# taz.de -- Grüne verteidigt Heizungsgesetz: „Die Ampel streitet zu viel“
       
       > Das Heizungsgesetz sei pragmatisch und sozial, meint
       > Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge. Der Bundestag werde es wohl
       > im Juli beschließen.
       
 (IMG) Bild: „Wir bringen Ehrlichkeit in die Debatte“, meint Katharina Dröge
       
       taz: Frau Dröge, wo bleibt der Befreiungsschlag? Die Umfragewerte Ihrer
       Partei gehen in den Keller, die FDP führt die Grünen am Nasenring durch die
       Manege. 
       
       Katharina Dröge: Das teile ich nicht. Wir werden vor dem Sommer eines der
       wichtigsten Gesetze für den Klimaschutz in dieser Legislatur beschließen.
       In den Umfragen stehen wir etwa bei dem Ergebnis der letzten
       Bundestagswahl. Und das nach Wochen harter Debatten, [1][in denen viele
       falsche Behauptungen kursierten und Verunsicherung geschürt wurde],
       besonders von der Union. In der Ampel wird zu viel gestritten. Die Menschen
       wollen eine Regierung, die Probleme löst und nicht auf offener Bühne
       streitet.
       
       Das geplante Gebäudeenergiegesetz, kurz GEG, sieht vor, dass bis 2045 nach
       und nach fossile Heizungen abgeschafft werden. Den Grünen schadet die
       Debatte darüber enorm. Also: Wo bleibt der Befreiungsschlag? 
       
       Es ist wichtig, dass das Gesetz vor dem Sommer beschlossen wird. Dann
       können wir endlich sachlich darüber reden. Die Mehrheit der Menschen ist ja
       für eine Wärmewende. Aber viele sind verunsichert, weil sie nicht wissen,
       was genau auf sie zukommt oder wie sie das finanziell schaffen. Das Gesetz
       ist pragmatisch und sozial. Wir wollen das im Parlament noch stärken. Aber
       solange die heftigen Kampagnen laufen, die darauf abzielen, das Gesetz zu
       verhindern, dringt man mit solchen Themen kaum durch.
       
       Also: Augen zu und durch? 
       
       Wir bringen Ehrlichkeit in die Debatte, das hat sich vorher keiner getraut.
       Die Bundesregierung vor uns hat beschlossen, dass [2][Deutschland bis 2045
       klimaneutral] wird. Sie hat den Menschen aber nicht gesagt, dass deshalb
       eine gerade neu eingebaute Gasheizung nicht so lange laufen kann, wie sie
       halten wird. Und dass Gas und Ölheizungen in Zukunft sehr teuer werden.
       
       Wie konnten die Grünen derart in die Defensive geraten? 
       
       Es war sicher nicht hilfreich, dass der Entwurf für das
       Gebäudeenergiegesetz in der Bild-Zeitung gelandet ist, bevor er fertig war.
       Und der soziale Ausgleich in der Regierung noch nicht geeint war. Die
       Menschen haben einen falschen Eindruck bekommen, was auf sie zukommen
       könnte.
       
       Der Entwurf ist durch die Bild-Zeitung öffentlich geworden, die seit
       Monaten eine Kampagne dagegen führt. Nicht nur die Union, auch Ihr
       Koalitionspartner FDP hat sich der Kampagne angeschlossen. 
       
       Es wäre gut gewesen, wenn sich alle hinter die Beschlüsse, die wir
       gemeinsam getroffen haben, gestellt hätten.
       
       Haben Sie das Verhetzungspotenzial des Gesetzes unterschätzt? 
       
       Wir wussten, dass man gegen ein Gesetz, das wirklich jeden Menschen
       betrifft, Kampagnen machen kann. Aber gibt es eine Alternative dazu? Die
       Dringlichkeit der Klimakrise kann man mittlerweile an der Lebensdauer einer
       Heizung messen. Die hält 30 Jahre. Und so lange haben wir nicht mehr, bis
       wir klimaneutral sein müssen.
       
       Wenn Ihnen das klar war: Warum waren die Grünen so schlecht aufgestellt? 
       
       Wir haben von Anfang erklärt, worum es wirklich geht. Aber wenn die erste
       Öffentlichkeit, die dieses Gesetz erblickt, ein Artikel in der Bild-Zeitung
       mit einer starken Zuspitzung ist, muss man gegen diese Wahrnehmung
       argumentieren.
       
       Sie mussten damit rechnen, dass Dinge durchgestochen werden. 
       
       Bislang war noch kein Gesetz in der Frühkoordinierung durchgestochen
       worden, das also nur an sehr wenige Leute in der Regierung gegangen ist.
       Die Frühkoordinierung dient dazu, die Koalitionspartner zu fragen, ob das
       so passt. Das war bislang eine sehr vertrauliche Runde. Daraus haben wir
       gelernt.
       
       Es gab einen Entwurf, die soziale Abfederung fehlte. Den Grünen haftet das
       Image an, es mit der Sozialpolitik nicht wirklich ernst zu meinen. Das
       haben Sie bestätigt. 
       
       Wir Grünen machen seit Ewigkeiten eine sehr starke Sozialpolitik. Wir sind
       der Motor in den sozialpolitischen Debatten, auch in dieser Bundesregierung
       etwa beim Bürgergeld oder der Kindergrundsicherung. Dabei stehen wir oft
       links von der SPD.
       
       Aber beim Heizungsgesetz hatten Sie nichts. 
       
       Doch. Robert Habeck hat in der Bundesregierung dafür gekämpft, dass wir zu
       einer sozial gestaffelten Förderung kommen.
       
       Die [3][grüne Fraktion musste ein ergänzendes Sozialkonzept] einspeisen. 
       
       Die Bundesregierung hat eine Förderung mit 30 Prozent für alle und 50
       Prozent für geringe Einkommen beschlossen. Wir kämpfen jetzt im Bundestag
       für bis zu 80 Prozent für Menschen mit wenig Geld. Das ist der sozialste
       Weg zu einer Wärmewende. Die Alternative, die jetzt von CDU und FDP
       formuliert wird, die Wärmewende allein über den CO₂-Preis zu regeln, ist
       ungerechter.
       
       Das Signal, das Habeck bei der Vorstellung des GEG gesendet hat, war: Es
       geht den Grünen um das Klima und die Heizungen; es ist nicht so wichtig,
       was das für die Leute bedeutet. 
       
       Nein, überhaupt nicht. Wir Grünen haben von Anfang an angekündigt, dass es
       eine soziale Förderung geben wird. Aber die Details konnten wir erst
       vorstellen, als sie geeint waren. Wenn man seine Ideen unabgestimmt
       öffentlich macht, wird es nachher nur schwerer, sich in der Koalition
       darauf zu verständigen.
       
       Die FDP hatte da den Spin längst gesetzt. Brauchen die Grünen ein Coaching
       in Machtpolitik? 
       
       Es geht doch darum, was man durchsetzt. Nehmen wir das Aus für
       Verbrennerautos. Eine Zeit lang wurde sehr laut über E-Fuels diskutiert.
       Wirklich wichtig war, dass Deutschland am Ende in der EU für das Aus für
       fossile Verbrenner gestimmt hat. Damit haben wir einen riesigen Schritt für
       den Klimaschutz im Verkehrssektor erreicht. So wird es beim
       Gebäudeenergiegesetz auch sein.
       
       Aber hält die Gesellschaft das aus? Die AfD liegt in Umfragen bei 18
       Prozent – auf einer Ebene mit der SPD und über Ihnen. 
       
       Diese aktuellen Umfragewerte für die AfD besorgen mich sehr und sollten für
       alle demokratischen Parteien ein Alarmzeichen sein. Gerade in
       herausfordernden Zeiten erwarten die Menschen, dass die Politik Probleme
       ehrlich benennt und Lösungen erarbeitet. Im vergangenen Jahr hat die CDU
       überall behauptet, es werde Blackouts geben. Aber, wie abzusehen war, ist
       das nicht passiert. Danach wurde die Debatte wieder sachlich und so wird es
       auch beim Gebäudeenergiegesetz passieren.
       
       Die Wärmewende wird 2024 nicht abgeschlossen sein, sie ist ein
       Generationenprojekt. Die verhetzte Stimmung könnte bleiben. 
       
       Es gibt doch jetzt schon ganz viele praktische Beispiele, die zeigen, dass
       es geht. Kommunen, bei denen es super läuft mit der kommunalen
       Wärmeplanung. Die Hälfte der Leute, die neu baut, entscheidet sich schon
       jetzt für die Wärmepumpe, einfach weil es sinnvoll und im Betrieb günstiger
       ist. Halb Europa nutzt diese Technologie. Das wird funktionieren.
       
       Beim GEG klingt der Start dramatisch nah: 2024, das ist nächstes Jahr. Ist
       der Druck nicht zu hoch, wenn Sie die Bevölkerung mitnehmen wollen? 
       
       Das Gesetz enthält sehr viele Übergangsfristen. Wenn meine Heizung
       kaputtgeht, muss ich nicht am nächsten Tag eine klimaneutrale kaufen. Ich
       habe drei Jahre Zeit, mich zu entscheiden. Auf die Fernwärme kann ich sogar
       bis zu 10 Jahre warten, bis ein Anschluss da ist, und so lange zum Beispiel
       mit einer gebrauchten Gasheizung weitermachen. Im Parlament beraten wir
       über weitere pragmatische Lösungen.
       
       Wann kommt das GEG in den Bundestag? 
       
       In der nächsten Sitzungswoche.
       
       Ist das denn schon entschieden? 
       
       Ich denke, das werden wir entscheiden.
       
       Müssen Sie Ihre Politik den Menschen nicht näherbringen, auch jenseits
       Ihrer Kernklientel? 
       
       Das Gesetz ist für alle Menschen. Eckpunkte für das Gesetz sind übrigens
       seit dem Juli vergangenen Jahres öffentlich. Es gab damals einen sehr
       breiten Beteiligungsprozess, um möglichst viele mitzunehmen. Es gab
       Rückmeldungen, die auch eingeflossen sind. Angesichts einer drohenden
       Gaskrise durch Russland war aber auch vielen klar, dass das Gesetz sehr
       sinnvoll ist.
       
       Aber die Lage hat sich geändert. Überschätzen Sie die Zustimmung für Ihre
       Klimapolitik – und unterschätzen, wie groß die Abwehr ist, wenn es konkret
       wird? 
       
       Grundsätzlich gibt es eine hohe gesellschaftliche Zustimmung für
       Klimaschutz.
       
       Wenn es abstrakt ist. 
       
       Einzelne Maßnahmen, die zu Klimaschutz führen, werden oft kritischer
       bewertet. Aber da sind alle in der Verantwortung, hierfür zu werben. Und
       bislang beschränken sich die anderen Parteien oft darauf, alle Vorschläge,
       die zu mehr Klimaschutz führen, kaputt zu reden, ohne eigene Vorschläge zu
       machen.
       
       Das mag ja stimmen, aber müssen Sie das in Ihrer Kommunikationsstrategie
       nicht berücksichtigen? 
       
       Am Ende muss man Friedrich Merz und der Union eine Frage stellen: Wer alles
       ablehnt, ohne eigene Ideen zu haben, der will am Ende keinen Klimaschutz.
       Und dann müssen sie das auch zugeben, dass ihnen die Klimaziele egal sind.
       Dann führen wir eine andere Debatte.
       
       Sie haben der FDP Arbeitsverweigerung vorgeworfen, Ihre Co-Vorsitzende hat
       gesagt, Christian Lindner sei kein ehrlicher Kaufmann mehr. Wie soll das
       noch gut zwei Jahre weitergehen? 
       
       Es war wichtig, an Verlässlichkeit zu erinnern, weil schriftlich getroffene
       Vereinbarungen nicht eingehalten worden sind. Das ist ein Problem für
       unsere Arbeitsgrundlage. Aber wir haben danach natürlich auch viel
       miteinander gesprochen. Ich bin überzeugt, dass alle Interesse daran haben,
       wieder zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zu kommen. Und dann werden wir
       das Gebäudeenergiegesetz gemeinsam beschließen.
       
       4 Jun 2023
       
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