# taz.de -- Erster AfD-Landrat Deutschlands: Der Einfluss des Robert Sesselmann
       
       > Die Gestaltungsräume für den AfD-Landrat in Sonneberg sind eng.
       > Amtskollegen in Thüringen kündigen an, mit ihm zusammenarbeiten zu
       > wollen.
       
 (IMG) Bild: Robert Sesselmann, erster AFD-Landrat nach seinem Sieg in Sonneberg
       
       Die erste Umarmung nach dem Wahlsieg galt dem Rechtsextremisten [1][Björn
       Höcke], mit dem er im Wahlkampf zusammen auftrat und dem er offensichtlich
       wie der gesamte Thüringer Landesverband loyal ergeben ist. Der erste
       designierte AfD-Landrat Robert Sesselmann im thüringischen Landkreis
       Sonneberg, 50 Jahre, Brille mit dünnem Rand, ist für die AfD ein
       symbolischer Erfolg auf dem Weg zur Normalisierung. Die extrem rechte
       Partei überhöht den Wahlsieg allerdings auch zu einer „Zeitenwende“ – und
       hofft nun auf einen braunen Dominoeffekt. Angetreten ist Sesselmann
       hingegen mit Hetze gegen Geflüchtete, Euro-Austritt und gegen das
       Heizungsgesetz.
       
       Tatsächlich aber sind Sesselmanns Einflussmöglichkeiten als Landrat
       begrenzt. Er muss die Gesetze des Landes, des Bundes und die Beschlüsse des
       Kreistags in Sonneberg umsetzen. Eine Mehrheit hat die AfD dort nicht.
       Jedenfalls bis zu den Kommunalwahlen 2024 sind die CDU und ein grün-linker
       Zusammenschluss mit je 10 Abgeordneten die stärksten Fraktionen. Die AfD
       stellt 9 Abgeordnete.
       
       Werner Henning, Deutschlands ältester amtierender Landrat aus dem
       [2][thüringischen Eichsfeld] und CDU-Mitglied, sagte der taz: „Es ist
       erschreckend, wie sehr sich der neue Landrat aufs Parteipolitische
       konzentriert. Er bedient in der Bevölkerung die Illusion, dass er die Welt
       aus den Angeln heben könnte. Das ist grober Unfug!“ Zudem sei es schier
       unerträglich, wenn die Parteispitze der AfD sich mit „aggressivem
       Auftreten“ einmische und bei der Wahlparty Statements abgebe.
       
       Die Zusammenarbeit mit dem AfD-Landrat werde er dennoch nicht verweigern,
       sagt Henning. Erstmals werde er ihn bei der nächsten Landrätekonferenz zum
       Thema kommunaler Finanzausgleich treffen. Henning werde ihm zur Wahl
       gratulieren, aber auch sagen: „Orientieren Sie sich an Recht und Gesetz,
       Sie haben in ihrem Amt keine parteipolitische Freiheit, und wenn Sie
       meinen, diese umzusetzen zu können, ist es nichts anderes als Populismus.“
       Wenn Sesselmann seine Kompetenzen überschreite, bekomme er Probleme mit der
       Rechtsaufsicht. Tatsächlich kann das Land Thüringen Zwangs- oder
       Strafmaßnahmen verhängen von Geldbußen bis Entlassung, wenn Sesselmann sich
       etwa bei der Flüchtlingsunterbringung verweigert.
       
       ## Blockade nicht immer möglich
       
       Uwe Schlammer, Vorsitzender der gemeinsamen Fraktion von Linken und Grünen
       im Kreistag Sonneberg, klingt am Tag nach der Wahl noch verstört: „Es zehrt
       noch immer an meinen Magenwänden, dass über 50 Prozent einem Freund des
       Faschisten Höcke ihre Stimme gegeben haben“, sagt Schlammer.
       
       Schon jetzt sei für ihn klar, dass der Kreistag dem AfD-Landrat Grenzen
       aufzeigen müsse: „Wir müssen wachsam sein, wenn er versucht, Spielräume zu
       nutzen, um etwa die Demokratieförderung zusammenzustreichen oder [3][nur
       noch Sachleistungen] für Geflüchtete auszugeben“, so Schlammer. Bei
       bestimmten Sachthemen könne man aber auch nicht gegen alles stimmen, was
       er einbringe, so Schlammer. Aber wenn er versuche, AfD-Themen
       durchzubringen, werde der Kreistag das blockieren.
       
       Auch für die Unterbringung von Flüchtlingen müsse der AfD-Landrat sorgen,
       sagt Schlammer: „Auch da sehe ich nicht so viel Spielraum, und die
       Gesamtkosten werden ohnehin vom Bund erstattet. Die AfD behauptet zwar
       immer, dass der Kreis horrende Mittel dafür ausgebe, das stimmt aber
       nicht.“ Anders sei es bei seiner Rolle als Chef der Verwaltung von
       Hunderten Angestellten: „Der Landrat hat in der Personalpolitik einen
       großen Spielraum“ – er kann also über Beförderungen und Stellenbesetzungen
       entscheiden.
       
       Auch wichtig dürfte seine Funktion als Repräsentant des Landkreises sein.
       Er soll den Landkreis nach außen und innen vertreten. Eine Aufgabe, die für
       den rechten Kulturkampf der AfD maßgeschneidert ist – unabhängig von den
       tatsächlichen Kompetenzen.
       
       Laut Rechtsextremismusforscher David Begrich stelle sich die Frage, wie man
       mit der exekutiven Normalisierung der AfD umgehen solle: „Die Landräte
       sollten sorgfältig unterscheiden zwischen notwendiger Interaktion und
       politischer Kooperation.“ Denn klar sei auch, dass Landräte eine
       gesellschaftspolitische Gestaltungsmacht hätten bei Fragen von Soziokultur,
       Gleichstellung und dem Umgang mit Migranten.
       
       26 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
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