# taz.de -- Entwaldung für Sojaanbau in Brasilien: Dann holzt die Firma eben woanders
       
       > Statt im Amazonas-Regenwald wird in der Cerrado-Savanne gerodet. Die Spur
       > der Zerstörung soll bis nach Deutschland führen.
       
 (IMG) Bild: Landschaft an der Grenze zwischen Amazonienh und Cerrado, Brasilien, 28.07.2021
       
       BERLIN taz | Anfang Juni machte eine hoffnungsvolle Nachricht die Runde:
       Die [1][Abholzung im Amazonas-Regenwald nimmt ab.] Stolze 31 Prozent
       weniger Waldfläche wurde seit Anfang des Jahres abgeholzt. Allerdings: Im
       gleichen Zeitraum stieg die Entwaldung in der zentralbrasilianischen
       Savanne Cerrado stark an. Zwischen Januar und Mai 2023 wurden dort 353.200
       Hektar Wald zerstört – das ist der höchste Wert der letzten fünf Jahre.
       Allein im Mai 2023 waren die Entwaldungsmeldungen im Cerrado um 83 Prozent
       höher als im Vorjahr.
       
       Eine am Montag vorgestellte [2][Studie der Deutschen Umwelthilfe und der
       US-amerikanischen Umweltschutzorganisation Mighty Earth] zeigt: Die Spur
       der Zerstörung im Cerrado führt auch nach Deutschland. Anhand von
       Satellitenbildern und Rechnungen identifizierten die Autor*innen
       Soja-Lieferanten, die für die Abholzung, Brandrodung und Zerstörung von
       11.351 Hektar Land nach 2021 verantwortlich seien sollen.
       
       Der Cerrado ist die artenreichste Savanne der Welt, erstreckt sich über
       mehrere brasilianische Bundesstaaten und ist mit mehr als 200 Millionen
       Hektar so groß wie Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien und das
       Vereinigte Königreich zusammen. Über Boden und Wurzelsysteme speichert der
       „umgedrehte Wald“ rund 137 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Die Hälfte der
       Cerrado ist bereits entwaldet und wurde in landwirtschaftliche Nutzflächen
       und Weideland umgewandelt, vor allem für den Soja-Anbau.
       
       Mehr als 50 Prozent der brasilianischen Sojaanbauflächen befinden sich im
       Cerrado. Soja kommt vor allem als Futtermittel in der Tierproduktion zum
       Einsatz, ein Großteil des brasilianischen Sojas geht ins Ausland. Die
       weltweit steigende Nachfrage nach Fleisch begünstigt den Soja-Boom in
       Brasilien, [3][die Folgen sind oft verheerend: Umweltverschmutzung,
       Landraub, Konflikte mit indigenen Gemeinden].
       
       ## Wer ist der Zerstörer?
       
       Ein Konzern steht in der Studie im Fokus: Bunge. Der US-Konzern mit einem
       Jahresumsatz von 67 Milliarden US-Dollar soll für die Zerstörung von 15.897
       Fußballfeldern in der Cerrado-Savanne direkt verantwortlich sein. „Bunge
       kann ohne Weiteres als der Sojahändler mit dem größten Entwaldungsrisiko im
       Cerrado gelten“, heißt es in der Studie.
       
       Der Konzern hatte eigentlich verkündet, seine Lieferketten bis 2025
       entwaldungsfrei zu gestalten, und erklärt, kein Getreide aus Gebieten mit
       illegaler Abholzung zu beziehen. Die Studie wirft Bunge jedoch vor, die
       eigenen Ziele zu verfehlen und auch im Zeitraum zwischen April 2022 bis
       März 2023 Soja von mindestens zwei Farmen im Cerrado bezogen zu haben, die
       in Verbindung mit illegaler Abholzung stehen.
       
       Für Bunge ist die EU der wichtigste Markt. Im Jahr 2022 erzielte das
       Unternehmen dort 39 Prozent des Umsatzes, vor allem in die Niederlande,
       Spanien, Frankreich und Deutschland.
       
       ## Naturzerstörung in der Lieferkette
       
       Viele Firmen hier werben mittlerweile mit zertifiziertem entwaldungs- und
       gentechnikfreien Fleisch. Allerdings, so zeigt die Recherche, verwenden
       viele weiterhin offenbar Soja von Bunge als Tierfutter für die Produktion
       von Rind-, Schweine-, Geflügel- und Milchprodukten.
       
       Nur 3 von 50 befragten deutschen Unternehmen aus dem
       Lebensmitteleinzelhandel, der Fleischverarbeitung und Systemgastronomie
       konnten ausschließen, dass sie Futtermittel von Bunge beziehen. „Es ist ein
       Skandal, dass deutsche Unternehmen wie Rothkötter, Tönnies und Edeka nicht
       ausschließen können, dass ihre Lieferketten zu Naturzerstörung führen“,
       sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen
       Umwelthilfe. „Diese Unternehmen müssen alle Geschäftsbeziehungen zu
       Zulieferern einstellen, die Entwaldung in ihren Lieferketten nicht
       ausschließen können.“
       
       Der EU-Rat verabschiedete im Mai 2023 die europäische Entwaldungsverordnung
       (EUDR). Unternehmen, die mit bestimmten Rohstoffen handeln, müssen
       nachweisen, dass ihre landwirtschaftlichen Erzeugnisse nicht zur Entwaldung
       beitragen, bevor sie Zugang zum EU-Markt bekommen.
       
       Allerdings fällt der Cerrado – im Gegensatz zum Amazonas-Regenwald – nicht
       in den Gestaltungsbereich der EUDR. Laut der Studie bestehe dadurch die
       Gefahr eines gefährlichen Spillover-Effekts. Die Autor*innen schreiben:
       „So könnten einige Sojalieferanten für die Fleisch- und Milchindustrie der
       EU diese Gesetzeslücke als Gelegenheit nutzen, die Produktion in diesen
       ungeschützten Gebieten zu intensivieren, um die EU-Vorschriften zu umgehen
       und damit in der Folge den landwirtschaftlichen Druck auf das Biom
       erhöhen.“
       
       26 Jun 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Bedrohter-Regenwald-in-Brasilien/!5939443
 (DIR) [2] https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/entwaldung-verlagert-sich-von-amazonien-in-brasilianische-savanne-neue-recherche-der-deutschen-umwe/
 (DIR) [3] /Landkonflikt-in-Brasilien/!5693741
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Niklas Franzen
       
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