# taz.de -- Deutsch-chinesische Konsultationen: Netter Empfang für den Rivalen
       
       > Seit den Konsultationen 2018 hat sich das Verhältnis zu China abgekühlt.
       > Deutschland will unabhängiger werden. Doch es fehlt eine Strategie.
       
 (IMG) Bild: Bundespräsident Steinmeier empfängt Li Qiang, Ministerpräsident von China, im Schloss Bellevue
       
       BERLIN/PEKING taz | Am frühen Montagmorgen stieg Li Qiang in Berlin aus der
       Regierungsmaschine. Und während nur wenige Stunden zuvor in Peking
       [1][US-Außenminister Anthony Blinken] eher frostig empfangen wurde, rollte
       die Bundesregierung dem chinesischen Premier einen roten Teppich aus.
       
       Am Dienstag werden die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen
       fortgesetzt. Was sich die Volksrepublik davon verspricht, ließ Li Qiang –
       formeller Regierungschef und traditionell für die Wirtschaft zuständig – in
       einer Stellungnahme ausrichten: „Kooperationspotenziale gemeinsam
       ausschöpfen, Unterschiede und Differenzen angemessen angehen und unsere
       umfassende strategische Partnerschaft inhaltlich bereichern.“
       
       Doch seit dem letzten Besuch der Chinesen haben sich die geopolitischen
       Verhältnisse deutlich gewandelt. Insbesondere d[2][er russische Krieg gegen
       die Ukraine] hat in Berlin für ein gesteigertes Problembewusstsein
       gegenüber kritischen Abhängigkeiten von autoritären Regimen gesorgt.
       
       Das Wort „Entkopplung“ will in Berlin niemand in den Mund nehmen, eine
       systematische „Risikominderung“ hingegen wird offen angestrebt: Bei der
       kritischen Infrastruktur möchte Deutschland unabhängiger von der
       Volksrepublik werden.
       
       ## Bei der Umsetzung fallen die Vorstellungen auseinander
       
       Prinzipiell wird das Konzept auch [3][von den deutschen Unternehmen in
       China] gutgeheißen. Doch bei der Umsetzung dürften die Vorstellungen
       auseinanderfallen. Viele der Automobilproduzenten, allen voran Volkswagen,
       verkaufen bereits vier von zehn Neuwagen in China. Und der Ludwigshafener
       Chemieriese BASF errichtet dort derzeit eine riesige Produktionsanlage für
       10 Milliarden Euro. Für sie gibt es keine Alternative zum chinesischen
       Markt.
       
       „Grundsätzlich ist es gut, wieder miteinander zu reden und die Beziehungen
       zu strukturieren“, sagt Jens Hildebrandt von der deutschen
       Außenhandelskammer in Peking. Rein taktisch ist der Zeitpunkt für die
       deutsche Seite ein günstiger.
       
       China steht wirtschaftlich wie geopolitisch massiv unter Druck: Die
       Jugendarbeitslosigkeit befindet sich auf einem Rekordhoch, die
       wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie läuft schleppend. International
       hat die Regierung mit massiven Tech-Sanktionen durch die USA zu kämpfen.
       
       ## Charmeoffensive gen Europa
       
       All dies hat dazu geführt, dass China derzeit eine Charmeoffensive in Bezug
       auf Europa fährt, das man weiterhin als Absatzmarkt und Investor halten
       möchte. Und als wichtigster Partner innerhalb der EU wird Deutschland
       betrachtet.
       
       Doch die schmeichelnde Rhetorik sollte die Bundesregierung nicht blenden:
       China hat sich unter Xi Jinping massiv gewandelt. Es ist nicht nur
       innenpolitisch repressiver geworden, sondern hat auch seinen
       wirtschaftlichen Reformkurs weitestgehend gestoppt. Ein business as usual
       wie früher kann es also nicht mehr geben.
       
       Pekings zunehmend aggressiv empfundenes internationales Auftreten, seine
       zunehmenden militärischen Drohungen gegenüber Taiwan, die Ausschaltung der
       Hongkonger Demokratiebewegung und verstärkte Eingriffe in die Wirtschaft
       haben die Stimmung in Deutschland gegenüber der Volksrepublik stark
       getrübt. Von „Wandel durch Handel“ spricht niemand mehr. Doch sei es jetzt
       der richtige Zeitpunkt für Dialog, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)
       vergangene Woche, „und auch natürlich eine Weltlage, in der es besonderen
       Sinn macht, sich miteinander auszutauschen“.
       
       Die Bundesregierung gibt sich dabei zweckoptimistisch und erwartet laut
       ihrem stellvertretenden Regierungssprecher Wolfgang Büchner einen „guten
       und produktiven Austausch“. Der findet unter dem Motto „Gemeinsam
       nachhaltig handeln“ statt. Das soll den Aspekt der Partnerschaft im
       Verhältnis zu China betonen, das Berlin mantraartig als „Partner,
       Wettbewerber und strategischer Rivale“ charakterisiert.
       
       Doch hat sich die Gewichtung in letzter Zeit immer stärker in Richtung
       strategischer Rivalität verschoben. Dies zeigte auch die am Mittwoch in
       Berlin vorgestellte Nationale Sicherheitsstrategie. Die betont, dass China
       „immer wieder im Widerspruch zu unseren Interessen und Werten“ handelt.
       Zugleich sind die Bereiche, bei denen eine Partnerschaft überhaupt noch
       realistisch erscheint, kleiner geworden.
       
       ## Ein anderes China
       
       „Wir haben es heute mit einem anderen China zu tun. Xi Jinping hat mit der
       Reformära gebrochen“, sagt Bernhard Bartsch vom Berliner
       Chinaforschungsinstitut Merics zur Politik von Chinas Staats- und
       Parteichef. „China ist heute weniger stabil und weniger berechenbar.“ Nach
       außen vertrete Peking noch das Narrativ von wirtschaftsliberaler Reform und
       Öffnung, doch im Inneren herrschten eine starke soziale und politische
       Kontrolle sowie wirtschaftlicher Dirigismus.
       
       Aus den Erfahrungen mit Russland setzt die Bundesregierung gegenüber der
       noch größeren Abhängigkeit Deutschlands von China auf das Motto
       „De-Risking“. Das meint den Abbau von Risiken und Abhängigkeiten, sollte
       etwa Peking seine Drohungen wahr machen und Taiwan angreifen. Doch ist für
       manche deutsche Konzerne und Firmen die Abhängigkeit vom chinesischen Markt
       und Produktionsstandort eben so groß, dass sie allenfalls langfristig
       umsteuern können.
       
       Die deutsche Chinapolitik wird noch dadurch erschwert, dass sich die
       Ampelregierung gegenüber Peking uneinig ist. FDP und Grüne vertreten eine
       deutliche Chinakritik und betonen stärker europäische Werte und Interessen,
       während die SPD versöhnlicher auftritt. So gibt es als Ergebnis immer noch
       nicht die längst angekündigte Chinastrategie der Bundesregierung. Nach
       einem ersten Treffen mit Scholz am Montagabend trifft Li am Dienstag in
       München den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und den BMW-Chef.
       
       19 Jun 2023
       
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