# taz.de -- Israels Dilemma: Es geht ums Überleben
       
       > Kein Land der Welt muss sich so für sein schieres Überleben rechtfertigen
       > wie Israel. Selbst im Angesicht des absoluten Terrors durch seine Feinde.
       
 (IMG) Bild: Dürfen keine Schwäche zeigen: Israelische Soldaten in der Nähe des Gazastreifens am 13. Oktober
       
       Seit dem 7. Oktober hat es eine beinahe nie dagewesene Welle der
       [1][Solidarität für Israel] gegeben. Aber selbst jetzt hat es auch die
       [2][Reaktionen] gegeben, mit denen Israelis seit jeher konfrontiert werden:
       Die Ansicht, bei Terrorangriffen gehe es um Freiheitskampf, oder um von
       Gewalt gesäte Gewalt. Man kann es auch einfach Antisemitismus nennen. Dazu
       gehören die Reaktionen vieler linker Parteien in ganz Europa.
       
       Es gehören auch Fragen von Journalisten dazu, die bei einer Pressekonferenz
       am Donnerstag mit dem israelischen Präsidenten Isaac Herzog gestellt
       wurden. Die CNN-Moderatorin Becky Anderson fragte ihn nach Israels
       „kollektiver Bestrafung“ der Palästinenser, was ein „Kriegsverbrechen“ sei.
       Ein anderer britischer Journalist warf Israel vor, „die Menschen in Gaza
       für Hamas verantwortlich zu machen.“ Der sonst so sanftmütige Präsident
       reagierte wütend: „Wenn sie eine Rakete in Ihrer verdammten Küche haben und
       sie auf mich schießen wollen, darf ich mich dann verteidigen? Das ist hier
       die Situation!“
       
       Das Bombardement von Teilen des Gazastreifens als kollektive Bestrafung zu
       bezeichnen zeugt von einer völligen Fehlinterpretation der Situation: Es
       geht hier nicht um Rache (obwohl israelische Politiker diese Rhetorik
       verwenden). Der grundlegende Unterschied wird völlig außer Acht gelassen:
       Hamas ermordet gezielt israelische Kinder. Israel hat nie die Absicht, auch
       nur ein einziges Kind töten und, sollten Kriegsverbrechen verübt werden,
       wird Israel sie ahnden.
       
       ## Unbesiegbar oder leichte Beute
       
       Israel verteidigt sich selbst, wie es jeder Staat angesichts eines solch
       grausamen Terrorangriffs dieser Dimension tun würde. Warum aber, fragen
       sich viele, wird dafür [3][Gaza] bombardiert? Abgesehen davon, dass [4][die
       Hamas, die sich hinter ihrer Zivilbevölkerung versteckt], entmachtet werden
       soll, gibt es noch eine simple Antwort: Abschreckung. Es muss eine ganz
       klare Nachricht nach Norden, an die Hisbollah gesendet werden – und noch
       weiter, [5][nach Iran]: Israel ist militärisch überlegen.
       
       Ein Israel, das Schwäche zeigt – wie zuletzt – wirkt verletzlich und macht
       sich sofort angreifbar, und zwar von ringsherum: Hamas im Süden und Westen,
       Hisbollah im Norden. Um zu überleben, muss Israel als unbesiegbar
       wahrgenommen werden. Und genau das ist sein Dilemma.
       
       Denn hinter den oben aufgeführten Reaktionen steckt ebendiese Wahrnehmung
       von Israels Stärke – militärisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich – im
       Gegensatz, beispielsweise, zu den Palästinensern. Diese Wahrnehmung von
       Israel als unbesiegbare Macht im Nahen Osten wird auf beiden Seiten des
       pro- und anti-israelischen Grabens geteilt, ja sogar von den Israelis
       selbst, denn sie brauchen sie zum Überleben.
       
       In den letzten paar Tagen sagten Freunde zu mir: „So schrecklich das alles
       ist, wir haben kein Zweifel daran, dass Israel siegen wird.“ Und die
       Botschaft, mit der sich Israelis in diesen Tagen gegenseitig bestärken –
       egal ob sie von Politikern, Journalisten, Militärsprechern, Trauernden oder
       normalen Bürgern kommt – ist: „Wir sind stark und wir werden das zusammen
       durchstehen.“
       
       ## Israelis haben wirklich Angst um ihre Existenz
       
       Was viele außerhalb Israels jedoch überhaupt nicht wahrnehmen ist die echte
       Fragilität von Israels Existenz. Wenn auch an der Nordfront der Krieg mit
       der Hisbollah ausbricht – die militärisch viel mächtiger ist als die Hamas
       – ist die Möglichkeit, dass Israel zerstört wird, sehr real. Im Schatten
       dieser furchtbaren Bedrohung liegt Iran mit seiner potenziellen Fähigkeit,
       eine Atombombe einzusetzen. Israelis haben wirklich Angst um ihre Existenz.
       Das Dilemma ist, dass sie es ihren Feinden nicht zeigen dürfen.
       
       Nach den grausamen Verbrechen der Hamas, den [6][kaltblütigen
       Massentötungen], der Entführung von Kindern nach Gaza, scheint es fast
       zynisch, dass ausländische Journalisten den Präsidenten nach israelischen
       Kriegsverbrechen fragen. Aus israelischer Sicht kommt das einer Aberkennung
       von Israels Recht, sich selbst vor Zerstörung zu schützen, gleich.
       
       Das bedeutet längst nicht, dass man hier nicht versucht, das Leid der
       Palästinenser zu lindern oder, trotz aller Hindernisse, weiterhin an einer
       Lösung für die Zukunft ihres Volkes zu arbeiten. Aber wenn Israelis ihre
       Situation der Welt erklären, ringen sie auch nach 75 Jahren oft um die
       bloße [7][Anerkennung ihres Daseins]. Ich wage zu behaupten, dass kein
       Bürger eines anderen Staates der Welt diese Empfindung zu teilen vermag.
       
       17 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Pro-Israel-Demonstrationen/!5963629
 (DIR) [2] /Deutsche-Kulturszene-und-Hamas/!5963367
 (DIR) [3] /Vorgeschichte-des-Angriffs-auf-Israel/!5966215
 (DIR) [4] /Angriff-auf-Israel/!5963299
 (DIR) [5] /Iran-und-Hamas/!5963627
 (DIR) [6] /Angriff-auf-Israel/!5963370
 (DIR) [7] /Relativierung-von-Hamas-Terror/!5963347
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Miriam Dagan
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Gaza
 (DIR) Palästina
 (DIR) Israel
 (DIR) Krieg gegen den Terror
 (DIR) Terror
 (DIR) Antisemitisch
 (DIR) Kolumne Starke Gefühle
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Latin Affairs
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Antisemitismus
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Israel
 (DIR) Schwerpunkt Nahost-Konflikt
 (DIR) Israel
 (DIR) Gazastreifen
 (DIR) Kolumne Grauzone
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Heimatverlust in Israel: Das gebrochene Versprechen Israel
       
       Schon 2003 ließ die zweite Intifada die Menschen in Israel an ihrer
       Sicherheit zweifeln. Viel stärker erschüttert ist ihr Glaube an das Land
       jetzt.
       
 (DIR) Scholz erlebt Raketenangriff auf Israel: „Raus, raus, raus!“
       
       Raketenalarm am Flughafen Tel Aviv: Während seines Besuchs in Israel
       bekommt Kanzler Olaf Scholz die Gewalt des Krieges hautnah zu spüren.
       
 (DIR) Pro-Palästina-Mahnwachen: Ausschreitungen in Berlin
       
       Erneut greifen Unterstützer der Palästinenser in Berlin Polizisten an.
       Die Union will ein Bekenntnis zu Israel zur Bedingung für Einbürgerungen
       machen.
       
 (DIR) Völkerrechtler zum Krieg im Nahen Osten: „Müssen Rechtsverstöße benennen“
       
       Der Terror der Hamas erlaubt es Israel nicht, mit gleichsam illegalen
       Mitteln zu antworten, sagt der Völkerrechtler Wolff Heintschel von Heinegg.
       
 (DIR) Antiimperialismus ohne Verstand: Lateinamerikas Linke feiern Hamas
       
       Lateinamerikas Linke wettern gegen Israel: Boliviens Ex-Staatschef Morales
       und Kolumbiens Staatschef Petro disqualifizieren sich mit Statements zum
       Hamas-Angriff.
       
 (DIR) Propalästinensische Demos in Europa: Der Hass mobilisiert
       
       Vielerorts versammeln sich Tausende bei propalästinensischen Demos. Oft
       wird dort der Terror der Hamas gefeiert. Eine Gefahr, nicht nur für Juden.
       
 (DIR) Antisemitismus in Berlin: 30 Vorfälle in 9 Tagen
       
       Antisemitische Vorfälle nehmen stark zu in Berlin. Die Beratungsstelle OFEK
       arbeitet im „Krisenmodus“, Rias zählt mehr als 3 Taten pro Tag.
       
 (DIR) Israels Pläne für den Gazastreifen: Hamas vernichten – und dann?
       
       Bislang gibt es kein Konzept dafür, was mit dem Gazastreifen passieren
       soll. Eine internationale Treuhandschaft könnte ein Weg sein.
       
 (DIR) Iran und Hamas: Triumvirat des Judenhasses
       
       Iran stützt ideologisch und logistisch die Terrorattacken. Es ist Zeit für
       den Westen, die Beziehungen zu dem Regime in Teheran zu überdenken.
       
 (DIR) Pro-Israel-Demonstrationen: Uns doch egal
       
       Die Solibekundungen der Deutschen für Israel sind im Vergleich zum
       Ukrainekrieg dürftig. Die eigentliche Prüfung steht noch bevor.
       
 (DIR) Deutsche Kulturszene und Hamas: Unerträgliches Schweigen zur Gewalt
       
       Die deutsche Kulturszene ist sonst um keine Positionierung verlegen. Doch
       nach den Gräueln der Hamas gab es kaum Solidaritätsbekundungen mit Israel.
       
 (DIR) Folgen der Hamas-Barbarei: Wieso ich mich wieder als Jude fühle
       
       Ivan Ivanji überlebte die KZs. Er stand immer auf der Seite der
       Palästinenser – bis zum letzten Samstag. Jetzt kann er nicht mehr ruhig
       bleiben.
       
 (DIR) Angriff auf Israel: Die Hamas muss zerstört werden
       
       Der Terror gegen Israel ist mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und
       9/11 vergleichbar. Israel verdient dieselbe internationale Rückendeckung.
       
 (DIR) Baerbock in Israel: Volle Solidarität
       
       Bei ihrem Israel-Besuch sichert Außenministerin Annalena Baerbock Israel
       Unterstützung zu. Und fordert die Hamas auf, alle Geiseln freizulassen.
       
 (DIR) Relativierung von Hamas-Terror: Wir werden leben
       
       Nach dem Anschlag in Israel ist für unsere Kolumnistin nichts mehr, wie es
       mal war. Sie appelliert an alle, den Terror der Hamas nicht zu
       relativieren.