# taz.de -- Japanischer Film: Homoliebe unter Samurai
       
       > In „Kubi“ zeigt Takeshi Kitano eine kaum bekannte Seite der
       > Schwertkrieger. Der Filmemacher ist bekannt für Gewaltszenen – doch kann
       > auch anders.
       
 (IMG) Bild: Szene aus „KUBI“, inszeniert und geschnitten von Takeshi Kitano
       
       Mit seinem neuen Film „Kubi“ bestätigt der [1][japanische Filmemacher
       Takeshi Kitano] seinen Ruf als Provokateur. In seiner Rückkehr zum
       Samurai-Film interpretiert Takeshi einen berühmten historischen
       Zwischenfall aus dem Jahr 1582 auf überraschende Weise neu. Damals überfiel
       der Samurai-General Mitsuhide Akechi seinen Lehnsherrn Nobunaga Oda im
       Tempel Honno in Kioto und trieb ihn in den Selbstmord.
       
       Takeshi erklärt den Putsch erstmals mit homoerotischen Beziehungen zwischen
       den Kriegsherren. „Was bei bisherigen Darstellungen dieser Zeit nie gezeigt
       wurde, sind die Beziehungen zwischen Männern, einschließlich ihrer
       homosexuellen Beziehungen“, so Kitano vor dem Filmstart in Japan.
       
       „Kubi“ geht von einer Dreiecksbeziehung zwischen Oda, Akechi und dem
       Fürsten Araki Murashige aus. Diese Lesart ist weniger gewagt, als man im
       Westen vermuten könnte, [2][wo Samurai als besonders männliche Krieger
       gelten]. Doch Sex zwischen Männern war zur damaligen Zeit weit verbreitet,
       organisiert in Samurai-Häusern, buddhistischen Klöstern und mit dem
       Kabuki-Theater verbundenen Männerbordellen.
       
       ## Homosexualität in Japan
       
       „Homosexuelles Verhalten war während der Tokugawa-Zeit (1603–1868) ein
       hervorstechendes Merkmal der Mainstream-Kultur“, schreibt der Historiker
       Gary P. Leupp. Erst mit der Meiji-Restauration ab 1868 und dem Streben der
       Elite nach Verwestlichung wurde es allmählich zum Tabu.
       
       Dennoch ignorierten die meisten Historienfilmemacher in Japan die damals
       offen ausgelebte Homoliebe, obwohl weibliche Charaktere in vielen
       Samurai-Streifen fehlen. Man zeigte höchstens „homosoziale Begehren“, das
       sich durch die Verachtung von Frauen und die Unterdrückung von
       Homosexualität auszeichnete. Eine bekannte Ausnahme ist „Taboo“ (1999) von
       [3][Nagisa Oshima], in dem ausgerechnet Kitano mitspielte.
       
       Dagegen stellt „Kubi“ den homosexuellen Liebesakt offen dar und verleiht
       dem Intrigendrama eine emotionale Qualität, die auch westliche Zuschauer
       ohne genaue Kenntnisse der japanischen Historie spüren können. Ryo Kase
       spielt den vom Wahnsinn besessenen, grausamen Diktator Oda, der sich an
       seinen männlichen Geliebten vergeht und den Putschgeneral Mitsuhide,
       dargestellt von Hidetoshi Nishijima, quält. Fürst Akechi, gespielt von
       Kenichi Endo, ist süchtig nach Liebe und verrückt vor Eifersucht.
       
       ## „Lachen ist ein Teufel“
       
       Zwischen diesen Extremen steht der Fürst Toyotomi Hideyoshi, verkörpert
       durch Kitano selbst, ein gerissener Kriegsherr, der die Schwächen der
       verschiedenen Fraktionen und ihrer Führer analysiert und sie gegeneinander
       ausspielt. Eigentlich wollte Kitano für „Kubi“ – den er auch geschrieben
       und geschnitten hat – als Regisseur hinter der Kamera bleiben, aber die
       Produzenten des Films sagten ihm, dass es schwieriger wäre, den Film im
       Ausland zu vermarkten, wenn er nicht mitspielen würde.
       
       Kitano, der 1989 mit „Violent Cop“ sein Regiedebüt gab und 1997 für
       „Hana-bi“ den Goldenen Löwen der [4][Filmfestspiele von Venedig] gewann,
       ist bekannt für seine extremen Gewaltszenen. Hier bleibt sich der Japaner
       treu. Der Titel „Kubi“ bedeutet „Hals“ oder „Nacken“ und bezieht sich auf
       das verbreitete Kopfabschlagen in der Welt der Samurai. Dennoch glänzt das
       Werk durch unerwartete Szenen mit beißendem Humor.
       
       So reißen Hideyoshi und seine Begleiter Witze, während sie einen Samurai
       bei seinem Selbstmordritual beobachten. „Lachen ist ein Teufel“, sagt
       Kitano. „Wenn die Leute sehr ernst sind, wie bei Hochzeiten oder
       Beerdigungen, bringt sie immer irgendjemand zum Lachen.“ Als nächstes
       Projekt realisiert er gerade einen Film, der in seiner ersten Hälfte Gewalt
       zeigt und sie in der zweiten Hälfte parodiert. „Ich denke, ich kann das
       irgendwie hinbekommen“, grinst der Filmemacher.
       
       15 Dec 2023
       
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 (DIR) Martin Fritz
       
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