# taz.de -- Erster AfD-Bürgermeister: Raguhn-Jeßnitz wählt braun
       
       > Eine Woche nach dem ersten AfD-Landrat folgt in Sachsen-Anhalt der erste
       > hauptamtliche Bürgermeister. Der AfD-Kandidat Loth holt 51,5 Prozent.
       
 (IMG) Bild: 51,5 Prozent für die rechtsextreme AfD: Raguhn-Jeßnitz wählt Hannes Loth zum Bürgermeister
       
       BERLIN taz | Mit 107 Stimmen Vorsprung hat die AfD eine Stichwahl in der
       Gemeinde Raguhn-Jeßnitz gewonnen. Mit Hannes Loth stellt die in
       Sachsen-Anhalt als besonders radikal geltende AfD erstmals einen
       hauptamtlichen Bürgermeister. Laut [1][vorläufigem Endergebnis] hat sich
       ihr Kandidat mit 51,1 Prozent gegen den parteilosen Nils Naumann
       durchgesetzt, der auf 48,9 Prozent kam. Rund 7.800 Menschen waren
       wahlberechtigt, die Wahlbeteiligung lag bei 61,5 Prozent.
       
       Der 42-jährige Loth hat vor Ort [2][verschwörungsideologische
       Coronaproteste] organisiert, gleichzeitig aber an einem Testzentrum
       verdient. Ähnlich wie bei der Landratswahl im thüringischen Sonneberg eine
       Woche zuvor kommt die AfD auf dieses Ergebnis, nachdem rechte Narrative von
       Parteien wie der CDU normalisiert wurden. So forderte ein
       Unionsabgeordneter aus der Region schon 2019 wörtlich, [3][„das Nationale
       mit dem Sozialen zu versöhnen“]. Koalitionen mit der AfD solle man nicht
       generell ausschließen, forderten gleich mehrere CDU-Funktionäre damals.
       
       Die Einheitsgemeinde Raguhn-Jeßnitz ist [4][für die AfD schon länger eine
       Hochburg], bei der Landtagswahl 2016 kam sie hier auf 34 Prozent. Bei der
       Landratswahl 2021 in Anhalt-Bitterfeld unterlag sie der CDU deutlich, hier
       waren 130.000 Menschen wahlberechtigt. In Raguhn gibt es seit acht Jahren
       rechte Demos – erst gegen Merkels Flüchtlingspolitik, dann wegen Corona und
       schließlich gegen die Unterstützung der Ukraine.
       
       ## Hitlergruß bei AfD-Demo
       
       Loth war fester Teil der Proteste und wurde für die AfD bereits 2016 und
       2021 in den anhaltischen Landtag gewählt. Als Landwirt war er
       agrarpolitischer Sprecher. Im Landesvorstand ist er Beisitzer. Loth
       inszeniert sich als regionaler Kümmerer: So stellte er im Wahlkampf
       kommunale Themen in den Vordergrund. Ebenso hetzte er ausdauernd [5][gegen
       Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine]. Überregional wurde er von der AfD erst
       kurz vor der Stichwahl unterstützt.
       
       Wie in Thüringen gilt der AfD-Landesverband in Sachsen-Anhalt als besonders
       radikal. Mitte Februar rief etwa der Vize-Landesvorsitzende Hans-Thomas
       Tillschneider auf einer „Friedensdemo“ in Magdeburg zum „Krieg gegen die
       Bundesregierung“ auf. Letztes Wochenende besuchte der AfD-Co-Vorsitzende
       Tino Chrupalla Raguhn-Jeßnitz und redete bei einer Demo in Magdeburg,
       [6][bei der es auch zu einem Hitlergruß kam].
       
       Die Linken-Landesvorsitzende Janina Böttger nannte die Wahl der
       rechtsradikalen AfD „beunruhigend“, der Grünen-Landeschef „massiv
       enttäuschend“. Die lokale CDU machte indes mal wieder das
       Protestwahl-Narrativ stark und suchte die Verantwortung bei der
       Bundesregierung.
       
       Schon vor einer Woche sorgte die erste Wahl eines AfD-Landrats im
       thüringischen Sonneberg für internationale Schlagzeilen. Der dort gewählte
       Robert Sesselmann hat mittlerweile die Wahl angenommen und sein Amt
       angetreten. Dort läuft allerdings noch ein Verfahren der Rechtsaufsicht,
       die dessen Demokratietauglichkeit auf Basis des Kommunalwahlgesetzes
       überprüft.
       
       Die AfD hofft schon lange auf einen Erfolg bei einer kommunalen Stichwahl
       und setzt dafür auch bei kleineren Wahlen große Mittel und Parteiprominenz
       ein. Sie will sich mit Blick auf die Landtagswahlen 2024 in Sachsen,
       Thüringen und Brandenburg über exekutive Ämter strategisch normalisieren
       und die Brandmauer einreißen.
       
       ## Keine Protestwahl
       
       Der Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, warnte
       davor, [7][die Wahl der AfD als Protestwahl zu verharmlosen]. Die AfD sei
       ein erfolgreiches Radikalisierungskollektiv, das für menschenfeindliche
       Positionen stünde. In Teilen der Gesellschaft seien diese Positionen
       etabliert. Er forderte mehr demokratisches Engagement und politische
       Bildung in Schulen. In der letzten Woche hatte bereits eine [8][Studie zu
       autoritären Einstellungen in Ostdeutschland] nahegelegt, dass eine AfD-Wahl
       vor allem mit lange verbreiteten rassistischen und autoritären
       Einstellungen einhergeht.
       
       Wohl auch deshalb plädierte der Politikwissenschaftler Pascal Begrich,
       Geschäftsführer des Vereins „Miteinander – Netzwerk für Demokratie und
       Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt“, für die Stärkung und Förderung
       derjenigen, die sich der AfD entgegenstellen und nicht rechtsextrem wählen
       – und nicht erneut eine Debatte, welche die AfD-Wählenden in den Fokus
       stellt. Er schrieb nach der Wahl: „Knapp 50 Prozent haben nicht AfD
       gewählt, 75 Prozent würden bei Landtagswahlen in Ostdeutschland nicht AfD
       wählen. Mit ihnen ist demokratischer Staat zu machen und mit dem
       zivilgesellschaftlichen Engagement für eine offene Gesellschaft vor Ort.“
       
       Als hauptamtlicher Bürgermeister ist Loth Verwaltungsbeamter auf Zeit und
       kann auch wieder abgewählt werden. Er ist Chef der Verwaltung und
       Vorsitzender des Stadtrats und repräsentiert die Gemeinde nach außen. Er
       hat Spielräume bei der Personalführung, muss aber Ratsbeschlüsse umsetzen.
       Im Stadtrat von Raguhn-Jeßnitz stellt die AfD vier von 19 Abgeordneten. In
       Sachsen-Anhalt werden Bürgermeister für sieben Jahre gewählt.
       
       Für das Bürgermeisteramt muss Loth sein Landtagsmandat niederlegen. Erster
       Nachrücker für den Landtag ist Christian Mertens, Landeschef der als
       gesichert rechtsextrem eingestuften AfD-Jugendorganisation Jungen
       Alternative.
       
       3 Jul 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.raguhn-jessnitz.de/de/aktuelles/stichwahl-um-das-amt-des-buergermeisters-am-02072023-vorlaeufige-wahlergebnisse.html
 (DIR) [2] https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/dessau/bitterfeld/buegermeister-raguhn-jessnitz-loth-afd-102.html
 (DIR) [3] https://www.sueddeutsche.de/politik/das-soziale-mit-dem-nationalen-versoehnen-cdu-afd-koalition-sachsen-anhalt-1.4492528
 (DIR) [4] https://www.rnd.de/politik/afd-im-aufwind-sonntag-koennte-die-partei-buergermeisteramt-in-bitterfeld-erobern-4S4ZMRHU6BBHVBL2OT6JOQWLJY.html
 (DIR) [5] https://twitter.com/Berg_Oetzi/status/1675729546828476416
 (DIR) [6] https://twitter.com/akm0803/status/1675597265749045249
 (DIR) [7] https://www.rnd.de/politik/afd-wahl-aus-protest-das-sagt-der-praesident-der-bpb-zu-sonneberg-TN7ORCHWYNGCBIJJR6AWVBJAPQ.html
 (DIR) [8] /Rechtsextremismus-in-Ostdeutschland/!5943942
       
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 (DIR) Gareth Joswig
       
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