# taz.de -- Spanischer Experte über rechte Medien: „Es droht das Ende der Vielfalt“
       
       > Private TV-Sender in Spanien haben rechtes Wording übernommen, sagt Paco
       > Audije. Es werde sich mehr ändern, wenn PP und VOX bei der anstehenden
       > Wahl gewinnen.
       
 (IMG) Bild: Bei einer Wahlkampfveranstaltung der rechten Partei Vox in Andalusien im Juli 2023
       
       taz: Señor Audije, die Rechte in Spanien hat die [1][Linkskoalition unter
       Pedro Sánchez] nie akzeptiert. Sie sei „illegitim“, eine
       „Frankensteinregierung“, die sich auf die „Feinde der Nation“ stützt –
       jetzt gehe es darum, diesen „Sanchismus“ zu besiegen, heißt das Motto im
       Wahlkampf zu den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag. Sánchez kritisiert
       immer wieder die Medien, diese Propaganda mitzutragen. Ist dem so? 
       
       Paco Audije: Die privaten Fernsehsender haben in diesem Prozess eine sehr
       wichtige Rolle gespielt. Sie haben von Anfang an den ideologischen Rahmen
       der Rechten akzeptiert. Sie haben die Schlagworte der Rechten in ihren
       Debattensendungen und in den Morgenprogrammen übernommen und ständig
       wiederholt. Das geht so weit, dass sie Sánchez vorwerfen, mit der [2][ETA]
       zusammenzuarbeiten, einer bewaffneten Separatistenorganisation, die sich
       vor 12 Jahren auflöste. Das klingt absurd, aber diese Vorwürfe haben ihren
       Einfluss in einem breiten Teil der Bevölkerung. Denn die großen Medien
       Spaniens gehören zwei Konzernen, Mediaset der Familie Berlusconi und
       Atresmedia. Sie dominieren die Fernsehlandschaft.
       
       Die Rechte hat die spanische TV-Landschaft also fest in der Hand? 
       
       Es sind zwei mächtige, sehr konservative Medienimperien. Der Sender mit der
       höchsten Einschaltquote ist TeleCinco, die spanische Kopie des ursprünglich
       italienischen Tele 5; ein Sender, der in der Form von
       Unterhaltungssendungen politische Botschaften verbreitet.
       
       Die von rechts geschaffenen Streitthemen haben den kompletten Wahlkampf bei
       den Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai bestimmt und jetzt angesichts der
       Parlamentswahlen versucht die Rechte erneut damit die Debatte zu
       dominieren. 
       
       Ja, die Regierung tut sich schwer, für die eigene Politik zu werben. Es ist
       kaum möglich, über soziale Errungenschaften trotz Covid- und Ukraine-Krise
       zu reden. Darüber, dass die spanische Wirtschaft im europäischen Vergleich
       sehr gut abschneidet. Oder dass die Regierung mit ihrer Politik die Lage in
       Katalonien befriedet hat.
       
       Die Radiolandschaft ist noch nicht ganz so konzentriert. Dort ist der meist
       gehörte Sender die Cadena Ser, der zur Gruppe Prisa rund um die
       linksliberale Tageszeitung El País gehört. Jetzt hat der Sohn von Silvio
       Berlusconi angekündigt, diesen Sender aufzukaufen. Was hätte das für
       Auswirkungen? 
       
       Die Cadena Ser ist mit weit über vier Million Hörern am Tag der wichtigste
       Sender in Spanien und stellt ein Gegengewicht dar. Wenn Berlusconis
       Mediaset den Sender tatsächlich aufkauft und in Spanien die konservative
       Partido Popular zusammen mit der rechtsextremen VOX regiert und somit das
       öffentliche Radio und Fernsehen RTVE in die Hände bekommt, würde die Rechte
       direkt oder indirekt 90 Prozent der Nachrichtensendungen kontrollieren. Es
       droht die Gleichschaltung, das Ende der Vielfalt.
       
       Hat die Regierung Sánchez verpasst, die öffentliche Anstalt RTVE zu
       reformieren, sie unabhängiger zu machen? 
       
       Es gab einen Versuch, mittels öffentlicher Ausschreibung einen Aufsichtsrat
       aus unabhängigen Spezialisten zu installieren. Aber letztendlich scheiterte
       das daran, dass die Parteien dies dann doch nicht umsetzen wollten.
       Insgeheim waren sie sich alle einig. Der derzeitige Aufsichtsrat ist aus
       Mitgliedern zusammengesetzt, die alle der einen oder anderen Partei
       nahestehen.
       
       Was bedeutet dies im Falle eines rechten Wahlsieges? 
       
       Eine solche Regierung wird ihr nahestehende Führungspersonen ernennen und
       diese werden dann nach und nach die Posten nach unten hin mit ihnen
       genehmen Personen besetzen.
       
       Eine Modell wie in Ungarn, wo es keinerlei Vielfalt mehr gibt?
       
       Ich würde das eher mit Italien vergleichen. Die spanische Gesellschaft ist
       der italienischen ähnlicher als der ungarischen. In Italien sehen wir
       dieser Tage, wie die Regierung von Giorgia Meloni versucht, das öffentliche
       Fernsehen RAI zu übernehmen. Und das in einem Land, in dem es eine lange
       Tradition gibt, den Einfluss in Radio und Fernsehen unter den verschiedenen
       politischen Kräften aufzuteilen. Tele-Kabul nennt die Rechte das und will
       das Modell zerschlagen. Hier werden sie dazu aufrufen, den „Sanchismus“ in
       RTVE zu zerschlagen. Leere Worthülsen, die allerdings gut funktionieren,
       wie wir im Wahlkampf sehen.
       
       20 Jul 2023
       
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