# taz.de -- Lübecker Bucht soll „Bäderbahn“ verlieren: Timmendorfer Strand abgehängt
       
       > Die „Bäderbahn“ an der Lübecker Bucht soll stillgelegt werden. Vor allem
       > am Timmendorfer Strand befürchten die Anwohner*innen dann noch mehr
       > Staus.
       
 (IMG) Bild: Sehnsuchtsort nicht nur im Sommer: Timmendorfer Strand mit Teehaus
       
       OSNABRÜCK taz | Die Gemeinde Timmendorfer Strand an der Lübecker Bucht hat
       vieles: Schlafstrandkörbe und Seebrücken, eine Fahrradstraße und eine
       Udo-Lindenberg-Skulptur. Eines soll es hier allerdings bald nicht mehr
       geben: eine Bahn-Haltestelle.
       
       Das liegt an der Hinterlandanbindung des [1][Fehmarnbelt-Tunnels]. Für den
       ist eine neue Bahntrasse vorgesehen, vorwiegend entlang der A1, weiter
       westlich. Timmendorfer Strand, der wichtigste Badeort in der Lübecker
       Bucht, wäre abgehängt. Knapp sechs Kilometer läge der Bahnhof dann vom Ort
       entfernt.
       
       Der Bund, das Land Schleswig-Holstein und die Deutsche Bahn sind sich
       einig: Wenn die neue Strecke in Betrieb geht, voraussichtlich 2028 oder
       2029, wird die alte „Bäderbahn“ zwischen Bad Schwartau und Sierksdorf nicht
       weiter betrieben, trotz der knapp 400.000 Fahrgäste pro Jahr.
       
       Man habe geprüft, ob es sinnvoll sei, sie zu erhalten, versichert der
       schleswig-holsteinische Wirtschaftsstaatssekretär Tobias von der Heide
       (CDU). Das Ergebnis sei, „dass die Risiken für die Hinterlandanbindung der
       Fehmarnbelt-Querung zu groß sind, wenn wir beide Projekte, den Erhalt der
       Bäderbahn und die neue Trasse, gemeinsam planen“. Er finde die Entwicklung
       „schade“.
       
       Es werde aber „nicht alles schlechter“, beteuert von der Heide. Die
       Anbindung an Hamburg verbessere sich. Es werde „mehr Bahnangebote“ geben,
       erhöhte Kapazitäten. Von der Heide macht den Badeorten die Neuerung auch
       durch Ruhe schmackhaft. Weil die neue Trasse nicht mehr mitten durch die
       Orte verlaufe, müssten sie auch nicht unter dem wachsenden Güterverkehr
       leiden, sagte der Staatssekretär.
       
       Timmendorfer Strand ist von der Stilllegung am stärksten betroffen.
       Bürgermeister [2][Sven Partheil-Böhnke] (FDP) hält sie für einen
       „undurchdachten Schnellschuss“, für „absoluten Irrsinn“, sagt er der taz.
       „Selbst die Bahn war überrascht“, sagt er. „Aber die letzte Schlacht ist
       noch nicht geschlagen. Notfalls gehen wir vor Gericht.“
       
       Rund 2.000 Fahrgäste nutzen den Zug nach Timmendorfer Strand pro Tag.
       Darunter viele Touristen mit Gepäck. „Die alle per Bus zu transportieren,
       ist nicht organisierbar“, sagt Partheil-Böhnke. „Oder sollen die Auto
       fahren? Das wäre ökologischer Wahnsinn!“
       
       Partheil-Böhnke ist klar: Der Verkehr nach Skandinavien wird durch den
       Tunnel zunehmen; ein Trassenneubau muss her. Aber die Bäderbahn, findet er,
       könne parallel betrieben werden. Der Güterverkehr liefe dann über die neue
       Strecke, die kürzer ist, schneller. „Nur im Notfall käme hier dann mal was
       durch“, sagt der Bürgermeister.
       
       Die Gemeinde Scharbeutz, ein paar Kilometer nordöstlich, wäre bei zwei
       Parallelstrecken allerdings im Nachteil. Beide würden dann direkt an ihr
       vorbeiführen. Bei Haffkrug und Sierksdorf wäre es das Gleiche.
       
       Auch Ingo Ludwichowski, Sprecher des Naturschutzbundes (Nabu)
       Schleswig-Holstein, sieht das Aus für die Bäderbahn kritisch. „Man wundert
       sich, wie da die Schwerpunkte gesetzt werden“, sagt er der taz. „Die Leute
       vor Ort werden dabei komplett vergessen.“
       
       Die Stilllegung sei ein „fatales Signal, von der Umweltfreundlichkeit bis
       zum Tourismus“. Allgemein wachse die Bereitschaft, statt des Autos den
       öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, auch für Urlaubsfahrten. „Aber dann muss
       er auch attraktiv sein, und das war er auf dieser Strecke mit ihrer
       lausigen Taktung bisher nicht“, kritisiert Ludwichowski. Klar sei, dass an
       der Strecke etwas getan werden müsse, und die Bahn
       Kapazitätsschwierigkeiten habe. „Aber das ist alles eine Frage der
       Priorisierung.“
       
       ## Weitere Wege zu den Stränden
       
       Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn,
       Hamburg, denkt über die Pläne von Bund, Land und Bahn ähnlich: „Nach
       unserer Auffassung ist dies ein großer Fehler“, sagt er. „Die Stilllegung
       ist das Gegenteil der gewünschten [3][Verkehrswende].“
       
       Von den neuen Bahnhöfen an der Neubaustecke seien „die Wege zu den
       Ortskernen und vor allem zum Strand länger“. Für Tagesausflügler werde es
       deutlich weniger attraktiv. Die alte Bäderbahn kritisiert er für „mäßigen
       Komfort in den LINT-Triebwagen“ und, in der Hauptsaison, für teils zu
       knappe Kapazität.
       
       „Die Erhaltung der Bäderbahn ist aus klimapolitischer und wirtschaftlicher
       Sicht essenziell für unsere Region“, sagt Annette Granzin, Sprecherin des
       Kreisverbandes Ostholstein der Grünen. Der Fall zeige, „dass wir dringend
       ein Umdenken in der Verkehrspolitik brauchen“, sagt Simone Stojan,
       Kreistags-Fraktionsvorsitzende der Ostholsteiner Grünen. Es sei nicht
       nachvollziehbar, „dass ein ohnehin nicht unkritisches Großprojekt wie die
       Fehmarnbeltquerung nun auch noch dafür sorgt, dass die Mobilität und
       dadurch die Attraktivität einer ganzen Region eingeschränkt wird“.
       
       Derweil nimmt die Bahn das Stilllegungsverfahren wieder auf. Es gibt einen
       Bieter für die Strecke, und er steht in Verhandlungen mit der Bahn. Aber wo
       wäre dessen Geschäft? Das Land, sagt von der Heide, werde nach 2028/29 nur
       auf der neuen Trasse Verkehre bestellen.
       
       13 Sep 2023
       
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