# taz.de -- Streit über Kommunalhaushalt in Odessa: Weihnachtsbaum statt Militärhilfe?
       
       > In der ukrainischen Metropole Odessa regt sich Protest gegen kommunale
       > Ausgabenpläne. Diese würden den Soldaten an der Front nichts bringen.
       
 (IMG) Bild: Protest gegen die kommunalen Ausgabenpläne am 16. September in Odessa
       
       ODESSA taz | Auch an diesem Samstag sind die Einwohner von Odessa wieder
       auf die Straße gegangen. Vor dem Rathaus protestieren sie, um die Behörden
       auf „unangemessene Ausgaben“ während des Kriegs aufmerksam zu machen.
       Angefangen haben die Demonstrationen in der Metropole am Schwarzen Meer vor
       zwei Monaten, inzwischen wird in der ganzen Ukraine jeden Samstagmorgen
       protestiert – trotz der Gefahren durch russischen Beschuss.
       
       In Odessa können sie konkret benennen, was ihnen sauer aufstößt: So planten
       die lokalen Abgeordneten, 6 Millionen Griwna (umgerechnet circa 153.000
       Euro) aus dem Stadthaushalt für den Kauf von Weihnachtsbäumen und
       Sträuchern zu spendieren. 100 Millionen Griwna (umgerechnet circa 2.550.000
       Euro) sollten zudem für die Instandsetzung des Gerichts bereitgestellt
       werden.
       
       Alles begann mit einer einsamen Mahnwache auf dem zentralen Platz von
       Odessa. Kateryna Noschewnikowa, heutige Sprecherin der Demonstrationen,
       stand vor dem Rathaus und hob ein Plakat mit der Aufschrift „Die
       Streitkräfte der Ukraine – an erster Stelle“ hoch. „Wir zahlen Steuern, und
       wir verlangen, dass diese Steuern dort ausgegeben werden, wo sie wirklich
       notwendig sind“, sagt sie. „Die Weihnachtsbäume, die wir heute pflanzen,
       werden einem Soldaten an der Front nicht helfen, wenn ihm die Gliedmaßen
       abgerissen wurden.“
       
       Andere Einwohner von Odessa schlossen sich ihr an. Eine Woche nach der
       Protestpremiere waren es schon mehrere Tausend Menschen, die sich vor dem
       Rathaus versammelten. Auch Angehörige von verstorbenen Soldaten schlossen
       sich den Demonstranten an und forderten die Behörden auf, dem Militär zu
       helfen. „Den ukrainischen Soldaten mangelt es immer noch an hochwertigen
       Medikamenten sowie an Booten und Autos zur Evakuierung der Verwundeten. Sie
       müssen oft die Verletzten auf ihrem eigenen Rücken tragen“, fügt
       Noschewnikowa hinzu.
       
       ## Immerhin: Weihnachtsbäume gibt es schon mal nicht
       
       Schritt für Schritt schlossen sich Menschen aus anderen ukrainischen
       Städten den Protesten an, mittlerweile sind es Zehntausende. Erst sechs
       Wochen nach Beginn der Proteste in Odessa nahmen die Behörden einen Dialog
       mit den Demonstranten auf. Die Gespräche zeitigten Ergebnisse: So wurde ein
       Antrag auf eine Ausschreibung der 6 Millionen Griwna für den Kauf der
       Weihnachtsbäume und Sträucher zur Verschönerung von Odessas Stadtbild von
       den Abgeordneten abgelehnt. Die Reparatur des Gerichts für 100.000 Griwna
       genehmigten sie jedoch – gleichwohl mit dem Versprechen, die Kosten zu
       reduzieren. Den Demonstrierenden ist das noch nicht genug: „Unser Ziel ist
       es, dass es eine richtige Kontrolle gibt“, sagt Mascha, eine Teilnehmerin
       der jüngsten Kundgebung am Samstag in Odessa.
       
       [1][Die Korruptionsbekämpfung ist neben dem Krieg eines der wichtigsten
       Themen in der Ukraine.] Allerdings hatte der ukrainische Präsident
       Wolodimir Selenski erst Anfang September sein Veto gegen ein Gesetz
       eingelegt, das Details zur Wiedereinführung elektronischer
       Einkommenserklärungen von Beamten regeln soll. Seit Beginn des Kriegs im
       Februar 2022 wurde diese Pflicht für Beamte, die eigenen Einnahmen zu
       melden, ausgesetzt. [2][Auch gegen das Veto regten sich Proteste.]
       
       Hinweis: Die Autorin war Teilnehmerin eines Osteuropaworkshops der taz
       Panter Stiftung
       
       2 Oct 2023
       
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