       
       Die Vereinigung der karibischen Staaten Caricom und Vertreter:innen von
       zwölf Länder des Commonwealth fordern Reparationszahlungen und eine
       Entschuldigung auf Grund der kolonialen Vergangenheit und der Sklaverei. 
       
       Als Großbritannien versklavte afrikanische Menschen in die
       Zuckerherstellung zwang und so riesige Reichtümer schuf, taten sie dies mit
       äußerster Brutalität und Unmenschlichkeit. Diese Ausbeutung verwandelte das
       Land in eine bis heute wohlhabende Nation. Die Länder und die einst
       Versklavten, die diesen Reichtum tatsächlich produzierten, verblieben
       jedoch in armen Verhältnissen.
       
       Auch wenn diese Länder unabhängig und ihre Bürger frei wurden, war es ihnen
       nicht möglich, sich so zu entwickeln, wie es die Menschen im Vereinigten
       Königreich Großbritannien konnten. Es ist eine Sache der Fairness, dass wir
       eine gerechte Kompensation erhalten, um so etwas von dem Reichtum, den wir
       durch unbezahlte Arbeit unter brutalen Lebensbedingungen geschaffen haben,
       zurückzuerhalten.
       
       Gibt es hier ein positives Beispiel? 
       
       Die [3][Nachkommen jüdischer Menschen] erhielten Wiedergutmachung für die
       Schoa, die sie im Nationalsozialismus erleiden mussten. Diese werden
       weiterhin jährlich gezahlt, als Zeichen der Sühne. Was das bedeuten kann,
       sieht man am Beispiel Israels: Diese Wiedergutmachungs- und
       Unterstützungsleistungen waren ein Faktor, der dem israelischen Staat half,
       schnell zu wachsen. Es ist heute ein wohlhabendes Land mit Erfindergeist.
       Die Nachkommen der versklavten afrikanischen Menschen verdienen die gleiche
       Behandlung!
       
       ## Wenn sich der König morgen bei den Nachkommen von versklavten Menschen
       entschuldigen würde – könnte das den Blick auf die königliche Familie in
       Jamaika retten?
       
       Sollte er sich für die Rolle seiner Familie und des vereinigten Königreichs
       entschuldigen, würden die Nachfahren versklavter afrikanischer Menschen ihm
       sicherlich Respekt zollen. Der christliche Glaube lehrt, dass wir um
       Vergebung unserer Sünden bitten können und danach wieder so „weiß wie
       Schnee“ sind – gereinigt und wie neugeboren. Ich glaube dennoch, dass
       Jamaika sein Staatsoberhaupt wählen möchte. Die Beziehung zu Großbritannien
       würde sich aber auf alle Fälle verbessern. 
       
       Werden Sie die Krönung im Fernsehen mitverfolgen? 
       
       Mein Fernseher ist permanent an, die Nachrichten laufen immer. Charles wird
       auch als König Jamaikas gekrönt, aber diesen Titel wird er nicht lange
       tragen. Wenn ich der Krönung zusehe, werde ich Zeuge der Geschichte. Eben
       werde ich der Ernennung eines neuen gewählten Staatsoberhauptes Jamaikas
       zusehen – welche Zeremonie auch auch immer es dann geben wird.
       
       6 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Vor-der-Kroenungsfeier-in-Grossbritannien/!5928704
 (DIR) [2] /Buch-zur-Geschichte-des-Dub/!5904248
 (DIR) [3] /Antizionismus-und-Antisemitismus/!5927531
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Royals
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) GNS
 (DIR) Entschädigung
 (DIR) Kolonialismus
 (DIR) König Charles III.
 (DIR) Sklaverei
 (DIR) Jamaika
 (DIR) Niederlande
 (DIR) Großbritannien
 (DIR) König Charles III.
 (DIR) Anekdoten
 (DIR) Monarchie
 (DIR) US-Sklaverei-Geschichte
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Sklavereigeschichte der Niederlande: Was wird der König sagen?
       
       Vor 150 Jahren endete die Sklaverei in den amerikanischen Kolonien der
       Niederlande. Am Samstag wird dessen gedacht. Ein Besuch in Rotterdam.
       
 (DIR) Krönung von Charles III.: Der Regenkönig
       
       Die Krönung des britischen Königs wird auch weitab von den Kameras rund um
       Westminster Abbey begangen. Aber nicht immer mit Jubel.
       
 (DIR) Krönung von Charles III. in London: Charles und Camilla gekrönt
       
       Die Krönungszeremonie von Charles III. in Westminster Abbey ist beendet. Am
       Samstag nahm die Polizei Aktivisten der Organisation Republic fest.
       
 (DIR) Die Wahrheit: „Ich bin sauber wie ein Hundezahn“
       
       Der allerneueste englische König: die schönsten Anekdoten über den
       sympathischen Ohrenhenkelkopf Charles III. anlässlich seiner Krönung.
       
 (DIR) Krönung von Charles III.: Schweigen in Gold
       
       Die Krönung von Charles III. am Samstag ist elitär. Doch sie verbindet auch
       Jahrtausende alte Rituale mit den Realitäten der Gegenwart. Eine Würdigung.
       
 (DIR) Serienadaption von SciFi-Klassiker: Die politische Sprengkraft fehlt
       
       In „Kindred: Verbunden“ reist eine Schwarze 26-Jährige in die Zeit, als die
       Sklaverei in den USA noch nicht abgeschafft war.