# taz.de -- Hundeführerschein in Bremen: Geprüfte Herrchen und Frauchen
       
       > Nachdem ein Rottweiler ein Kind schwer verletzt hat, führt Rot-Rot-Grün
       > den Sachkundenachweis für Hundehalter:innen ein. Rasse spielt keine
       > Rolle.
       
 (IMG) Bild: Egal wie groß und wie gefährlich: Bremen führt nun den Hundeführerschein für alle Rassen ein
       
       BREMEN taz | Als zweites Bundesland will Bremen einen Sachkundenachweis –
       auch [1][Hundeführerschein genannt – für alle Hundehalter:innen]
       einführen. Dies kündigte die Landesregierung am Donnerstag an, einen Tag,
       nachdem ein Rottweiler sich an der Weser von der Leine gerissen und ein
       sechsjähriges Mädchen mit Bissen in den Kopf schwer verletzt hatte.
       
       Geplant war dies ohnehin: Die rot-rot-grüne Koalition hatte dies in ihren
       im Juni geschlossenen Koalitionsvertrag aufgenommen. Aufgrund des aktuellen
       Vorfalls vergangene Woche soll das Vorhaben jetzt beschleunigt werden und
       ein entsprechend geändertes Hundegesetz noch in diesem Jahr vom Parlament
       beschlossen werden.
       
       Was genau in dem Gesetz stehen soll, ist noch offen, etwa, ob es nur für
       neu angeschaffte Hunde gelten soll und wie die Umsetzung kontrolliert
       werden soll.
       
       Erfahrungen gibt es mit dem Thema im Nachbarland Niedersachsen, das bereits
       2013 den verpflichtenden Sachkundenachweis für Besitzer:innen von
       Hunden aller Rassen eingeführt hat. In vielen anderen Bundesländern gilt
       dies nur für ausgewählte Rassen, die als besonders gefährlich gelten.
       
       Ob der Hundeführerschein dazu führen kann, dass weniger Menschen oder
       andere Haustiere von Hunden gebissen werden, wie es Bremens Landesregierung
       verspricht, ist allerdings unklar. Es gibt in Niedersachsen keine Statistik
       über [2][Beißvorfälle], aus der sich eine Entwicklung ablesen ließe. In
       Bremen hatte es bis Oktober 35 Vorfälle gegeben, bei denen Hunde Menschen
       verletzt hatten. 2021 waren es im ganzen Jahr 60 und 43 im Jahr 2022.
       
       ## Zweifel am Sinn der Prüfung
       
       Auch eine Evaluation der gesetzlichen Maßnahmen existiert nicht, wie die
       niedersächsische Landesregierung zuletzt [3][2020 auf eine Anfrage im
       Landtag] mitteilte. Aufgrund von Erfahrungswerten soll es laut einer
       Ankündigung im Juni dennoch geändert werden. Dabei geht es aber nur um den
       Umgang mit als gefährlich eingestuften Hunden. Einen Termin für eine
       Verabschiedung des Gesetzentwurfs durch das Parlament gebe es nicht, so
       eine Sprecherin des Agrarministeriums in Hannover.
       
       Nachfragen könnte der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) bei Menschen
       aus der Praxis wie Ralf Rüst. Er ist Vorsitzender der Landesgruppe
       Ems-Ostfriesland des Internationalen Rasse-Jagd-Gebrauchshundeverbands in
       Norden. Sein Verein bereitet Hundebesitzer:innen an fünf Abenden auf
       den theoretischen Teil des Sachkundenachweis vor. Etwa 500 Personen hätten
       seit 2013 freiwillig den Kurs durchlaufen, um sich so auf die Prüfung
       vorzubereiten. Vorgeschrieben ist das nicht. Man kann sich das Wissen auch
       selbst anlesen oder logisch denken. „So schwer ist das nicht“, sagt Rüst.
       
       Dabei ist es aus seiner Sicht nicht entscheidend, wie jemand bei einer
       Prüfung abschneidet – sondern ob man sich damit auseinandergesetzt hat, was
       es bedeutet, einen Hund zu halten. „Das machen sich die wenigsten vorher
       klar“, sagt er, „manche wundern sich sogar darüber, wenn wir ihnen
       erklären, wie oft sie mit dem Hund zum Laufen rausgehen müssen.“ Auch
       machten sich nur wenige darüber Gedanken, dass sie sich ein Raubtier
       zulegen, das sie beispielsweise nicht mit kleinen Kindern allein lassen
       dürfen. Das gelte auch für kleine Hunderassen, sagt Ralf Rüst, deren Bisse
       könnten auch gefährlich werden. Und: „Diese Gefahren werden völlig
       unterschätzt.“
       
       Laut Gesetz müssen die Hundehalter:innen den Sachkundenachweis vor der
       Anschaffung eines Hundes erbringen. Doch das käme in der Praxis so gut wie
       nie vor, sagt Ralf Rüst. „Das haben wir vielleicht drei Mal in zehn Jahren
       erlebt.“ Die anderen würden geschickt, wenn sie ihre Hunde beim Finanzamt
       für die Steuer anmelden oder beim niedersächsischen Hunderegister, was seit
       2013 ebenfalls vorgeschrieben ist. Je nach Personalausstattung der
       Ordnungsämter wird kontrolliert, ob die Hundehalter:innen ihren
       Pflichten wirklich nachgekommen sind.
       
       Immer wieder beobachtet Ralf Rüst, dass auch Personen, die durch die
       Prüfung gefallen sind, ihren Hund behalten dürfen. Zweifel hat er auch am
       Sinn der praktischen Prüfung. Die muss in Niedersachsen nämlich nicht mit
       dem eigenen Hund absolviert werden. „Da gibt es dann Prüfer, die stellen
       ihren eigenen, gut ausgebildeten Hund zur Verfügung.“
       
       Letztlich sei es auch eine Kostenfrage, ob die Hundehalter:innen den
       Sachkundenachweis erbringen. Die Prüfung durch eine Veterinärmedizinerin,
       die sein Verein anbietet, kostet 120 Euro, andere Anbieter sind etwas
       günstiger oder teurer. „Das kann für manche zu viel Geld sein.“ Für den
       Abendkurs seines Vereins werden hingegen nur Materialkosten fällig – für
       ihn eine effektivere Maßnahme als eine Prüfung, um Menschen für das sichere
       Leben mit einem Hund vorzubereiten.
       
       ## Grüne fordern zusätzlich Chip- und Registrierpflicht
       
       Die Bremer Grünen forderten am Freitag zusätzlich zum Sachkundenachweis
       eine Chip- und Registrierpflicht für Hunde, wie es sie auch in
       Niedersachsen gibt, um einen Überblick über die Anzahl der Tiere zu haben
       und Hunde ihren Besitzer:innen zuordnen zu können. Die praktische
       Prüfung müsse aber anders als in Niedersachsen mit dem eigenen Hund
       durchgeführt werden. „Nur so können die Halter:innen zeigen, dass sie
       mit ihrem Hund umgehen können.“
       
       Deutlicher hatte es Bremens Innensenator Mäurer im vergangenen Jahr [4][in
       einer Parlamentsdebatte formuliert], als die FDP-Fraktion den
       Sachkundenachweis zur Pflicht hatte machen wollen: „Für eine solche Idee
       habe ich durchaus sehr große Sympathien, weil die persönliche Eignung des
       Halters das A und O ist und dass man jedem Vollidioten einen Hund an die
       Hand geben kann.“
       
       Darüber hinaus hatten 2021 die Bremer Grünen [5][aus Tierschutzgründen
       einen Führerschein für alle Haustiere gefordert.] Dies allerdings
       erfolglos.
       
       7 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Neues-Hundegesetz/!5067439
 (DIR) [2] /Hund-attackiert-zweijaehriges-Maedchen/!5856751
 (DIR) [3] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_07500/07001-07500/18-07222.pdf
 (DIR) [4] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp20/land/protokoll/P20L0034.pdf
 (DIR) [5] /Gruene-wollen-Tierhalterinnen-pruefen/!5749555
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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