# taz.de -- Ideen für den „Deutschlandpakt“: Föderalismus neu denken
       
       > Wie können Bund, Länder und Kommunen besser zusammenarbeiten? Eine Gruppe
       > von SPD-Politiker:innen hat Vorschläge gemacht.
       
 (IMG) Bild: Vorfahrt für die Energiewende: Transporter fährt Rotorblatt zu einem Windpark
       
       BERLIN taz | [1][Einen „Deutschlandpakt“ hat Bundeskanzler Olaf Scholz] vor
       einer Woche der Opposition im Bundestag vorgeschlagen. Einen gemeinsamen
       Aufbruch von Bund, Ländern und Kommunen, um das Land schneller, moderner
       und sicherer zu machen. Seitdem rätseln viele, was genau er damit gemeint
       hat.
       
       Politiker seiner Fraktion haben schon mal vorgedacht. Das „[2][Netzwerk
       Berlin]“, dem 50 SPD-Bundestagsabgeordnete angehören, hat bereits im August
       Vorschläge zur besseren Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen
       erarbeitet. In dem internen Papier, über das zuerst der Spiegel berichtete,
       heißt es: Zwar hätten sich föderale Strukturen bewährt. Aber: „Was lange
       nahezu einmütig als Erfolgsmodell galt, ist längst nicht mehr unumstritten
       und wird in innenpolitischen Debatten gern für Fehlentwicklungen und
       Probleme verantwortlich gemacht.“
       
       Gegenüber der taz sagen die drei Sprecher:innen des Netzwerks, Dorothee
       Martin, Armand Zorn und Markus Töns, man habe versucht, Punkte zu
       identifizieren, die in den nächsten ein bis vier Jahren umsetzbar seien,
       damit alle Ebenen noch besser an einem Strang zögen. „Wir haben bereits mit
       Ländervertretern gesprochen und werden demnächst eine Veranstaltung mit
       Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen organisieren, auf der wir das
       Thema Bund-Länder-Beziehungen weiter diskutieren wollen“, so die drei
       Abgeordneten. Die drei Ebenen müssten besser verzahnt werden, um
       gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten und das Vertrauen in die
       Demokratie zu stärken.
       
       In dem Papier wird gefordert, die Finanzierungsbasis von Ländern und
       Kommunen durch eine Reform der Erbschaftssteuer zu stärken und die
       länderübergreifende Zusammenarbeit zu vertiefen, etwa durch zentrale
       Anlaufstellen für ausländische Fachkräfte. Um Genehmigungsverfahren zu
       beschleunigen, müssten einheitliche digitale Standards geschaffen und
       Datenschutzverordnungen vereinheitlicht werden. „Die unterschiedliche
       Auslegung der Datenschutzgrundverordnung durch die Bundes- und
       Landesdatenschutzbehörden stellt ein echtes Innovationshemmnis für den
       Wirtschaftsstandort Deutschland dar“.
       
       ## Ran an die Erbschaftssteuer
       
       Auch im Bildungsbereich müssten Bund und Länder besser zusammenarbeiten.
       Für Bildung sind allein die Länder zuständig. Die Netzwerker fordern, dass
       der Bund stärker dort eingreifen darf, „wo Bildungschancen ungleich
       verteilt sind und die Länder mit eigenen Mitteln nicht die notwendige
       Schlagkraft entfalten können.“ Dafür müsse man mehr Mitsprache
       ermöglichen.
       
       Grundsätzlich fordern die Netzwerker, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu
       und klarer zu ordnen. „Die größte Herausforderung ist, dass es derzeit
       keine klare Verantwortlichkeiten, sondern viele Formen der
       Mischfinanzierung gibt“, sagt der Finanzpolitiker Armand Zorn. Oft leiste
       der Bund eine Anschubfinanzierung, die manche Kommunen wegen fehlender
       Mittel aber nicht mehr fortsetzen könnten.
       
       Um Ländern und Kommunen dauerhaft mehr Geld zur Verfügung zu stellen,
       schlagen die Netzwerker vor, die Erbschaftssteuer zu reformieren. Die
       Erlöse fließen in die Länder. „Angesichts der Herausforderungen auf
       Landesebene und kommunaler Ebene sind wir der Meinung, dass hier eine
       Reform nötig und möglich wäre“, meint Zorn. „So könnte man vergleichsweise
       schnell und unbürokratisch eine Verbesserung der Einnahmen erzielen.“
       
       Derzeit wirke die Erbschaftssteuer wegen der vielen Ausnahmen für große
       Betriebsvermögen regressiv – das heißt, es werden eher kleine Erbschaften
       zur Kasse gebeten. Von den 400 Milliarden Euro, die jährlich vererbt
       werden, landen gerade mal 10 Milliarden beim Fiskus. Eine [3][Reform der
       Erbschaftssteuer fordert auch die Parlamentarische Linke], die neben den
       konservativen Seeheimern größte Strömung innerhalb der SPD-Fraktion.
       
       ## Dienstwagenprivileg muss fallen
       
       Sie halte es für richtig, „dass sich die SPD stärker mit der Einnahmeseite
       beschäftigt“, meint auch Dorothee Martin. Die Erbschaftssteuer sei das
       große Rad, an dem gedreht werden müsse. Daneben gebe es aber noch kleinere
       Stellschrauben, sagt die Verkehrspolitikerin. Zusammen mit Finanzpolitikern
       erarbeite man gerade ein Konzept für eine reformierte Besteuerung von
       Dienstwagen. Es soll in den nächsten Wochen vorgestellt werden. Das
       sogenannte Dienstwagenprivileg begünstigt die Nutzung teurer und oft auch
       entsprechend klimaschädlicher Autos zu privaten Zwecken. Laut
       Bundesumweltamt entgehen dem Staat dadurch jährlich über 3 Milliarden Euro
       an Einnahmen.
       
       Für überschuldete Kommunen fordern die Netzwerker bis Ende des Jahres eine
       Lösung. Auch die Ampel hatte sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet,
       das Problem der sogenannten Altschulden anzugehen. Rund 2.500 Kommunen in
       Deutschland gelten als überschuldet, in Nordrhein-Westfalen ist es fast
       jede zweite. „Die Schulden belasten die Haushalte der betroffenen Kommunen
       enorm, viele können ihren eigentlichen Aufgaben, etwa Schulen zu bauen,
       kaum noch nachkommen“, sagt Markus Töns, in der SPD-Fraktion Beauftragter
       für Handelspolitik.
       
       In seinem Wahlkreis Gelsenkirchen könne die Kommune gerade mal einen
       Kunstrasenplatz pro Jahr bauen, dabei gebe es 160 Sportvereine. „Im Verein
       findet nicht nur Sport statt, sondern auch Integration“, sagt Töns. Und in
       den Ausländerbehörden bekomme man Termine teilweise nicht vor Ende 2025,
       weil das Personal fehle. „Wir können in Berlin vieles beschließen, aber es
       scheitert zum Teil daran, dass wir es vor Ort nicht umsetzen können“, meint
       Töns.
       
       Das „Netzwerk Berlin“ schlägt deshalb vor, dass Bund und Länder die
       Altschulden der betroffenen Kommunen einmalig und jeweils zur Hälfte
       übernehmen sollten. Eine ähnliche Lösung hatte Olaf Scholz 2019 als
       damaliger Finanzminister vorgeschlagen und eine „Stunde Null“ für die
       betroffenen Kommunen. Damals stand eine Summe von 40 Milliarden Euro im
       Raum, um die Bund und Länder die Kommunen entlasten sollten.
       
       ## Ministerpräsident:innen wollen Scholz treffen
       
       „Gleichzeitig muss man aber dafür sorgen, dass wir die Kommunen so
       aufstellen, dass sie sich über einen neuen kommunalen Länderfinanzausgleich
       gegenseitig unterstützen können und eine neue extreme Verschuldung nicht
       mehr möglich ist, meint Armand Zorn. Er lobt FDP-Finanzminister Christian
       Lindner, der sich wirklich bemühe, eine Lösung zu finden. Eine
       Verständigung scheitere aber derzeit an einigen unionsgeführten
       Bundesländern.
       
       Unterstützung kommt indes aus den Kommunen selbst. Beim Deutschen
       Kämmerertag hatte Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) in
       der vergangenen Woche für ein „Update für den Föderalismus“ und die
       Einrichtung einer neuen Föderalismuskommission geworben, die sich auch den
       Finanzbeziehungen widmen solle.
       
       Die Ministerpräsident:innen der Länder wünschen sich ihrerseits eine
       schnelle Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz, um mit Scholz über den
       „Deutschlandpakt“ zu sprechen, berichtete das Nachrichtenportal Pioneer am
       Mittwoch. Auf dieser soll es vor allem um schnellere Planungs- und
       Genehmigungsverfahren gehen. Eigentlich hatten sich beide Seiten bereits im
       März darauf geeinigt, einen gemeinsamen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs-
       und Umsetzungsbeschleunigung“ zu erarbeiten. Passiert ist bisher wenig.
       
       Wie die niedersächsische Staatskanzlei informierte, werden sich in der
       kommenden Woche die Chef:innen der Staats- und Senatskanzleien bei einer
       Konferenz in Wilhelmshaven „intensiv mit allen von Olaf Scholz im
       Zusammenhang mit dem Deutschland-Pakt aufgerufenen Fragen befassen“. Auch
       das Kanzleramt werde teilnehmen.
       
       14 Sep 2023
       
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