# taz.de -- Öffentlich-Rechtliche in der Schweiz: Kuscheln mit rechts
       
       > Das öffentlich-rechtliche Schweizer Fernsehen SRF bietet
       > Rechtspopulist:innen und ihren Ansichten eine große Plattform.
       > Warum?
       
 (IMG) Bild: Unterschriftensammler gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk: SVP-Parlamentarier Thomas Matter
       
       Kurz vor den Sommerferien hat sich das Schweizer Fernsehen (SRF) noch
       einmal einen wahren Universalexperten ins Programm geholt. Reiner
       Eichenberger, Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an
       der Uni Fribourg, durfte im „Eco Talk“ fordern, Zuwander:innen müssten
       5.000 Franken (5.106 Euro) jährlich bezahlen, damit sie in der Schweiz
       bleiben dürften. Eichenberger hat auch schon behauptet, Autofahren sei
       umweltfreundlicher als Fahrradfahren, weil Fahrradfahrer:innen mehr
       Kalorien verbrauchen würden und über die dafür nötige Ernährung auch mehr
       CO2 generierten. Und er fand, die Klimaerhitzung sei doch alles in allem
       recht angenehm: „Nur wenige wünschen, dass es wieder 2,1 Grad kälter wird.“
       Der Professor ist ein Provokateur. Und gerade deshalb Stammgast im
       öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehen.
       
       Reiner Eichenberger passt ins Bild, das das SRF vor allem in seinen
       wichtigen Gesprächsformaten derzeit abgibt. Dort ist die
       rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP), die größte Partei des
       Landes, mit ihren Themen, ihren Narrativen und ihrem Personal dauerpräsent.
       [1][Als vor der griechischen Insel Pylos kürzlich ein Schiff mit 500
       Geflüchteten sank], verhandelte die wichtigste Politsendung des SRF, dir
       „Arena“, nicht etwa diese Tode, sondern ob es in der Schweiz ein „Asylchaos
       mit Ansage“ gebe.
       
       In der Diskussionssendung „Club“, wo eigentlich gesellschaftliche Fragen in
       der gebotenen Differenziertheit besprochen werden, durften sich unlängst
       gleich drei Politiker:innen der SVP über das Klimaschutzgesetz
       auslassen, das kurz darauf zur Abstimmung stand. Ihnen gegenübergestellt
       waren drei Stimmen für das Klimaschutzgesetz, die aber alle aus
       unterschiedlichen Parteien kamen. Bei drei Parteien für das Gesetz und
       einer dagegen also eine False Balance. Der Sender rechtfertigte sich mit
       besonders strengen internen Richtlinien bezüglich Ausgewogenheit
       unmittelbar vor Volksabstimmungen. Doch der Verdacht bleibt: Das Schweizer
       Fernsehen schmiegt sich an die SVP an.
       
       ## Politischer Druck
       
       Erklärbar wäre dieser Schmusekurs allemal. Denn der Druck von rechts außen
       auf Sender und Programm ist seit Langem beträchtlich. SVP-Nationalrat Roger
       Köppel, der gleichzeitig Chefredakteur und Verleger der Wochenzeitung Die
       Weltwoche ist, forderte schon vor einigen Jahren mit abstoßender
       Terminologie [2][„die vollständige Liquidierung der öffentlich-rechtlichen
       Medienanstalten“].
       
       Mittlerweile ist die Lage in der Schweiz noch ungemütlicher geworden: Ende
       Juni verkündete der Zürcher SVP-Parlamentarier und Banker Thomas Matter,
       dass sein Komitee die nötigen 100.000 Unterschriften gesammelt habe, damit
       die Schweizer Stimmbevölkerung voraussichtlich 2026 über eine deutliche
       Reduktion der sogenannten Medienabgabe abstimmen kann. Die
       Rundfunkgebühren, die jede:r entrichten muss, würden damit von 335 auf 200
       Franken jährlich gesenkt (also von etwa 340 auf etwa mehr als 200 Euro).
       Stützten 2018 noch 70 Prozent der Abstimmenden das SRF bei der ähnlich
       ausgestalteten, wenn auch radikaleren „No Billag“-Initiative, könnte die
       Abstimmung dieses Mal deutlich knapper ausgehen.
       
       Auch der derzeitige Medienminister Albert Rösti (SVP) warb bis zu seiner
       Wahl in die Regierung im Dezember 2022 intensiv für die sogenannte
       „Halbierungsinitiative“. Support für die Forderung gibt es aus dem
       Mitte-rechts-Spektrum und von privaten Verleger:innen. Eine
       brandgefährliche Mischung.
       
       ## Umgang in den Redaktionen
       
       Zudem wirkt die SVP nach Kräften auf den laufenden Fernsehbetrieb ein.
       SRF-Journalist:innen erzählen taz und WOZ, wie sie nach kritischen
       Beiträgen, die den Rechtspopulist:innen nicht gefallen, mit
       mehrseitigen Beschwerden von der SVP und deren Mitgliedern eingedeckt
       werden. Sie schildern, wie in den Redaktionen sofort große Nervosität
       aufkomme, wenn über politische sensible Themen berichtet werden soll. Sie
       nennen ein unsichtbares Korsett, in dem sie feststeckten. Die Chefredaktion
       erklärt dazu auf Anfrage, man sei „Druckversuche aus allen politischen
       Lagern gewohnt“. Das mag sein. Doch derart hemmungslos scheint nur die SVP
       zu operieren.
       
       Das Motiv dafür ist schnell gefunden: Vor allem in den konservativen
       ländlichen Gebieten ist das öffentliche Fernsehen noch immer wichtige
       Informationsquelle. Wenn auf dem Bildschirm Klimakleber:innen
       skandalisiert werden statt die Klimakatastrophe, profitieren die Rechten.
       
       Bisher haben sich die linken Parteien, die progressiven Kräfte, treu hinter
       dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio versammelt. Ein bisschen
       linker Gegendruck, hört man in den Redaktionen, wäre vielleicht gar nicht
       schlecht.
       
       3 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Nach-Bootsunglueck-vor-griechischer-Kueste/!5938713
 (DIR) [2] https://www.spiegel.de/kultur/tv/schweiz-no-billag-volksabstimmung-ueber-den-oeffentlich-rechtlichen-rundfunk-a-1194160.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Renato Beck
       
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