# taz.de -- Gewalt-Proteste in Baden-Württemberg: Wenn Stuttgart in Eritrea liegt
       
       > Erneut sorgt ein Eritrea-Festival für gewalttätige Proteste zwischen
       > Regierungstreuen und Oppositionellen. Die Debatte um Verbote läuft.
       
 (IMG) Bild: Stuttgart, am Sonntag: Polizei kesselt gewalttätige Proteste bei einer Eritrea-Veranstaltung ein
       
       STUTTART/BERLIN taz | Nach den Ausschreitungen eritreischer Gruppen in der
       Stuttgarter Innenstadt haben Politiker von CDU, FDP und der AfD in
       Baden-Württemberg Konsequenzen für das Aufenthaltsrecht der Gewalttäter
       gefordert. Manuel Hagel, Fraktionschef der baden-württembergischen CDU, die
       mit den Grünen in Baden-Württemberg regiert, sagte: „Wer so brutal auf
       andere Menschen losgeht, der hat sein Gastrecht, sein Recht auf Asyl
       verwirkt.“
       
       Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte am Sonntag klar
       gemacht, dass [1][die Ausschreitungen inakzeptabel sind]: „Wir dulden
       nicht, dass Konflikte aus anderen Ländern bei uns gewaltsam ausgetragen
       werden und werden dem mit aller Härte entgegentreten.“ SPD-Fraktionschef
       Andreas Stoch wandte sich gegen Gesetzesverschärfungen, wie sie andere
       Oppositionsfraktionen forderten: „Es geht nicht darum, lautstark immer
       schärfere und schärfere Gesetze zu fordern. Es geht darum, unsere Gesetze
       anwenden und sie durchzusetzen.“
       
       Der Linken-Politiker und Stuttgarter Stadtrat Luigi Pantisano erinnerte
       daran, dass die Diktatur in Eritrea in Freiheitsfragen noch hinter
       Nordkorea rangiert: „Wenn Politiker:innen in Baden-Württemberg
       fordern, Gewalttäter sofort auszuweisen, dann sollten sie bedenken, wohin
       sie die Menschen abschieben wollen. Zurück in einen Terrorstaat.“ Der
       baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl informierte sich
       zusammen mit Polizeipräsidentin Hinz bei den Beamten in Stuttgart. Am
       Mittwoch will er dem Innenausschuss des Landtags Auskunft geben.
       
       Am Samstagabend hatten im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt eritreische
       Regimegegner eine Veranstaltung eines regierungsnahen eritreischen Vereins
       attackiert. Bei den teils gewalttätigen Protesten wurden insgesamt 27
       Polizeibeamte verletzt, 7 von ihnen sind bis auf weiteres dienstunfähig.
       Die Polizei hat in der Nacht zum Samstag 228 Personen vorübergehend
       festgenommen und die Personalien festgestellt. Gegen sie wird jetzt wegen
       schweren Landfriedensbruchs, schwerer Körperverletzung, Sachbeschädigung
       und Diebstahls ermittelt. 63 von ihnen sind offenbar aus der Schweiz
       angereist.
       
       ## Gegendemonstration kam überraschend
       
       Für die Polizei sei die Gegendemonstration überraschend gewesen, erklärte
       der stellvertretende Polizeipräsident Carsten Höfler. Es sei zwar eine
       Gegenveranstaltung angemeldet gewesen, diese Anmeldung sei aber wieder
       zurückgenommen worden. Oberbürgermeister Frank Nopper und der
       Polizeivizepräsident verwiesen darauf, dass es zuletzt in Stuttgart
       störungsfreie ähnliche eritreische Veranstaltungen gegeben habe. Trotzdem
       sei die Polizei präsent gewesen, dies sei bei [2][Veranstaltungen mit Bezug
       zu Eritrea üblich.]
       
       Die Stadt konnte nach eigenen Angaben die als „Eritrea-Seminar“ bezeichnete
       Veranstaltung nicht verhindern. Sie fand in den städtischen Räumen des
       Römer-Castells, einer ehemaligen Kaserne, statt. Im letzten Jahr hätten
       fünf solcher Veranstaltungen stattgefunden, nie sei es zu
       Auseinandersetzungen gekommen. Die Grüne Landtagsfraktion fordert von den
       Behörden nun weitere Aufklärung, ob die Ausschreitungen nicht doch
       vermeidbar gewesen wären.
       
       Der Verband eritreischer Vereine in Stuttgart, der die Räume für die
       Veranstaltung angemietet hatte, hat für kommenden Samstag bereits eine
       weitere Eritrea-Veranstaltung in Stuttgart angekündigt. Johannes Russom vom
       Verband erklärte, Gewalt dürfe nicht das Sagen haben, der Schutz der
       Veranstaltung sei Aufgabe des Staates.
       
       In anderen Städten waren regierungstreue und oppositionelle Eritreer
       bereits öfter zusammengestoßen. Anfang Juli hatte es in Gießen massive
       Ausschreitungen bei einem Eritrea-Festival gegeben. Hier war Johannes
       Russom gegenüber dem ZDF als Vorsitzender des Zentralrates der Eritreer in
       Deutschland aufgetreten. Der Zentralrat der Eritreer in Deutschland besteht
       laut eigenen Angaben aus vier Säulen: Eine Säule ist die PFDJ, die einzige
       legale Partei in der Diktatur am Horn von Afrika, eine zweite Säule der
       Jugendverband dieser Partei.
       
       ## Eritreische Community in Deutschland gespalten
       
       Den Zentralrat als den verlängerten Arm des diktatorischen Regimes zu
       bezeichnen, wäre also nicht übertrieben. Der Bundesvorsitzende der
       Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, forderte im SWR ein Verbot
       ähnlicher Veranstaltungen. Die Gewalt sei „ganz offensichtlich“ vom Ausland
       gesteuert gewesen.
       
       [3][Die eritreische Community in Deutschland ist tief gespalten]. Wer
       während des Befreiungskampfes bis Anfang der 1990er Jahre aus Eritrea
       geflohen war, sympathisiert in der Regel mit dem Regime, das aus der
       nationalen Befreiungsbewegung hervorgegangen ist. Wer nach der
       Jahrtausendwende floh, lehnt das Regime meist ab. Dieses Konfliktpotenzial
       entlädt sich bei Veranstaltungen, die Gewalt geht meist von Teilen der
       Opposition aus.
       
       Für das 3,8 Millionen Einwohner zählende Eritrea sind die rund eine Million
       Auslandseritreer enorm wichtig. Mit ihrer „Diasporasteuer“ in Höhe von 2
       Prozent ihres Einkommens, zu der sie nach eritreischem Recht verpflichtet
       sind, sind sie wichtige Investoren in dem von internationalen Sanktionen
       betroffenen Land.
       
       18 Sep 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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