# taz.de -- Woke Männlichkeiten: Rumgegockel in pinker Verpackung
       
       > Manche Männer sinnieren über ihre Männlichkeit und versuchen, damit bei
       > Feministinnen zu landen. Konsequenzen für ihr eigenes Handeln hat das
       > selten.
       
 (IMG) Bild: Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre analysierte schon Ulrich Beck
       
       Im Rahmen von kritischer Männlichkeit versuchen hetero Jungs [1][mit
       Erzählungen vom eigenen übergriffigen Verhalten] nicht nur Bücher zu
       verkaufen, sondern auch Frauen ins Bett zu kriegen. Das dürfte kaum
       verwundern, denn im weißen kapitalistischen Patriarchat wird Erfolg
       schließlich nicht nur in Geld und Ruhm gemessen, sondern auch in Sex. Und
       wenn man sich schon die Mühe macht, sich mit den eigenen Privilegien
       auseinanderzusetzen, Rollenmuster zu hinterfragen und generell
       profeministisch unterwegs zu sein, muss sich das ja auch rentieren.
       
       In Hamburg oder Leipzig, auf einer Picknickdecke im Görli, in dieser
       Prenzelberger Sauerteigpizzeria oder am Dorfplatz: Überall da, wo linke
       Großstadt-Heten zusammenkommen, um rauszufinden, ob sie sexuell oder gar
       romantisch kompatibel sind, [2][versuchen Männer bei Feministinnen zu
       landen], indem sie ungefragt über ihre Männlichkeit sinnieren und erzählen,
       wie es so läuft mit der Reflexion. Dabei reproduzieren sie weiterhin
       sexistische Muster.
       
       Es ist das alte Rumgegockel in hipper pinker Verpackung. Statt einfach mit
       dem Body-Count anzugeben, wird erzählt, wie viele erfüllende intime
       Begegnungen man schon mit schlauen starken Frauen hatte. Darunter sogar –
       quasi als Referenz für die eigene Fortschrittlichkeit – die bekannten
       Feministinnen A und B.
       
       Sexistische Tropen verschwinden nicht: Sie werden einfach dem oberflächlich
       antisexistischen Weltbild angepasst. Die Erzählung vom [3][Crazy
       Ex-Girlfriend] bleibt, wird jedoch umformuliert zur Geschichte von der
       Frau, mit der man mal was hatte und die kompliziert und sehr sensibel war.
       Die hat dann etwas missverstanden und als übergriffig gewertet und man ist
       ja normalerweise total für die Definitionsmacht, aber das war wirklich
       drüber. Man respektiert jetzt trotzdem ihre Grenze und geht nicht mehr in
       ihre Stammkneipe oder ist aus der gemeinsamen Politgruppe raus, aber
       eigentlich ist das unfair, weil da war ja nichts. Aber schau, ich wehre
       mich nicht dagegen. So ein guter Feminist bin ich. Nimm mich!
       
       Man lästert über sexistisches Fehlverhalten und das Dating Life anderer
       Männer, ohne selbst etwas besser zu machen. Eigene Übergriffigkeit
       existiert höchstens als Ausrutscher in der Vergangenheit und wird zur
       Selbstreflexions-Anekdote ohne Konsequenz. Denn außer Nachdenken werden
       keine Vorkehrungen genannt, um Wiederholung auszuschließen.
       
       Missbrauch findet nicht nur in monogamen Paarbeziehungen und unter dem Dach
       des Ehegattensplittings statt: In Situationships, offenen Beziehungen und
       [4][Poly-Geflechten] werden allzu oft Frauen in Konkurrenz zueinander
       gesetzt. Auch in progressiven Beziehungsformen kommt es zu Missbrauch,
       psychischer und sexualisierter Gewalt. Das nicht nur anzuerkennen, sondern
       mit allen Mitteln dagegen anzuarbeiten und dabei den betroffenen Raum für
       Heilung, Widerstand und Lebensfreude zu lassen, das muss die Aufgabe
       [5][kritischer Männlichkeit] sein.
       
       30 Aug 2023
       
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