# taz.de -- Medienunfreiheit in Aserbaidschan: Die Repressionswelle rollt weiter
       
       > Die Serien an Festnahmen kritischer Journalist*innen reißt nicht ab.
       > Dabei könnten die Anschuldigungen der Behörden nicht absurder sein.
       
 (IMG) Bild: Dauerpräsident Ilham Alijew bei einer Militärparade am 08.11.2023 in Stepanakert
       
       BERLIN taz | Die aserbaidschanische Regierung ist mit AbasMedia
       offensichtlich immer noch nicht fertig: Am vergangenen Donnerstag nahm die
       Polizei eine weitere Mitarbeiterin des unabhängigen Onlinemediums fest.
       Informationen der nichtstaatlichen Nachrichtenagentur Turan zufolge wurde
       Nargiz Absalamowa zur Hauptverwaltung der Polizei in der Hauptstadt Baku
       gebracht.
       
       Kurze Zeit später wollen Kolleg*innen gesehen haben, wie die junge Frau
       in Begleitung von Polizeikräften das Gebäude wieder verließ. Das
       aserbaidschanische Innenministerium bestätigte die Festname Absalamowas. Es
       seine Ermittlungen eingeleitet worden, hieß es. Was der Journalistin zur
       Last gelegt wird, ist nicht bekannt.
       
       Bereits am 20. November [1][waren die Chefredakteurin von AbasMedia Sevinj
       Vagifgizi, der Direktor Ulvi Hasanli sowie dessen Stellvertreter Mahammad
       Kekalow festgenommen worden]. Ihnen wird vorgeworfen, als Gruppe
       Fremdwährung geschmuggelt zu haben. Darauf stehen bis zu acht Jahren Haft.
       
       Das autoritäre Regime von Dauerpräsident Ilham Alijew geht schon länger
       gegen AbasMedia vor. Grund dafür ist die Veröffentlichung mehrerer
       investigativer Recherchen über Korruption unter hochrangigen Beamten sowie
       Mitgliedern von Alijews Familienclan.
       
       ## Rache für Recherchen
       
       Auf die ersten Festnahmen reagierte AbasMedia mit einer Erklärung. „Wir
       haben eine Reihe von [2][Recherchen zu Korruptionsverbrechen]
       veröffentlicht, die der Präsident des Landes und von ihm ernannte Beamte
       begangen haben. Wir glauben, dass Ulvi Hasanlis Inhaftierung mit diesen
       Recherchen zusammenhängt.“ Die entsprechende Anordnung Alijews habe das
       Ziel, AbasMedia zu schließen und die Verbreitung von Informationen über
       Korruptionsverbrechen zu verhindern, heißt es darin.
       
       Doch nicht nur AbasMedia ist Opfer staatlicher Repressionen. Am vergangenen
       Montag wurde Aziz Orujow, Gründer und Direktor des unabhängigen TV-Senders
       Kanal 13 in Baku festgenommen. Seine Inhalte zeigt Kanals 13 ausschließlich
       bei YouTube, vor allem geht es darin um Politik und Soziales. Der Festnahme
       vorausgegangen waren Durchsuchungen von Orujews Privathaus und Pkw sowie
       den Räumlichkeiten des Senders.
       
       Am Dienstag verhängte ein Gericht eine dreimonatige Untersuchungshaft.
       Angeblich soll Orujow sein Haus ohne offizielle Genehmigung gebaut haben.
       Im Falle einer Verurteilung drohen dem Beschuldigten bis zu drei Jahre
       Gefängnis.
       
       Orujows Anwalt Bahruz Bayramow, den das Webportal oc-media.org zitiert,
       gebe es für eine Verhängung von Untersuchungshaft keinen Grund. Der Wohnort
       seines Mandanten sei bekannt. Daher bestehe keine Fluchtgefahr.
       
       ## Auf Bewährung
       
       Aziz Orujow war bereits 2017 festgenommen worden. Damals wurde er
       beschuldigt, eine Firma geleitet zu haben, die nicht in Aserbaidschan
       registriert war. Im darauf folgenden Jahr kam er auf Bewährung frei,
       nachdem Aserbaidschans Oberstes Gericht ihn vom Vorwurf illegalen
       Unternehmertums frei gesprochen hatte.
       
       Der Fall AbasMedia hat mittlerweile auch die diplomatische Ebene erreicht.
       Ebenfalls in dieser Woche wurden die Botschafter der USA, Frankreich und
       Deutschlands ins aserbaidschanische Außenministerium einbestellt.
       
       Während des Treffens, so oc-media.org, seien die US-Organisationen United
       States Agency for International Development (USAID) und FreedomNow sowie
       die dänische Stiftung New Democracy Fund beschuldigt worden, illegal Gelder
       nach Aserbaidschan transferiert zu haben. Damit sollen auch Aktivitäten von
       AbasMedia finanziert worden sein. Das stelle eine Verletzung des Wiener
       Übereinkommens über diplomatische Beziehungen dar, so das Ministerium.
       
       Die Deutsche Botschaft wies die Anschuldigungen zurück und äußerte sich vor
       allem besorgt über das Schicksal von Mahammad Kekalow, der sich besonders
       für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzt. „Wir erwarten, dass
       Mahammad Kekalow einen fairen und legalen Prozess bekommt“, heißt es in der
       Erklärung.
       
       ## In Russlands Armen
       
       Die aserbaidschanische Investigativ-Journalistin Khadija Ismayilova merkte
       an, dass die Kritik der Regierung in Baku an den westlichen Botschaften ein
       Zeichen ihrer derzeitigen Loyalität sei. „Länder, die den Westen zum Feind
       erklären, liegen meist in den Armen Russlands. Zumindest bislang wurde von
       einer ausgewogenen Außenpolitik gesprochen. Jetzt unterscheidet sich die
       Rhetorik der aserbaidschanischen Führung nicht von der Rhetorik des
       belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenkos“, sagte Ismayilova.
       
       In der Südkaukasusrepublik Aserbaidschan steht die Zivilgesellschaft seit
       dem Machtantritt von Ilham Alijew im Jahr 2003 unter Druck. Besonders
       regimekritische Medienmacher*innen bekommen das zu spüren. Mord,
       Festnahmen, Folter, Haft oder der erzwungene Gang ins Exil sind gängige
       Praxis.
       
       Ein neues verschärftes Mediengesetz von 2022 ist darauf ausgerichtet, auch
       noch die letzten oppositionellen Stimmen zum Schweigen zu bringen. Auf
       ihrer diesjährigen Rangliste der Pressefreiheit führt die
       Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) Aserbaidschan auf
       Rang 151 von 180 Ländern.
       
       1 Dec 2023
       
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 (DIR) Barbara Oertel
       
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