# taz.de -- Neue Asylregelung: Die EU rückt nach rechts
       
       > Durch die neue EU-Asylregelung wird sich das Leben von vielen Ankommenden
       > künftig an Orten abspielen, die Hochsicherheitsgefängnissen gleichen.
       
 (IMG) Bild: Ein würdiges Leben in der EU wird für viele Geflüchtete unmöglich gemacht
       
       Neun Jahre hat die EU über das neue [1][gemeinsame Asylsystem] verhandelt.
       Am Donnerstag gab es eine vorläufige Einigung. [2][Die Grünen] haben dabei
       der weitreichendsten Asylrechtsverschärfung seit der Grundgesetzänderung
       von 1993 zugestimmt.
       
       Die [3][Populisten in der EU] konnten sich durchsetzen. Die neue Rechtslage
       wird zwar nicht ganz ihren Forderungen entsprechen – aber kommt dem sehr
       nahe. Das war nur möglich, weil fast alle anderen Parteien ihnen in ihrem
       zentralen Punkt im Prinzip recht gegeben haben: Die Geflüchteten sind das
       Problem. Es sind zu viele, es ist zu voll, wir sind überlastet.
       
       Ein an Menschenrechten orientierter Konsens war so nicht mehr herstellbar.
       Doch auch die Parteien, für die Wachstum und Arbeitsplätze höchste
       Priorität haben, vermochten die Migrationspolitik nicht daran auszurichten.
       Denn natürlich wäre es vorstellbar, diese so zu gestalten, dass moderne,
       aber überalterte kapitalistische Volkswirtschaften mit Arbeitskräften
       versorgt werden. Auch mit jenen Menschen, die ohnehin kommen.
       
       Doch die Populisten dominierten den Diskursraum so sehr, dass sich fast
       niemand dafür starkmachte. Das Entrechtungsprogramm für die ankommenden
       Geflüchteten, das nun ansteht, wurde dabei bis zum Schluss mit falschen
       Behauptungen zu legitimieren versucht.
       
       ## Angebliche Rettung des Schengen-Raums
       
       Immer wieder sprachen Nancy Faeser (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) von
       der nur auf diesem Weg möglichen Rettung eines Europas ohne Kontrollen an
       den Binnengrenzen. Ohne die Internierung der Ankommenden würden die
       Nationalstaaten die Grenzkontrollen wieder einführen.
       
       Doch schon am Samstag drängte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU),
       Sprecher der Unions-Bundesländer, der „illegale Migrationsdruck“ halte an,
       Faeser dürfe sich „situativen Grenzkontrollen nicht verschließen“.
       Tatsächlich kontrollieren viele Schengenstaaten die Grenzübergänge seit
       2015 fast durchgehend „ausnahmsweise“ – derzeit sind es Deutschland,
       Frankreich, Litauen, Dänemark, Schweden, Österreich, Norwegen. Und sie
       werden es weiter tun. So ist es mit fast allem, womit der Asylkompromiss
       gerechtfertigt wurde.
       
       Keine Zäune mehr? Griechenland, Finnland und Ungarn bauen derzeit neue zu
       den schon bestehenden 2.000 Kilometern hinzu. Und Robert Habeck sagt, er
       könne da „mitgehen“.
       
       Das „Ruanda-Modell“ ist nun ausgeschlossen, wie Baerbock behauptet?
       Keineswegs. Selbst der Ampel-Migrationsbeauftragte Joachim Stamp (FDP) sagt
       offen, er strebe Asylverfahren in Nordafrika an.
       
       Und für „viele Geflüchtete wird sich der Status quo verbessern“, wie
       Baerbock schrieb?
       
       ## Ein Leben in grauen Stahlcontainern
       
       Das Leben für die meisten Ankommenden wird sich künftig an Orten abspielen,
       die aussehen wie ein Hochsicherheitsgefängnis: graue Stahlcontainer in
       grauen, aufgeheizten Steinwüsten, rund um die Uhr kontrolliert von privaten
       Sicherheitsdiensten. Ihr Leben wird davon bestimmt sein, nicht zu wissen,
       was mit ihnen geschieht, weil ein völlig unausgereiftes EU-Gesetz auf
       nationale Regelungen trifft und von einer überlasteten Bürokratie umgesetzt
       werden soll.
       
       Die Geflüchteten werden nun verteilt, statt festzuhängen, wie Baerbock
       sagt?
       
       Kaum. Staaten, die freiwillig aufnehmen wollten, konnten das auch bisher
       tun. Doch es wollte niemand. So wird es im Wesentlichen bleiben – denn die
       Umverteilung bleibt freiwillig.
       
       Baerbock sagt, an Deutschland habe die europäische Einigung nicht scheitern
       dürfen. Dabei ist es erst drei Monate her, dass FDP-Verkehrsminister Volker
       Wissing keine Skrupel hatte, in der EU ein Veto gegen eine Entscheidung
       einzulegen, die ihm nicht passte. Er blockierte fast im Alleingang das
       Verbot der Neuzulassung von Verbrennerautos ab 2035. Nun aber mochte
       niemand die Kraft dazu aufbringen. Auch die Grünen nicht.
       
       11 Jun 2023
       
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