# taz.de -- Torfabbau in Niedersachsen: Moor kann mehr als Torf
       
       > Niedersachsens Klimaschutzminister nimmt Moorschutz in den Blick. Aber
       > tut er genug? Matthias Schreiber vom Umweltforum Osnabrücker Land
       > zweifelt.
       
 (IMG) Bild: Werden Moore wieder vernässt, können typische Moorpflanzen wie das Torfmoos wachsen
       
       OSNABRÜCK taz | Man kann mit dem Moor umgehen wie die Band Torfrock: „Rut
       mit’n Torf, hau rin und hol rut, dat matscht so schön und tut so gut.“
       Spaßfaktor hoch, Problembewusstsein gleich Null. Ratsam ist das nicht. Denn
       [1][Torfabbau tut nicht gut]. Vor allem nicht dem Klimaschutz.
       
       208.000 Hektar Hoch- und 187.000 Hektar Niedermoor gibt es in
       Niedersachsen, so das Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie. Auf über
       8.000 Hektar wird derzeit Torf abgebaut: für unsere Blumentöpfe und
       Gemüsebeete. Fast die gesamte deutsche Torfproduktion findet hier statt,
       rund sieben Millionen Kubikmeter pro Jahr.
       
       Lässt man Moorböden in Ruhe, binden sie CO2, statt es freizusetzen. Aber
       man lässt sie nicht in Ruhe. Auch nicht unter Niedersachsens [2][Umwelt-
       und Klimaschutzminister Christian Meyer] (Grüne), der sich gern als ihr
       Beschützer zeigt. Die Studie „Zum Stand des Torfabbaus in Niedersachsen“,
       die das [3][Umweltforum Osnabrücker Land] im Herbst 2023 vorgelegt hat, ist
       alarmierend: Von 89 Genehmigungen ist darin zu lesen; einige davon gehen
       bis 2047, zwei sind unbefristet. Neue Genehmigungsverfahren laufen.
       
       Zwar enden 80 Prozent aller befristeten Abbaugenehmigungen bis 2035. „Aber
       das ist keine beruhigende Nachricht“, sagt Matthias Schreiber,
       Vizevorsitzender des Umweltforums und einer der Co-Autoren [4][der Studie].
       „Denn solange wird ja CO2 freigesetzt. Und danach ist die Torfmenge dort
       ohnehin aufgebraucht.“ Schreiber ist überzeugt: „Wir leisten uns
       Absurditäten. Dass im Moor was vorangeht, erkennt man nicht.“
       
       ## Neues Klimaschutzgesetz kommt
       
       Auch die behördliche Informationspolitik ist absurd: Nicht alle Landkreise
       haben für die Studie des Umweltforums Angaben gemacht. „Teils gab es
       Akteneinsicht auch nur vor Ort“, sagt Schreiber, „und statt einer Kopie
       musste man alles abschreiben.“
       
       Dass die Abtorfung in Niedersachsen noch lange weitergehen könnte, zeigt
       auch die [5][Große Anfrage „Moorschutz ist Klimaschutz“] der
       Landtagsfraktion der Grünen von 2021. In mehreren Landkreisen, räumt das
       Umweltministerium in seiner Antwort ein, laufen Genehmigungen bis 2060.
       
       Niedersachsens SPD und Grüne wollen zwar Ende diesen Jahres im Landtag ein
       Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beschließen, das vorsieht, „dass
       keine neuen Genehmigungen für den Abbau von Torf erteilt werden“, sagt
       Lotta Cordes, Sprecherin des Umweltministeriums. Aber in bestehende
       Abbaugenehmigungen greift das Gesetz nicht ein.
       
       „Das war ein langer Kampf“, sagt Christian Meyer. „Und die Torf-Lobby läuft
       jetzt natürlich gegen mich Sturm. Aber wir brauchen einen Ausstieg aus der
       klimaschädlichen Torfnutzung.“ Zum 1. Dezember, so Meyer weiter, trete
       zumindest schon einmal eine neue Beschaffungsrichtlinie in Kraft, „die den
       Einsatz von Torf durch Landesbehörden ausschließt“.
       
       ## Juristischer Streit droht
       
       Schreibers Hoffnung, dass Minister Meyer bestehende Genehmigungen aussetzt,
       hat sich bisher nicht erfüllt. Der Minister sagt dazu: „Es ist juristisch
       strittig, ob man das als Land überhaupt tun könnte, weil es natürlich
       Vertrauensschutz in einmal erteilte Genehmigungen gibt.“ Außerdem, so Meyer
       weiter, stünde bei rückwirkenden Eingriffen des Staates in bereits erteilte
       Genehmigungen „dann auch die Forderung nach hohen Entschädigungen im Raum“.
       
       Meyer vermutet, dass auch die Gesetzesnovelle selbst Gegenstand einer
       Gerichtsentscheidung wird, denn der Arm der Torf-Lobby reicht weit. „Eine
       zweite juristische Front zu eröffnen, solange sie nicht in trockenen
       Tüchern ist, ist nicht ratsam.“
       
       Auch das Substrat-Unternehmen Gramoflor aus Vechta baut in Niedersachsen
       Torf ab, auf 200 Hektar, derzeit jährlich bis 200.000 Kubikmeter, Tendenz
       sinkend. Seine Abbaugenehmigungen enden zwischen 2029 und 2036. „Neue sind
       nicht mehr geplant“, schreibt Josef Gramann, geschäftsführender
       Gesellschafter von Gramoflor. Er gehe davon aus, „dass unsere bestehenden
       Genehmigungen von dem neuen Gesetz unberührt bleiben“.
       
       In der Gesetzesnovelle sieht er „erhebliche inhaltliche Mängel“ und
       verweist auf ein [6][Rechtsgutachten des Industrieverbands Garten (IVG)],
       sie sei nicht verfassungskonform.
       
       ## Handlungsdruck ist gestiegen
       
       Philip Testroet, Referatsleiter Gartenbau und Umwelt des IVG, lobt
       gegenüber der taz derweil den Torfabbau als positiv: [7][Die Biodiversität]
       werde „dadurch gefördert, dass artenarme landwirtschaftlich genutzte und
       seit langer Zeit trockengelegte Flächen nach dem Abbau zu lebenden Mooren,
       CO2-Senken und Habitaten für seltene Tiere und Pflanzen und unter
       dauerhaften Schutz gestellt werden.“
       
       Sicher, Torfabbau auf Agrarflächen kann ein Schlüssel zur
       Moor-Renaturierung sein, so widersinnig das klingt und ist. Aber er hat
       Klimakonsequenzen. Und was der Mensch in wenigen Jahren zerstört, braucht
       Jahrtausende, um wieder zu wachsen.
       
       „Unser Engagement bei der Hochmoorentwicklung“, sagt Gramann, „ist eine
       echte Herzensangelegenheit.“ Gramoflor habe auf über 300 Hektar hohe
       Biodiversität und Artenvielfalt entstehen lassen. Schreiber attestiert
       Gramoflor eine gute Nachsorge. Aber er wirft dem Unternehmen zugleich eine
       Haltung „von früher“ vor: „Angesichts der Klimakrise gibt es heute einen
       ganz neuen Handlungsdruck.“
       
       Und es gibt Handlungsvorbilder: Im Herbst 2023 ist ein vom Umweltforum
       mitinitiierter [8][Bürgerdialog zu Perspektiven für das Große
       Moor/Campemoor] nordöstlich von Osnabrück an den Start gegangen. 260 Leute
       kamen. „Die Atmosphäre war abwartend, neugierig“, sagt Schreiber, „nicht
       abwehrend aggressiv, wie oft bei Naturschutzprojekten.“ Landwirte waren da,
       Kommunen, Umweltverbände, die [9][Torfindustrie]. Anfang 2024 steht ein
       neuer Termin an.
       
       27 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Wasserkraft-im-Tiroler-Kaunertal/!5952891
 (DIR) [2] /Christian-Meyer/!t5012247
 (DIR) [3] https://www.umweltforum-osnabrueck.de/
 (DIR) [4] https://umweltforum-osnabrueck.de/files/Downloads/Torfabbaubericht-UFO2023end.pdf
 (DIR) [5] https://www.landtag-niedersachsen.de/Drucksachen/Drucksachen_18_10000/08501-09000/18-08876.pdf
 (DIR) [6] https://ivg.org/2023/07/03/ivg-kritisiert-gesetzentwurf-zum-torfabbau-in-niedersachsen/
 (DIR) [7] /Neue-Studie-zum-Artensterben/!5968590
 (DIR) [8] https://www.landkreis-osnabrueck.de/verwaltung/verwaltung/gestalten-sie-mit
 (DIR) [9] https://www.landkreis-osnabrueck.de/verwaltung/verwaltung/gestalten-sie-mit
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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