# taz.de -- Ehrenamtliche Hilfe in der Ukraine: Japaner mit großem Herzen
       
       > Der 75-jährige Fumi ist von Tokio ins ostukrainische Charkiw gezogen.
       > Seither verteilt er dort kostenlose Essenspakete an die Bevölkerung. Ein
       > Besuch.
       
 (IMG) Bild: „Das Hauptziel im Leben ist doch zu helfen“, sagt Fuminori Tsuchiko aus Charkiw
       
       CHARKIW taz | „Alles bestens. Viele Leute sind gekommen, daher ist alles
       ausgezeichnet“, sagt Fuminori Tsuchiko lächelnd. Der 75-jährige Japaner hat
       2022 seine Wohnung in Tokio verkauft und lebt nun im ostukrainischen
       Charkiw. Zunächst verbrachte er einige Monaten in einer Metrostation, wo
       sich die Einheimischen vor [1][den Bombenangriffen] versteckten. Im Sommer
       2022 begann er dann damit, Menschen, deren Häuser zerstört wurden, mit
       Essen zu versorgen. Am 14. April 2023 eröffnete Fumi, wie ihn hier alle
       nennen, schließlich ein Café in Saltywka. Der Stadtteil ist besonders von
       russischen Angriffen betroffen.
       
       Täglich zwischen 12 und 15 Uhr werden hier warme Mahlzeiten und auch
       Essenspakete verteilt. Heute helfen auch ein paar Gäste mit, Pakete mit
       Müsli, Nudeln und Fertiggerichten zusammenzustellen. So wie die Charkiwer
       Freiwillige Natalia Grama, die Fumi bereits seit vergangenem Jahr
       unterstützt. Sie erinnert sich, wie der Japaner schon bei nach seiner
       Ankunft in Charkiw die Freiwilligen gefragt habe, womit er helfen könne.
       „Gleich am nächsten Tag ist er wiedergekommen – mit Medikamenten und
       Hygieneartikeln. Dann hat er über Social Media Spenden in Japan gesammelt
       und begonnen, die Menschen in den Metrostationen mit Lebensmitteln zu
       versorgen“, erzählt sie. Ihm sei es sehr wichtig, dass Menschen etwas zu
       essen bekommen. „Er sagt immer, dass jeder Mensch mindestens einmal täglich
       etwas essen sollte“, sagt Grama.
       
       Am Anfang kochte das „Fumi Café“ 200 Mahlzeiten täglich, mittlerweile sind
       es 600. Im Café arbeiten jetzt neben Fumi selber noch elf weitere Menschen.
       Natalias Tochter Walerija beispielsweise kümmert sich im Café um die
       Bürokratie. Sie sagt, dass die Leute mit ihrem eigenen Geschirr kämen und
       auch Essen für andere mitnehmen könnten. Aber dafür müssten sie eine Art
       von Nachweis vorlegen, dass es diese Person wirklich gebe. Sie führe Buch
       über die Besucher, um die Mahlzeiten besser planen zu können.
       
       Jeden Tag wechselt das Menü. Immer dabei sind eine warme Suppe, ein
       Hauptgericht und etwas zu trinken. Kinder bekommen von Fumi auch Joghurt
       und Süßigkeiten. „Er will, dass noch mehr Menschen hier arbeiten, dass wir
       auch Milch und Brot verteilen und noch ein weiteres Café eröffnen. Er hat
       einfach ein großes Herz“, sagt Walerija Grama.
       
       ## Zum Teil stehen Hunderte stundenlang für ein Essen an
       
       Zum Teil stehen Hunderte von Menschen bis zu drei Stunden für ein
       Mittagessen an. Die 68-jährige Tamara Maksymyschyna kommt jeden Tag. „Das
       Café unterstützt uns finanziell, aber auch moralisch. Dafür sind wir sehr
       dankbar“, sagt sie. Man spüre, dass man nicht allein auf dieser Welt und
       mit dieser Katastrophe sei. „Wir sind doch nicht daran schuld.“ Dabei
       erzählt sie, dass auch die Stadt selbst in mehreren Schulgebäuden in der
       Nähe kostenlose Lebensmittel verteilt.
       
       Galyna Savisko ist heute zum dritten Mal in Fumis Café. Sie tut das nicht
       gern, aber sieht keine andere Möglichkeit. „Ich bekomme 3.000 Hrywnja
       Rente“, sagt die 73-Jährige. Das sind umgerechnet 75 Euro. Ihre
       Zweizimmerwohnung aber koste 2.200 Hrywnja (knapp 55 Euro). Am Ende des
       Monats blieben ihr nur 800 Hrywnja übrig. „Davon kann man nicht leben.
       Angehörige, die mir helfen könnten, habe ich leider keine“, sagt sie.
       
       Nach drei Stunden Arbeit am Stück findet Fuminori Tsuchiko schließlich Zeit
       für ein kurzes Gespräch. Er wolle auch nach dem Ende [2][des Krieges] in
       Charkiw bleiben, sagt er. „Viele Menschen hier haben weder Arbeit noch
       Geld. Sie haben Hunger. Mit dem Café helfen wir denen, die in diesem
       Stadtteil leben. Die Menschen essen oft nur einmal pro Tag, aber sie sind
       froh darüber, etwas zu bekommen“, sagt er. 550 Japaner hätten ihm bislang
       Geld für sein Hilfsprojekt überwiesen. Jeder dieser Namen steht auf
       Japanisch im Café an der Wand. „Das Hauptziel im Leben ist doch zu helfen.
       Viele Menschen kämpfen ums Überleben. Ich laufe nicht weg, ich bleibe hier
       und werde den Menschen Essen geben“, betont Fumi, „auch nach dem Krieg.“
       
       Aus dem Russischen Barbara Oertel
       
       26 May 2023
       
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