# taz.de -- Berliner Neubau- und Mietenpolitik: Ideologische Sackgasse
       
       > Schwarz-Rot will, dass Neubau das Mietenproblem löst. Doch nicht mal die
       > Landeseigenen können das noch leisten. Es braucht einen Strategiewechsel.
       
 (IMG) Bild: Nichts geht mehr in der Wohnungsbaupolitik
       
       Man weiß nicht, ob sich Franziska Giffey (SPD) zumindest im Stillen ein
       wenig freut: Darüber, dass sie so schlau war, das wichtige Amt der
       Stadtentwicklungssenatorin auszuschlagen, um stattdessen als Senatorin für
       Wirtschaft über den irdischen Problemen der Stadt zu schweben. Die Misere
       in der Neubau- und Mietenpolitik fliegt nicht in erster Linie ihr um die
       Ohren, sondern ihrem Parteigenossen [1][Christian Gaebler]. Der Senator
       muss sich spätestens im kommenden Jahr wohl für die niedrigsten
       Neubauzahlen im vergangenen Jahrzehnt verantworten.
       
       Wie eine Umfrage unter den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gezeigt
       hat, werden sie nächstes Jahr statt der anvisierten 6.500 neuen Wohnungen
       nur die Hälfte fertigstellen. Dass sich zu diesen noch nicht mal 3.800
       Wohnungen, die Howoge, Degewo und Co. bauen wollen, viele weitere von
       privaten Akteuren dazugesellen, darf bezweifelt werden. Die
       profitigetriebene Immobilienwirtschaft hat aufgrund hoher Zinsen neue
       Bauprojekte massenhaft auf Eis gelegt. Was sie noch bauen, sind im
       eigentlichen Sinne keine Wohnungen, sondern Kapitalanlagen für Reiche.
       
       Dass sich die Stadt so weit von ihrem Ziel der 20.000 Neubauwohnungen pro
       Jahr entfernt – in diesem Jahr rechnet Gaebler noch mit etwa 16.000 –, ist
       in erster Linie ein Problem, wenn es bedeutet, dass die Zielzahl von 6.500
       Sozialwohnungen verfehlt wird. Da diese bislang fast ausnahmslos von den
       kommunalen Gesellschaften errichtet wurden, heißt das vor allem: Bezahlbare
       neue Wohnungen gibt es (fast) keine mehr.
       
       Dafür, dass es auch keine bezahlbaren Wohnungen im Bestand mehr gibt, sorgt
       die Koalition, die sich ideologisch in eine Sackgasse manövriert hat,
       selbst. Mit Verweis darauf, dass einzig der Neubau der Schlüssel gegen die
       Wohnungskrise sein kann, hat man sich aus der Sozialregulierung
       zurückgezogen. Den Enteignungs-Volksentscheid hat man gemeinschaftlich
       abserviert, den Mietendeckel hatte einst die CDU weggeklagt, zuletzt
       [2][gestattete man den Landeseigenen hohe Mietsteigerungen]. Systematisch
       hat man sich aller Mittel beraubt, um das Wohnen in der Stadt irgendwie
       bezahlbar zu halten.
       
       ## Ungenaue Subventionen
       
       Als soziale Maßnahme herhalten muss einzig die [3][Verdopplung der
       Fördertopfsumme für den sozialen Wohnungsbau] auf 1,5 Milliarden Euro pro
       Jahr, in der Hoffnung, auch die Privaten würden dann hochsubventioniert
       Sozialwohnungen bauen. Der Beweis, dass das angenommen wird, aber fehlt.
       Und das langfristige Scheitern ist angelegt: Nach 30 Jahren fallen diese
       Wohnungen wieder aus der Sozialbindung.
       
       Die neuen Wohnungen, die die Stadt braucht – bezahlbar und dauerhaft
       verfügbar – können und werden nur die Landeseigenen bauen. Wenn sie nun
       aber die Krise des Bausektors trifft, darf die Koalition nicht länger
       tatenlos zuschauen. Sie muss die eigenen Unternehmen besser ausstatten,
       gemeinsame Planungs- und Baukapazitäten schaffen und damit dem städtischen
       Neubau die höchste politische Priorität einräumen. Und nebenbei die Mieten
       regulieren, wo immer es möglich ist.
       
       Angesichts der zuletzt noch schneller explodierenden Mieten sitzt die
       Koalition auf einem Pulverfass. Das könnte hochgehen, wenn Christian
       Gaebler in einem Jahr Neubauzahlen präsentieren muss, die aller Welt das
       Scheitern der Koalition vor Augen führt. Auch Giffey dürfte dann nicht mehr
       zum Lächeln zumute sein.
       
       16 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Stadtentwicklungssenator-ueber-Wohnungsnot/!5944876
 (DIR) [2] /Landeseigene-Wohnungsbaugesellschaften/!5959618
 (DIR) [3] /Neue-Wohnungsbaufoerderung-des-Senats/!5942564
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erik Peter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Neubau
 (DIR) Wohnungsbaugesellschaften
 (DIR) Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
 (DIR) Wochenkommentar
 (DIR) Mieten
 (DIR) Wohnungsnot
 (DIR) Mietenpolitik
 (DIR) Sozialer Wohnungsbau
 (DIR) Stefan Evers
 (DIR) Schwarz-rote Koalition in Berlin
 (DIR) Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Tausende bei Mieten-Demo: Bunter Umzug gegen den Wahnsinn
       
       Tausende Menschen demonstrieren gegen hohe Mieten und Verdrängung – mit
       Zwischenstopp am Hafenplatz, wo 700 Wohnungen und Gewerbe weichen sollen.
       
 (DIR) Wohnungsnot in Städten: Ein total normaler Lebensentwurf
       
       Städter*innen bekommen oft zu hören, sie seien selbst Schuld, wenn sie
       keine Wohnung finden. „Zieht doch aufs Land“. Eine Verteidigung.
       
 (DIR) Ampel-Streit um Mietrecht: Gefährdete Lebensräume in Berlin
       
       Weil sich Justizminister und Innenministerin nicht einigen können, gibt es
       keine Mietrechtsnovelle. Viele Mieter*innen bangen deswegen um ihre
       Zukunft.
       
 (DIR) Neue Studie zum Wohnungsmarkt: Auf der Suche nach Sozialwohnungen
       
       Berlin benötigt dringend bezahlbaren Wohnraum. Statt dafür zu sorgen,
       subventioniere der Senat lieber die Privatwirtschaft, kritisiert eine
       Studie.
       
 (DIR) Vergesellschaftung in Berlin: Prüfen, bis der Arzt kommt
       
       Der schwarz-rote Senat will trotz Expertenkommission noch ein weiteres
       Gutachten zur Enteignung. Kritiker werten das als Verzögerungstaktik.
       
 (DIR) Mietenwahnsinn in Berlin: Gaebler und die zornigen Mieter
       
       SPD-Senator Christian Gaebler verteidigt auf einem Linke-Podium in
       Kreuzberg die schwarz-rote Wohnungspolitik. Das ist nicht so gut
       angekommen.
       
 (DIR) Landeseigene Wohnungsbaugesellschaften: Der Senat lässt die Mieten steigen
       
       Die neue Kooperationsvereinbarung mit den Wohnungsbaugesellschaften
       verzichtet auf viele Sozialvorgaben. Mieten dürfen um 2,9 Prozent steigen.