# taz.de -- Behandlung von Autoimmunerkrankungen: Mit Zucker gegen Multiple Sklerose
       
       > Eine neue Studie zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen macht Hoffnung:
       > Erstmals konnten Symptome bei Tieren vollständig gestoppt werden.
       
 (IMG) Bild: Kampf gegen MS: Ein Zuckermolekül soll dem Immunsystem signalisieren: Hey, lass mich in Ruhe!
       
       Mindestens 250.000 Menschen in Deutschland sind an Multipler Sklerose
       erkrankt. MS ist, ähnlich wie Rheuma oder [1][Diabetes]-Typ-1, eine
       Autoimmunerkrankung. Solche Krankheiten gelten bislang zwar als
       therapierbar, aber unheilbar. Dem Ziel, dies zu ändern, könnten
       US-Forscher*innen nun einen entscheidenden Schritt näher gekommen sein.
       Erstmals konnten Symptome der Krankheit bei Tieren gestoppt werden.
       
       Ein Team der University of Chicago hat nun gezeigt, dass inverse Impfungen,
       die eine Immunreaktion unterdrücken, für die Behandlung von
       Autoimmunkrankheiten vielversprechend sein könnten. [2][Die Ergebnisse
       ihrer Studie haben sie im Fachmagazin Nature Biomedical Engineering]
       veröffentlicht.
       
       Eigentlich ist das Immunsystem dazu da, den Körper bei Infektionen zu
       schützen. Es erkennt zum Beispiel Antigene wie Viren und Bakterien, die in
       den Körper eindringen und wehrt sie ab, indem es Antikörper bildet.
       [3][Impfungen bereiten den Körper auf einen Krankheitserreger vor], indem
       sie bereits vor der Infektion eine Immunantwort auslösen.
       
       Anders sieht es bei Personen mit Autoimmunerkrankungen aus: Ihr Immunsystem
       kann nicht zwischen körperfremden und körpereigenen Antigenen
       unterscheiden. Es attackiert gesunde Körperzellen, wodurch Zell- oder
       Gewebeschäden entstehen. Autoimmunkrankheiten geben der Forschung viele
       Rätsel auf, oftmals ist nicht bekannt, wie es zu der Fehlfunktion kommt.
       
       ## Vollständiger Schutz vor Krankheit
       
       Bei MS weiß man, dass die Myelinschicht beschädigt wird, eine
       proteinhaltige Substanz, die die meisten Nervenfasern im Körper umhüllt.
       Genau diese Immunreaktion soll die inverse Impfung unterdrücken. Die
       US-Forscher*innen koppelten zu diesem Zweck ein Myelinprotein, auf das das
       Immunsystem fälschlicherweise reagieren würde, mit einem Zuckermolekül. Sie
       vermuteten, dass das Zuckermolekül dem Immunsystem signalisiert: Hey, lass
       mich in Ruhe, ich tue dir nichts. Und es funktionierte. Fünfzig Tage lang
       beobachtete das Forschungsteam Gruppen von an MS erkrankten Mäusen, von
       denen einige am ersten Tag, nach drei Tagen oder nach sechs Tagen eine
       inverse Impfung erhalten hatten. Das Ergebnis: Alle Tiere zeigten einen
       vollständigen Schutz vor der Krankheit.
       
       Vielleicht ein Durchbruch. Die Forscher*innen zeigen erstmals, dass eine
       Behandlung mit einer inversen Impfung nach dem Ausbruch der Krankheit
       erfolgreich ist. Die Attacken auf die Myelinschicht wurden gestoppt und
       Krankheitssymptome wie Lähmungen oder Sehverluste gingen zurück. Auch
       Mäuse, die eine schubförmige MS-Variante hatten – die am weitesten
       verbreitete Form der Krankheit –, wurden nach einer Impfung nicht
       rückfällig. Für heutige MS-Patient*innen bedeutet das aber nur ein Licht am
       Ende eines sehr langen Tunnels. Der Weg vom Mausmodell zur Marktreife ist
       weit.
       
       3 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Diabetes-im-Zyklus/!5960784
 (DIR) [2] https://www.nature.com/articles/s41551-023-01086-2.epdf?sharing_token=npRrEtA5NKBkNpY-rAosedRgN0jAjWel9jnR3ZoTv0NZixTCt-2hmnDSO3r1Rs43sS1WbrvroUBqjpCAI6ZZtShBBe8zC7SDH9OZpa3s3PkmVP-QFWWaCKVDzLRoT4h9LZKRm0uPxGxCo3q2AQAi7_Bf3SWXU82maLlzviMsc9twJesDPeMTWQTta4xjsSdq2qsZR6PmpyYzr_zLRkFwPXNrkFZuih9ar5ZR5lXUZVw%3D&tracking_referrer=www.derstandard.at
 (DIR) [3] /Infektion-mit-Covid-19/!5965594
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anastasia Zejneli
       
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