# taz.de -- Hassrede nach Vergewaltigungsprozess: Die standhafte Richterin
       
       > Die Hamburger Jugendrichterin Anne Meier-Göring wird seit Dienstag im
       > Internet mit Hass überschüttet. Dabei ist sie mutig und klug.
       
 (IMG) Bild: Lässt sich nicht von Meinungsmache unter Druck setzen: Anne Meier-Göring, hier im Juli 2020
       
       HAMBURG taz | Man muss nicht mit der Jugendkammer des Hamburger
       Landgerichts übereinstimmen, die neun Jugendliche im „Stadtpark-Prozess“ zu
       teils milden Strafen verurteilte. Trotzdem ist der Hass, mit dem die
       Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring seit dem Urteil überschüttet wird,
       völlig unangebracht.
       
       Die Prozessbeteiligten hatten anderthalb Jahre lang unter Ausschluss der
       Öffentlichkeit über die mehrfache Vergewaltigung einer 15-Jährigen im
       September 2020 im Stadtpark verhandelt. Im Corona-Lockdown war der
       [1][Stadtpark zeitweise der einzige Ort gewesen, wo sich Jugendliche
       treffen konnten]. Während eines abendlichen Besäufnisses mit Tausenden
       Jugendlichen nutzten neun von ihnen die Trunkenheit der 15-Jährigen aus und
       vergewaltigten sie in den Büschen.
       
       Meier-Göring sprach am Dienstag alle Angeklagten schuldig und verhängte für
       acht von ihnen Jugendstrafen von bis zu zwei Jahren auf Bewährung. Für
       einen 19-Jährigen ordnete sie eine Haftstrafe von zwei Jahren und neun
       Monaten an. Seitdem tobt in den sozialen Netzwerken der Mob. Die
       User*innen nennen Meyer-Göring „die Schande von Hamburg“ und wünschen
       ihr, sie möge selbst vergewaltigt werden.
       
       Vielleicht würde der Hass nicht so überschäumen, wären die Verurteilten
       weiße Deutsche statt Jugendliche mit Migrationsgeschichte, und wäre die
       Richterin keine Frau. Zudem ist Meier-Göring nicht irgendeine Frau, sondern
       eine sehr mutige und kluge. Schon oft hat sie durch ihre Rechtsprechung
       gezeigt, dass sie sich nicht von öffentlicher Meinungsmache unter Druck
       setzen lässt und keine Angst hat, staatliche Stellen zu kritisieren.
       
       ## Kritik an den Ermittlungen der Polizei
       
       Dafür wurde sie bislang von verschiedenen Seiten angefeindet: [2][Beim
       G20-Elbchaussee-Prozess 2018] schossen ihre Kolleg*innen aus dem
       Justizapparat schon gegen sie, bevor sie die Hauptverhandlung überhaupt
       eröffnet hatte. Mit dem Urteil dann stellte sich Meier-Göring gegen die
       windige Rechtsauslegung der Staatsanwaltschaft, die alle am Protest
       Beteiligten in Sippenhaft für den Sachschaden nehmen wollte. Stattdessen
       äußerte die Richterin massive Kritik an den Ermittlungen der Polizei.
       
       Schon 2016 hatte sie im Prozess [3][wegen sexueller Nötigungen an Silvester
       auf dem Kiez] Bestürzung über die stümperhafte Polizeiarbeit geäußert.
       
       Bei Verhandlungen wie dem Stadtpark-, G20- oder Silvester-Prozess liegt
       viel Druck auf den Richter*innen – die Öffentlichkeit hat oft schon
       geurteilt, bevor die Verhandlung abgeschlossen ist. Es macht Mut, dass
       Meier-Göring sich davon nicht bedrängen lässt. Möge sie die Hatespeech
       ignorieren oder anzeigen – und standhaft bleiben.
       
       1 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [2] /Elbchaussee-Prozess-in-Hamburg/!5694475
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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