# taz.de -- Die Wintersonnenwende Schab-e Yaldā: Die Nacht der Geburt
       
       > Heute, am kürzesten Tag des Jahres, feiern die Menschen in vielen Ländern
       > Schab-e Yaldā, die Wintersonnenwende. Es ist ein Fest der Hoffnung.
       
 (IMG) Bild: Yalda: ein Fest zur Wintersonnenwende mit Granatäpfeln, Melonen und getrocknetem Obst
       
       Heute erreicht die Sonne über der nördlichen Hemisphäre den niedrigsten
       Mittagsstand über dem Horizont – der Winter beginnt. Es ist [1][Schab-e
       Yaldā], wörtlich die „Nacht der Geburt“. Die Sonnenwende ist in Europa
       nicht weiter spektakulär, während die längste Nacht des Jahres für Kulturen
       mit [2][zoroastrischer Geschichte] zu den wichtigsten im Jahr gehören.
       Familien kommen an dem Tag zusammen und feiern die gesamte Nacht.
       
       Sowohl in Iran, Afghanistan als auch Tadschikistan und vielen anderen
       Ländern der Welt werden die ab morgen heller werdenden Tage als Sieg über
       die Dunkelheit gefeiert – ein Zeichen wieder steigender Hoffnung. Das
       Yaldā-Fest ist schon in der Zeit von 550 bis 330 Jahre v. Chr. belegt.
       
       Auf dem Tisch liegen Granatäpfel, Melonen, es brennen Kerzen oder ein
       Feuer. Getrocknetes Obst und Milchreis mit Safran wird an Nachbarn
       verschenkt. Ein Hafiz-Band, das Buch eines der bekanntesten Dichter Irans,
       liegt in der Mitte des Tisches. Die Farbe Rot symbolisiert das Leben und
       das Licht. Sie verkörpert Barmherzigkeit und den Glauben an eine bessere
       Zeit.
       
       Als Kind saß ich bei der [3][Yalda-Feier] still da und schlug mit
       geschlossenen Augen den Diwan, einen Gedichtband, auf. Fāl-Nāma ist eine
       Art Zukunftsvorhersage, bei der ein zufälliges ausgesuchter Verse von Hafiz
       Aussichten auf die kommenden Monate liefern soll.
       
       ## Ein Fest des Widerstands
       
       Vergangenes Jahr um diese Zeit fanden die ersten Hinrichtungen [4][seit dem
       Tod Jina Aminis] im Iran statt. Als Reaktion auf die großen Protestwellen
       antwortete das Regime mit der Todesstrafe. Die Journalistin und
       Iran-Aktivistin Sara Mohammadi sagt in einem gemeinsamen Gespräch: „Vor
       allem im letzten Jahr war die Winterzeit sehr belastend für mich, Yalda zu
       feiern bedeutet daran festzuhalten, dass wir am Ende über das Regime siegen
       werden.“
       
       Die islamische Republik, aber auch die Taliban versuchen seit Jahren Feste
       wie Yaldā oder Nouruz (das Frühlingsfest) zu verbieten. Vor allem in
       Afghanistan ist es illegal, nicht muslimische Feste zu feiern.
       
       „Die Menschen treffen sich trotzdem, aber eben heimlich“, beschreibt die
       afghanische Künstlerin Farila Neshat im Interview: „Yalda ist ein wichtiger
       Tag in Afghanistan. Auch, wenn wir den Tag nicht zelebrieren dürfen, kommen
       meine Cousinen zusammen, für mich ist das eine Art Widerstand.“ Yaldā
       bedeutet, sich zu erinnern, es bedeutet dem Vergessen den Rücken zu kehren
       und nicht nur an einem kulturellen Brauch, sondern an einer Geschichte der
       Hoffnung festzuhalten.
       
       Heute betrauern wir eine große Anzahl Menschen, die getötet wurden, weil
       sie während der feministischen Revolution gegen [5][diktatorische Regime]
       wie die Taliban und die islamische Republik protestierten. Während sich an
       den Lebensbedingungen im Iran kaum was geändert hat, wurden seit September
       mehr als 170.000 afghanische Schutzsuchende aus Pakistan vertrieben.
       
       Zusammen die Sonnenwende zu feiern heißt, die Dunkelheit dieser Geschichten
       in eine Erzählung des Widerstands und des Lichts umzuwandeln und damit das
       ewige Opfer-Narrativ herauszufordern. Wir kommen also auch nach mehr als
       1000 Jahren zusammen, denn unsere Geschichten sind verbunden, sie sind
       trotz der uns trennenden Kilometer verstrickt. Vielleicht formt sich der
       Knoten, den sie bilden, irgendwann, bei einem Sonnenaufgang, zu einem
       unzerstörbaren, nicht zu durchtrennenden Netz der Solidarität.
       
       21 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.irankultur.com/yalda-nacht-antikes-iranisches-fest/
 (DIR) [2] https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/der-zoroastrismus-die-religion-zwischen-glauben-und-philosophie/1853352
 (DIR) [3] /Archiv-Suche/!5940189&s=yalda&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [4] /Frauenrevolution-im-Iran/!5967632
 (DIR) [5] /Repression-in-Iran/!5975198
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leyli Nouri
       
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