# taz.de -- Klimaschutz in Niedersachsen: Aufbruch ins Bessere
       
       > In Niedersachsen ist die Novelle des Klimagesetzes in Kraft getreten. Sie
       > enthält deutliche Verschärfungen, dem Nabu reicht das nicht.
       
 (IMG) Bild: Niedersachsen setzt auf mehr Klimaschutz: Die Windenergiefläche soll sich bis 2026 von 1,1 auf 2,2 Prozent verdoppeln
       
       GÖTTINGEN taz | In Göttingen steht eine Litfaßsäule. Auf ihr ist, riesig
       groß, Marie Kollenrott zu sehen, lachend. Drüber steht: „Frohe Feiertage!“
       Drunter steht: „Niedersachsen hat endlich ein [1][ambitioniertes
       Klimaschutzgesetz].“ Das ist mit dem Jahreswechsel in Kraft getreten.
       
       Kollenrott ist für Göttingen Abgeordnete im niedersächsischen Landtag in
       Hannover. Als Mitglied im Fraktionsvorstand, Sprecherin für Energie und
       Klimaschutz, Koordinatorin des Arbeitskreises Umwelt, Wirtschaft,
       Landwirtschaft, Europa, hat sie maßgeblich dazu beigetragen, dass Mitte
       Dezember 2023 die Novelle des Niedersächsischen Klimagesetzes (NKlimaG)
       verabschiedet werden konnte, eingebracht von den Fraktionen der SPD und der
       Grünen.
       
       „Das sind ambitionierte Ziele“, sagt Kollenrott der taz über die Novelle.
       „Das fühlt sich nach Aufbruch an.“ Ein Jahr lang hat sie sich in die Tiefen
       der Details reingegraben. Was jetzt vorliegt, bezeichnet sie als
       „Meilenstein“. Aber sie mahnt zugleich: „Darauf ausruhen dürfen wir uns
       jetzt nicht. Man muss immer wieder nachsteuern.“ Das Großplakat soll ihrer
       Basis zeigen, dass sie eine von denen ist, die nicht nur reden, sondern
       liefern.
       
       Besonders ambitioniert ist der „Reduktionspfad“: Bis 2030 sollen die
       Treibhausgasemissionen des Landes im Vergleich zu 1990 um 75 Prozent sinken
       (statt wie bisher geplant um 65 Prozent), bis 2035 um 90 (statt um 76). Für
       2040 ist Klimaneutralität geplant (bisher lautete das Ziel: 2045); die
       Landesverwaltung selbst setzt sich dieses Ziel schon bis 2035 (bisher war
       2040 anvisiert).
       
       ## Letzte Verschärfung war 2022
       
       Auch Christian Meyer (Grüne), Niedersachsens Minister für Umwelt, Energie
       und Klimaschutz, ist stolz auf das Ergebnis. Mit der Novelle „reduzieren
       wir das verfügbare CO2-Budget noch einmal deutlich, ermöglichen [2][mehr
       Wind- und Solarenergie] und erfüllen die internationalen Klimaziele“, sagt
       er. „Niedersachsen wird damit zum Energiewende- und Klimaschutzvorreiter in
       Deutschland.“ Das Gesetz sei ein Gesetz „des Ermöglichens und Machens“.
       
       Es ist die zweite Novelle des niedersächsischen Klimagesetzes in kurzer
       Zeit. Schon Mitte 2022 gab es eine Verschärfung. Das Beschlusspaket ist
       umfangreich. Vor neuen Gesetzen und Verordnungen ist nun beispielsweise zu
       prüfen, welche Auswirkungen sie auf die Klimaziele haben. Klimarelevante
       (Genehmigungs-)Verfahren des Landes werden behördlich vorrangig bearbeitet.
       Alle Landkreise und kreisfreien Städte führen ein Klimaschutzmanagement
       ein, alle Ministerien und die Staatskanzlei bekommen
       Klimaschutzbeauftragte. Zudem soll ein unabhängiger Klimarat die
       Landesregierung in der Klimaschutzpolitik beraten, eigene Ideen einbringen.
       
       Die Novelle enthält viele Konkreta. Die Windenergiefläche soll sich bis
       2026 von 1,1 auf 2,2 Prozent verdoppeln, 0,5 Prozent soll für Photovoltaik
       zur Verfügung stehen. Die Solar-Pflicht wird ab 2025 von Neubauten auf die
       grundlegende Dachsanierung ausgeweitet, außerdem gilt sie ab 2025 beim
       Neubau und bei der Sanierung von Parkplätzen schon ab 25 Stellplätzen
       (statt, wie bisher, ab 50 Stellplätzen). Und ab sofort finanziert das Land
       Niedersachsen die Entwicklung kommunaler Klimaschutzkonzepte mit knapp
       zwölf Millionen Euro pro Jahr.
       
       Die Opposition, CDU und AfD, hat im Landtag gegen die Novelle gestimmt.
       Verena Kämmerling, die umweltpolitische Sprecherin der
       CDU-Landtagsfraktion, sprach im Hannoveraner Plenarsaal vor der Abstimmung
       von „Beratungschaos“ und einem politischen Weihnachtsgeschenk für die
       Klientel der Regierungskoalitionäre, das sich als „Schrottwichteln“
       herausstellen werde. „Oppositionsgetöse“, sagt Kollenrott dazu. Man habe
       die Novelle sehr kollegial, sehr sachbezogen zusammen beraten.
       
       ## Moorschutz geht Nabu nicht weit genug
       
       Der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen sieht in der Novelle
       begrüßenswerte „ehrgeizige Ziele“. Aber Nabu-Landesvorsitzender Holger
       Buschmann äußert auch gleichermaßen Kritik und mahnt unter anderem den
       „Einklang mit der Natur“ an. „Die Ausweitung der Solarpflicht auf Dächern
       und über Parkplätzen ist positiv zu bewerten, jedoch sind im Gesetz keine
       naturverträglichen Lösungen zum Ausbau der Erneuerbaren zu finden“, sagt
       Buschmann. „Konflikte mit dem Natur- und Artenschutz müssen dringend
       vermieden werden, weswegen sich beim Ausbau der Erneuerbaren auf bereits
       versiegelte und vorbelastete Flächen konzentriert werden sollte.“
       
       [3][Auch zum Moorschutz] meldet der Nabu Kritik an. Die Novelle sieht zwar
       ein Verbot des Torfabbaus vor, aber Alt-Genehmigungen bleiben unangetastet.
       „Bestehende Moore müssen erhalten und ehemalige Moorflächen renaturiert
       werden, damit ihre Funktion als Lebensraum für viele bedrohte Tier- und
       Pflanzenarten wiederhergestellt wird“, sagt Buschmann. „Leider bringt es
       dem Klima- und Moorschutz nichts, wenn der Torf durch ein Abbauverbot
       künftig noch stärker im Baltikum abgebaut wird als bisher.“ Der
       Torfverbrauch im Hobbygartenbereich müsse verboten werden.
       
       Viel nachzusteuern für Marie Kollenrott. Ob das Klima so wirklich Vorrang
       bekommt, wird sich zeigen, Vorrang hat es auf jeden Fall demnächst auf
       Kirchendächern, wenn die Gemeinde Solartechnik auf denkmalgeschützte
       Gebäude setzen will. Wer an Gottes Schöpfung glaubt, kann ja schon mal
       einen Antrag schreiben, um sie zu bewahren.
       
       1 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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