# taz.de -- Rassismus in der evangelischen Kirche: Ein Hirte nur für weiße Schäfchen
       
       > Ein Hamburger Pastor soll Sinti*zze und Schwarze Menschen rassistisch
       > beleidigt und Nazi-Sprache verwendet haben. Die Kirche zeigte ihn jetzt
       > an.
       
 (IMG) Bild: Als bekennender Judenhasser ein Vorbild für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit: Martin Luther
       
       HAMBURG taz | Die evangelische Nordkirche stellt Strafanzeige gegen einen
       ihrer eigenen Pastoren. Der Pastor soll sich wiederholt rassistisch
       geäußert haben. Von einer „Steinzeitkultur“ und der „Inszenierung eines
       mittelalterlichen Dorfes“ soll der Hamburger Pastor im Bezug auf die Kultur
       der Sinti*zze gesprochen haben. Auch das rassistische Z-Wort soll in
       einer Gemeinderatssitzung gefallen sein. [1][Zuerst hatte die Hamburger
       Morgenpost darüber berichtet].
       
       Schon länger gibt es Kritik an dem Pastor vom Vorsitzenden des
       Sinti-Vereins zur Förderung von Kindern und Jugendlichen, Christian
       Rosenberg. Der Verein mietet seit 2015 Räumlichkeiten in der Gemeinde im
       Hamburger Westen. Zuvor habe er sich immer wieder um Versöhnung bemüht, den
       Pastor und die Kirche zu Gesprächen eingeladen, sagt Rosenberg im Gespräch
       mit der taz.
       
       Angefangen haben die Probleme mit dem Pastor schon vor mehr als zwei
       Jahren. Der Pastor habe die Sinti*zze in der Gemeinde immer wieder
       schikaniert. Rosenberg ist auch Pastor der freikirchlichen Gemeinde „Licht
       und Leben“, die die Kirche für ihre Gottesdienste nutzt und in der
       mehrheitlich Sinti*zze und Rom*nja Mitglied sind. Der Pastor habe sich
       mehrfach über den Zustand der Räumlichkeiten nach den Gottesdiensten der
       Freikirchengemeinde beschwert, ihnen aber gleichzeitig den Schlüssel zu
       einem Raum mit Reinigungsmitteln verweigert.
       
       Rosenberg nennt das „puren Rassismus“ und sagt: „Wir haben die Kirche immer
       sauberer verlassen, als wir sie vorgefunden haben“. Rosenberg sagt, er habe
       sich immer wieder um Versöhnung bemüht und dem Pastor „die Hand gereicht“.
       So habe er den Pastor vor einem Jahr zu einer Veranstaltung zum Thema
       Antiziganismus eingeladen, auf der sich dieser aber wieder rassistisch
       geäußert habe.
       
       ## Anlehnung an ein Goebbels-Zitat
       
       Aber [2][nicht nur gegen Sinti*zze] soll der Pastor sich rassistisch
       geäußert haben. Er soll auch Anti-Schwarze rassistische Beleidigungen gegen
       die Mitglieder einer afrikanischen Gemeinde, die die Räume seiner Gemeinde
       ebenfalls nutzt, geäußert haben.
       
       Im Bezug auf Sanierungsmaßnahmen an den Gebäuden der Kirche soll er, in
       Anlehnung an ein Goebbels-Zitat, die Frage gestellt haben: „Wollt ihr den
       totalen Bau?“. Als eine Spendensammlung für Kinder diskutiert worden war,
       soll er gesagt haben: „Zeit, dass wir für arische Kinder sammeln.“
       Gesammelt hatten die Zitate des Pastors der zweite Gemeindepastor sowie ein
       Gemeinderatsmitglied. Die Liste hatten sie an die Landeskirche geschickt.
       
       Die [3][zuständige Evangelisch-Lutherische Kirche] in Norddeutschland
       scheint die Vorwürfe ernstzunehmen und hat inzwischen eine Strafanzeige
       gestellt. Ihr Sprecher Dieter Schulz schrieb der taz, die Äußerungen, die
       dem Pastor vorgeworfen werden, widersprächen „in eklatanter Weise den
       Werten der Nordkirche“ und seien „absolut inakzeptabel“. Der beschuldigte
       Pastor nimmt bis zur Klärung der Vorwürfe seine Amtsgeschäfte nicht war.
       
       Für Rosenberg kommt die Reaktion der Kirche spät. Schon vergangenes Jahr
       habe er Kontakt zur Kirche aufgenommen. Dass sie nun dennoch reagiert hat,
       freut ihn aber. Schulz hingegen sagt, die Nordkirche habe „unverzüglich“
       ein „geordnetes dienstrechtliches Verfahren“ in Gang gesetzt, nachdem sie
       die Hinweise bekommen habe. Er bitte um Verständnis, dass dies „seine Zeit
       braucht“.
       
       Marko Knudsen überraschen die Äußerungen des Pastors nicht. „Antiziganismus
       ist, wie Antisemitismus, tief in der Gesellschaft verwurzelt“, sagt der
       [4][Vorsitzende des Europäischen Zentrums zu Antiziganismus]. Die
       Diskriminierung von Sinti*zze und Rom*nja sei „ein Problem der
       Mehrheitsgesellschaft“, das diese selbst lösen müsse, sagt Knudsen.
       
       23 May 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.mopo.de/hamburg/strafanzeige-gegen-hamburger-pastor-rassismus-skandal-in-der-nordkirche/
 (DIR) [2] /Diskriminierung-auf-dem-Wohnungsmarkt/!5930580
 (DIR) [3] /Pastorin-ueber-Inklusion-in-der-Kirche/!5772415
 (DIR) [4] /Schul-Beauftragter-ueber-Antiziganismus/!5824968
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franziska Betz
       
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