# taz.de -- Malerei-Ausstellung im Kunstverein Köln: Malen mit modernen Mitteln
       
       > Rheinische Malerei verbindet man mit Kunstfürsten wie Markus Lüpertz. Der
       > Kölnische Kunstverein schaut nun auf gewagte neue Formen dieser Gattung.
       
 (IMG) Bild: Ist das noch Malerei? Matthias Groebel „Towerhouse im Londoner Eastend“
       
       Bei manchen Fußballvereinen muss der oder die neue Spieler*in ein Lied in
       der Kabine trillern, in manch tribalistischer Gesellschaft lässt man sich
       tätowieren – und in Kunstinstitutionen ist die erste Ausstellung immer auch
       eine rite de passage. Die neue Direktorin des Kölnischen Kunstvereins,
       Valérie Knoll, stellt sich der Stadtgesellschaft gleich mit einem Tritonus
       vor.
       
       Die 1978 in Basel geborene Schweizerin nennt ihre Debüt-Schau „Hoi“ (Hallo
       auf Schwyzerdütsch) und lässt sie in drei Inkarnationen auftreten. Vulgo:
       Hoi Teil 1, Teil 2 und Teil 3 – die kommen alle mit einem zusätzlichem
       Untertitel daher. Auf „Die Begrüßung des Raums“ folgt derzeit „Im Bauch der
       Maschine“; der dritte Part soll „Albtraum Malerei“ heißen.
       
       „Hoi ist ein Plädoyer für die Malerei als eine breit gefasste Möglichkeit,
       sich den Mitteln, Themen und Codes der zeitgenössischen Kunst zu widmen“,
       schreibt Valérie Knoll im Begleitheft. Man dürfe dies durchaus als
       Glaubensbekenntnis an die vermutlich älteste Form der bildenden Kunst
       lesen, auf die wechselhafte Geschichte des Malens und seine unklare
       Zukunft: einer Zukunft, die sowohl durch die allgemeine Weltlage als auch –
       speziell in der bildenden Kunst – durch die Digitalisierung der Herstellung
       und des Sehens noch offen ist.
       
       ## Recht gewagt
       
       Dass Valérie Knoll gleich zu Beginn ihrer Amtszeit die Malerei derart
       hervorhebt, wirkt in Köln recht gewagt. Vermutlich war nirgends die Malerei
       in den letzten 50 Jahren bestimmender als in der Domstadt, deren
       stadteigene Kunstgeschichte vom Galeristen und Art-Cologne-Erfinder Rudolf
       Zwirner genauso geprägt wurde wie durch den Kunsthändler Michael Werner,
       der mit [1][Georg Baselitz, Markus Lüpertz], Sigmar Polke und weiteren
       Kunstfürsten das Rheinland zum Mittelpunkt des weltweiten Malerei-Booms
       machte.
       
       Danach folgten die Jungen Wilden der Mülheimer Freiheit – auch heute noch
       stehen [2][alteingesessene Galerien wie Nagel/Draxler] und Daniel Buchholz,
       der etwa Michael Krebber mit seinen flüchtigen Figurationen oder Tomma Abts
       mit ihren geometrischen Mustern vertritt, für alte wie junge
       Malerei-Diskurse. Man merkt: An Gemälden fehlt es in Köln beileibe nicht.
       
       Dass trotzdem immer wieder Neues auftaucht, zeigt Valérie Knoll derzeit mit
       ihrem zweiten Teil der Ausstellungstrilogie: „Im Bauch der Maschine“ ist
       dem technischen Wandel und seinen Folgen gewidmet. Die Schau reiht
       eigenartige und idiomatische Formen der Malerei aneinander. Denen liegt oft
       eine schon gimmickhafte Technik zugrunde.
       
       ## Farbverteilung durch Airbrush-Düsen
       
       Der Kölner [3][Matthias Groebel] (Jahrgang 1958) hat bereits in den 1980ern
       angefangen, aus Schrott Maschinen zusammenzubauen, die ihm den Malvorgang
       abnehmen. Die Farbverteilung durch Airbrush-Düsen hat Groebel über ein
       Computer-Programm noch immer selbst in der Hand, doch im Wortsinn berühren
       tut er die Leinwand nicht mehr.
       
       In den letzten Jahren entdeckte der Kunstbetrieb Groebels
       Screen-Capturing-Gemälde wieder. Im Sinne der Peter Weibel’schen „Pittura
       Immedia“ widmet diese Malerei sich einem anderen Medium: Groebel
       digitalisierte den Inhalt des Satellitenfernsehens und bannte TV-Szenen aus
       aller Welt auf Leinwände.
       
       Im Kölnischen Kunstverein sehen wir eine weitere Facette seiner Kunst. Über
       eine selbstgebaute Stereo-Kamera fing Groebel 2005 und 2006 die Hausfassade
       des heruntergekommenen Tower House im Londoner East End ein. Sie wird hier
       – in geradezu christlicher Kunsttradition – als sechsteiliges Tafelbild
       wiedergegeben. Das grobe, taktile Korn der DV-Kamera erzeugt dabei eine
       eigenartige Bildoberfläche, das stereoskopische Moment der Doppelaufnahme
       wirkt glitchy.
       
       ## Smartphone-Kamera-Ästhetik
       
       Eine anders geartete „Pittura Immedia“ präsentiert Gunter Reski. Gerade
       sein großformatiges Hochkant-Gemälde „Touch ID“ (2021) emuliert die
       Ästhetik von Smartphone-Kameras und Zoom-Gesprächen. Wie durch eine
       Frontkamera eingefangen, sehen wir den überdimensionierten Daumen des
       Malers, der sich Richtung Linse, also Leinwandvordergrund, bewegt und sie
       schon halb bedeckt.
       
       Ein Bild des digitalen Zeitalters? Schon bei den Manieristen, die vor 500
       Jahren mit Camera obscura und anderen optischen Gerätschaften das Sehen
       verschärften, änderten und verformten, gibt es das Sujet. Unwillkürlich
       denkt man an das berühmte „Selbstporträt im konvexen Spiegel“ [4][des
       bereits 1503 geborenen Parmigianino]. Bei Reski hilft derweil kein Spiegel,
       sondern durchaus auch eine künstliche Intelligenz bei der Bildfindung.
       
       „Im Bauch der Maschine“ präsentiert gleich mehrere dieser Bildmodi, die
       sich aus Amalgam und Synthese speisen, althergebrachte Techniken und Gesten
       mit dem digitalen Raum verknüpfen und verschalten.
       
       Dazwischen fallen besonders die Miniaturen der Hamburgerin Barbara Zenner
       raus, die klein und fein an der Wand hängen. Ihre gestickten Bilder, die
       nachträglich mit Kunstschnee und Glitter verfeinert wurden, zeigen eine
       ganz andere Qualität: Zwischen den oftmals etwas glatten Oberflächen der
       „digitalen Malereien“ versprechen sie eine eigenartig wohlige Haptik –
       selbst wenn man sie nur mit den Augen begreift.
       
       9 Jan 2024
       
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