# taz.de -- Mahnwache für alle Toten in Nahost: Gegen den Hass
       
       > In London fand am Sonntag eine Mahnwache für israelische und
       > palästinensische Opfer statt. Über 1.000 Menschen stellten sich gegen
       > Polarisierung.
       
 (IMG) Bild: „Together for Humanity“ Mahnwache in London
       
       LONDON taz | Die Menschen um die kleine Bühne gegenüber von 10 Downing
       Street tragen keine Fahnen oder Plakate, allerhöchstens Regenschirme. Über
       1.000 Menschen sind am Sonntagnachmittag vor dem Amtssitz des britischen
       Premierministers in London zur Mahnwache der Initiative [1][„Together for
       Humanity“] gekommen. Es ist ihre zweite Veranstaltung seit dem 7. Oktober
       zum Gedenken an die Toten beider Seiten im israelisch-palästinensischen
       Konflikt.
       
       Im Kontrast zu vorherigen Veranstaltungen, Demonstrationen und Märschen
       wollen die hier Versammelten ein Zeichen gegen die Polarisierung setzen. Es
       gehe um ein Zeichen gegen die Extremist:innen, welche den schrecklichen
       Krieg zwischen Israel und Hamas dazu ausbeuteten, um Hass gegen Muslime
       und Juden zu schüren, so Mitveranstalter [2][Brendan Cox]. Cox ist der
       Ehemann der von einem Rechtsextremisten vor dem Brexitreferendum 2016
       [3][ermordeten Labour-Abgeordneten Jo Cox]. Menschen aller Hintergründe und
       Religionen in Großbritannien können nicht nur zusammenleben, sagt er – sie
       tun das längst, jeden Tag.
       
       Ein Redner ist der Londoner Lehrer Magen Inon. Seine Eltern Bilha und
       Yakovi wurden am 7. Oktober von Hamas in Israel ermordet. Außerdem sprechen
       die liberaldemokratische britisch-palästinensische Unterhausabgeordnete
       Layla Moran, die Familie in Gaza hat, und der palästinensische
       Friedensaktivist Hamze Awawde aus Ramallah.
       
       Auch Robi Damelin von der Gruppe Parents Circle, der israelische und
       palästinensische Eltern angehören, die Kinder im Konflikt verloren haben,
       in Damelins Fall ihr Sohn, sowie Mira Awad, eine palästinensische Sängerin
       mit israelischer Staatsangehörigkeit.
       
       ## Der Erzbischof, der Konservative und die Labour-Rebellin
       
       Bemerkenswert ist die Beteiligung des Oberhaupts der anglikanischen Kirche,
       Erzbischof Justin Welby. Gekommen ist auch der konservative Abgeordnete
       Tobias Ellwood, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im britischen
       Parlament, und die Labour-Abgeordnete Stella Creasy, eine [4][Rebellin bei
       Labour] gegen den Standpunkt der Parteiführung von Keir Starmer, sich
       lediglich für eine humanitäre Feuerpause statt für einen permanenten
       Waffenstillstand einzusetzen.
       
       Alle Sprecher erkennen das Leid beider Seiten an. Man kann für
       Palästinenser:innen sein, aber klar gegen Hamas. Man kann für Israel,
       aber gegen die schweren Bombardierungen der Armee und die Situation im
       Westjordanland. Man müsse sich gegen „Zyniker“ stellen, die behaupten, es
       gebe keine Hoffnung auf eine friedliche Lösung, sagt Layla Moran. Moran
       verlor bereits ein älteres Familienmitglied in Gaza mangels Trinkwasser.
       
       Magen Inon sagt, man müsse gerade angesichts einer Gruppe, die
       einschüchtern und jegliche Chance auf das Miteinanderleben zerstören
       wollte, Hoffnung statt Revanche aufrechterhalten. Selbst wenn das
       vielleicht in Israel gerade nicht möglich wäre, sei es wichtig. Während
       manche behaupteten, es gäbe niemanden auf der anderen Seite, stünden hier
       Menschen, die sich gegenseitig respektieren.
       
       ## „Weil wir Hoffnung brauchen“
       
       Die 41-jährige Hausärztin Bushra ist mit ihrem zehnjährigen Sohn Zakaria
       gekommen. Die letzten Wochen seien für sie sehr schmerzvoll gewesen,
       erzählt sie der taz. „Gerade die Polarisierung, die sich jeweils gegen die
       anderen richtet, macht mir Sorgen. Es ist der Grund, weshalb ich hier
       hergekommen bin, weil wir Hoffnung brauchen.“
       
       Architekt Ishai, 27, und seine Mutter Yael, 56, wollen sich nach
       Solidaritätsveranstaltungen für Israel und gegen Antisemitismus einer
       anderen Sichtweise stellen. „Solidarität ist nach dieser schweren Zeit sehr
       wichtig“, erläutere Ishai der taz. Mutter Yael gesteht, dass die Teilnahme
       für sie, mit Familie in Israel, eine Überwindung darstellt. „Es ist etwas,
       worüber ich vor dem 7. Oktober keine Sekunde nachgedacht hätte.“ Doch es
       seien hier lauter freundlich gesinnte Menschen, wirft Ishai ein. „Für eine
       echte Lösung müssen aber Menschen zusammenkommen, für die ein solches
       Aufeinandertreffen schwer ist.“
       
       So weit ist es noch nicht, aber der anglikanische Erzbischof Welby
       vergleicht die Veranstaltung mit dem Anzünden eines „Friedenslichts“, das
       überall als Fanal gelten könne.
       
       Mira Awad singt „We shall live in peace“, ein Lied, das sie zum ersten Mal
       als Neunjährige auf einer ähnlichen Veranstaltung gesungen hat, wie sie den
       Versammelten mitteilt, und dann ein palästinensisches Lied zu den Worten
       des palästinensischen Dichters Mahmoud Darwisch. Die Veranstaltung endet
       damit, dass Vertreter:innen verschiedener Glaubensrichtungen eine Kerze
       anzünden und eine Schweigeminute abhalten.
       
       4 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://togetherforhumanity.co.uk/
 (DIR) [2] https://twitter.com/MrBrendanCox
 (DIR) [3] /Ermordung-der-Labour-Politikerin-Jo-Cox/!5314410
 (DIR) [4] /Nahost-Debatte-in-Grossbritannien/!5973441
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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