# taz.de -- Bewegungstermine in Berlin: Die Kriegskassen, sie klingeln
       
       > Der Antiimperialismus ist nicht tot, schon deshalb, weil der
       > Imperialismus so quietschlebendig ist. Die militaristische Logik gehört
       > weiter bekämpft.
       
 (IMG) Bild: An jedem Krieg, in jedem Land …
       
       Der Begriff des Antiimperialismus hat heute faden Beigeschmack erhalten.
       Ihm haftet der Ruch von Steinzeitlinken an, welche die Welt durch eine
       Schubladenlogik betrachten, in der alle entweder Unterdrückte oder
       Unterdrücker sind, ohne Graustufen. Im Kern das Resultat eines verhärteten
       Antiamerikanismus, steht die Tradition unter dem Verdacht notorischer
       Falschabbiegerei, zum Beispiel wenn sich mit der aggressiven
       Expansionspolitik Putins oder dem islamistischen Gemetzel der Hamas
       solidarisiert wird.
       
       Gleichwohl zeugt ja gerade [1][Russlands Krieg in der Ukraine] davon, wie
       lebendig der Imperialismus ist. Die grundlegende Tendenz bleibt, dass
       kapitalistische Staaten auf politische Macht und auch auf Gewalt setzen, um
       ihre Absatzmärkte zu sichern und zu erweitern. Statt der Situation einer
       bipolaren Systemkonkurrenz wie im Kalten Krieg und später einer unipolaren
       US-Weltmachtstellung können wir heute eine Situation beobachten, in der
       verschiedene kapitalistische Machtblöcke untereinander entlang vielfältiger
       ökonomischer, geopolitischer und ideologischer Konfliktlinien konkurrieren.
       
       Das verkompliziert die Verhältnisse und macht alte pauschale Weisheiten
       teilweise redundant. Es ändert aber nichts an den grundsätzlichen
       Wechseldynamiken zwischen Aufrüstung und Neoliberalismus, Militarismus und
       einem sich nach Innen verschärfenden Autoritarismus. Die Kriege zwischen
       imperialen Machtblöcken bleiben ein patriarchaler und rassistischer
       Albtraum, der guten Nährboden für die Faschisten schafft, die die
       Sicherheitsbehörden ohnehin schon heute durchsetzen.
       
       ## Kriegsindustrie verjagen
       
       Tot kann der Antiimperialismus also gar nicht sein, schon weil der
       Imperialismus so quietschlebendig ist. Davon zeugt die [2][Berlin Security
       Conference (BSC)], die am Mittwoch und Donnerstag (29. – 30. 11.) zum 22.
       Mal in Berlin stattfindet. Als befänden wir uns in den Zeiten des
       Bismarck'schen Imperialismus, lassen hochrangige Militärs, die politische
       Führungsriege und Vertreter:innen der Kriegsindustrie in einem
       Nobelhotel die Gläser klirren.
       
       Das Geschäft mit dem Sterben läuft schließlich gut. Im Kapitalismus ist
       jedes zerstörte Haus, jede:r zerfetzte:r Soldat:in und jeder
       ausgebrannte Panzer eine Vernichtung von Warenwerten, die schleunigst
       ersetzt gehören. An jedem Krieg in jedem Land verdient die Kriegsindustrie
       – auf beiden Seiten. So hat sich seit Russlands Überfall auf die Ukraine im
       Februar 2022 [3][der Wert der Rheinmetall-Aktie verdreifacht, im ähnlichen
       Maße ist auch die Rendite angestiegen].
       
       Ein Bündnis aus linksradikalen, antifaschistischen und antimilitaristischen
       Gruppen ruft dazu auf, sich der widerlichen Logik des Militarismus
       entgegenzustellen. Unter dem Motto [4][„Keine Kriegskonferenz in unserer
       Stadt! Abrüsten statt Sozialabbau!“] wird am Mittwoch (29. 11.) um 18 Uhr
       eine Demonstration am Frankfurter Tor starten und von dort aus zur
       Landsberger Allee ziehen. Dort liegt das Hotel Vienna House by Wyndham
       Andel's, wo sich die Kriegstreiber treffen werden.
       
       ## Militarismus im Innern
       
       Aufgerüstet werden soll in Deutschland aber auch im Innern. Die
       rot-schwarze Landesregierung Berlins etwa – anders als noch Rot-Grün-Rot
       davor – setzt in der sich zuspitzenden sozialen Lage auf [5][mehr
       Befugnisse für die Polizei], also auf Repression. Auf dem Wunschzettel der
       Law-and-Order-Fanatiker:innen stehen zum Beispiel mehr Taser, Bodycams und
       Videoüberwachung sowie eine Ausweitung der Möglichkeit für
       Präventivgewahrsam von zwei auf fünf Tage.
       
       Trotz umfassender Kritik scheint Innensenatorin Iris Spranger (SPD)
       entschlossen, das Gesetz durchzuboxen. Die Frage stellt sich deshalb:
       [6][„Was wollen wir gegen die CDU/SPD-Innenpolitik tun?“] Unter diesem
       Titel findet am Donnerstag (30. 11., 19 Uhr) im [7][Haus der Demokratie und
       Menschenrechte] eine Podiumsdiskussion statt. Eingeladen sind der
       Juraprofessor Hartmut Aden, die Aktivisten im [8][“Bündnis für soziale
       Sicherheit #noASOG“] David Kiefer (auch bei Wrangelkiez United!) und Ali
       Mehrens sowie der Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader.
       
       Natürlich – darum wird es auch in der Diskussion gehen – sind nur soziale
       Ansätze tatsächlich in der Lage, soziale Probleme zu lösen. Doch das können
       Menschen, die in der imperialistischen Logik gefangen sind, nicht
       verstehen. Denn die imperialistische Idee, neue Absatzmärkte durch
       politische Macht herzustellen, ist verbunden mit dem neoliberalen
       Gedankengut, also der Unterwerfung immer weiterer Gesellschaftsbereiche
       unter das Diktat des Kapitals. Wer Waffen kaufen will, muss schließlich
       woanders einsparen, vorzugsweise im Sozialbereich.
       
       ## No nations, no borders
       
       Welche Auswirkungen der Neoliberalismus zum Beispiel auf die soziale Arbeit
       hat, darum geht es bei einer [9][Lesung und Diskussion mit Mechthild
       Seithe], die am Donnerstag (30. 11.) um 19 Uhr in der [10][Bibliothek am
       Luisenbad] (Badstraße 39) stattfindet. Die ehemalige Professorin an der Uni
       Jena ist seit vielen Jahren eine Aktivistin für die Arbeitsbedingungen in
       der sozialen Arbeit und hat unter anderem das [11][“Schwarzbuch Soziale
       Arbeit“] verfasst. Auf der vom [12][Solidaritätstreff für Beschäftigte der
       sozialen Arbeit] organisierten Veranstaltung wird sie aus ihrem
       unveröffentlichten Buch „Das war gestern, Ackermann!“ lesen.
       
       Dass der Imperialismus untrennbar mit dem Kapitalismus zusammenhängt, macht
       sich auch an Europas Außengrenzen bemerkbar. Mit den Militärtechnologien
       des imperialistischen Komplexes wird hier versucht, den Zustrom von
       gewünschtem und ungewünschtem Humankapital zu steuern. Flugzeuge und
       Drohnen, Satelliten- und Sensortechnik, umfassende Datenanalysen – all dies
       dient Frontex und Co. zur [13][Aufspürung und Abwehrung von ungewollten
       Menschen].
       
       Doch mit der Technik ist es ja oft so, dass sie auf gute und auf schlechte
       Weisen genutzt werden kann. [14][Eine Veranstaltung von verschiedenen mit
       Geflüchteten solidarischen Organisationen will deshalb darüber informieren,
       wie die Tools der Unterdrücker auch dafür genutzt werden können],
       Menschenrechtsverletzungen wie Pushbacks vor Gericht zu bringen und die
       Seenotrettung effektiver zu gestalten. Die Veranstaltung findet auf
       Englisch statt. (Freitag, 1. 12., 19 Uhr, Südblock am Kottbusser Tor,
       Skalitzer Straße 6).
       
       ## Internationale Solidarität
       
       Wenn die Regierungen aufrüsten und immer autoritärer werden, ist es umso
       wichtiger, dass die Menschen überall zusammenstehen. Das bedeutet auch,
       zusammenzuhalten, wenn kapitalistische Staaten kooperieren, um unliebsame
       politische Aktivist:innen loszuwerden.
       
       Deutschland beispielsweise verfolgt mit großem Eifer türkische
       Kommunist:innen. Seit Mitte Juni finden am Oberlandesgericht Düsseldorf
       drei Prozesse gegen Özgül Emre, İhsan Cibelik und Serkan Küpeli statt, die
       der „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“
       (§129b) verdächtigt werden. Die drei sollen führende Mitglieder:innen
       der [15][Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front DHKP-C] sein, die auch
       Attentate gegen den türkischen Staat verübt hat und von der BRD als
       Terrororganisation eingestuft wird.
       
       Doch Emre, Cibelik und Küpeli werden keine Gewalttaten vorgeworfen.
       [16][Paragraf 129b erlaubt es, harmlose Aktivitäten wie das Sammeln von
       Spenden oder das Organisieren von Konzerten zu kriminalisieren]. Um gegen
       diese Ungerechtigkeit zu protestieren, befinden sich mehrere türkische
       Aktivist:innen teils seit vielen Monaten im Hungerstreik. Um
       internationale Solidarität und einen konsequenten Antiimperialismus
       praktisch werden zu lassen, lohnt es sich, [17][zur Demo am Samstag (2.
       12.) zu erscheinen, die um 14 Uhr vor dem Bundesjustizministerium startet].
       
       28 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
 (DIR) [2] https://www.euro-defence.eu/
 (DIR) [3] https://www.finanzen.net/aktien/rheinmetall-aktie@stBoerse_XETRA
 (DIR) [4] https://nobsc2023.noblogs.org/
 (DIR) [5] /Novelle-des-Berliner-Polizeigesetzes/!5969488
 (DIR) [6] https://hausderdemokratie.de/Veranstaltung?event_id=504&event_link=Veranstaltungen&show_event=
 (DIR) [7] http://hausderdemokratie.de
 (DIR) [8] https://buendnis-soziale-sicherheit.de/
 (DIR) [9] https://www.unverwertbar.org/aktuell/2023/8480/
 (DIR) [10] https://www.berlin.de/stadtbibliothek-mitte/bibliotheken/bibliothek-am-luisenbad/
 (DIR) [11] https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-531-94027-4
 (DIR) [12] https://www.unverwertbar.org/solitreff-sozarbeit/
 (DIR) [13] /EU-Kommissionspraesidentin-auf-Lampedusa/!5960672
 (DIR) [14] https://stressfaktor.squat.net/node/302200
 (DIR) [15] /Hungerstreik-gegen-Terror-Paragraf-129/!5931051
 (DIR) [16] /Soziologe-ueber-deutsches-PKK-Verbot/!5970077
 (DIR) [17] https://stressfaktor.squat.net/node/302256
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timm Kühn
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kolumne Bewegung
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Antimilitarismus
 (DIR) Pazifismus
 (DIR) Antiimperialismus
 (DIR) Imperialismus
 (DIR) Repression
 (DIR) Schwerpunkt Überwachung
 (DIR) Law and Order
 (DIR) Polizei Berlin
 (DIR) Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)
 (DIR) taz Plan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Kritik am Polizeigesetz: Opposition hat da ein paar Fragen
       
       Die Debatte um ein schärferes Polizeigesetz ist entbrannt: Grüne bringen
       Fragenkatalog in den Innenausschuss am Montag ein.
       
 (DIR) „Friedensdemonstration“ in Berlin: Wagenknecht vor ihrer Klientel
       
       Tausende demonstrierten gegen Aufrüstung und für Frieden in Berlin. Sorgen,
       mit wem man sich gemeinmacht, sind anscheinend nicht so groß.
       
 (DIR) Bewegungstermine in Berlin: Krieg ist keine Lösung
       
       Wegen der türkischen Angriffe auf kurdische Gebiete findet in Berlin eine
       Aktionswoche statt. Auch die Berlin Security Conference sorgt für Protest.